Читать книгу Eine böse Überraschung - Elisa Scheer - Страница 10

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„Ist nicht dein Ernst!“ Belli konnte es absolut nicht fassen, als sie mit Henni bei einem Bier in der Sonderbar saß. „Ein richtiges Skelett? Das gibt´s doch nur im Film, sowas.“

„Es war ganz schön real“, antwortete Henni etwas abwesend, weil sie überlegte, ob sie einen Blick in die Speisekarte werfen sollte. „Nicht wirklich gruselig, eher wie das alte Skelett damals im Bio-Unterricht, weißt du noch? Sauber vom Fleisch befreit, nur nicht so weiß, eher bräunlich.“

„Iih!“ Belli schüttelte sich. „Hörst du mit den unappetitlichen Einzelheiten auf!“

„Ich sag doch, es war nicht unappetitlich! Ich möchte bloß wissen, wer das gewesen sein kann… ich meine, wie kommt denn eine Leiche in den Keller unserer Eltern? Es muss ja mal eine richtige Leiche gewesen sein, oder?“

„Du bist sowas von kaltschnäuzig“, zeterte Belli nur halb im Scherz. „Und du willst doch jetzt nicht wirklich was essen?“

„Ich hab Hunger“, entgegnete Henni verständnislos. „Am frühen Nachmittag habe ich mit Willi beim Abbruch zugeschaut, dann gab es endlose Verhöre, erst auf dem alten Grundstück, dann bei mir in der Wohnung. Ich konnte weder einkaufen noch mir etwas kochen.“

„In deiner Astronautenküche kann man doch sowieso nicht kochen“, ließ sich Belli sofort ablenken. „Viel zu klein. Ich verstehe sowieso nicht, warum du dir nicht mal eine richtige Wohnung zulegst.“

„Was wäre denn eine richtige Wohnung?“ Henni war halb gereizt, halb amüsiert, denn diese Debatte führten sie immer wieder.

„Das weißt du genau! Mit Platz! Balkon, vielleicht ein Garten. Eine richtige Küche, ein separates Schlafzimmer, richtige Schränke und Regale.“

„Und was sollte ich da reintun?“

„Dein Zeug natürlich!“

„Ich hab aber nicht so viel Zeug, glücklicherweise. Belli, nun lass das doch. Ich mag meine Astronautenwohnung genauso, wie sie ist. Sonst würde ich doch nicht so wohnen!“

„Na, wie du meinst! Isst du jetzt wirklich was? Nach diesem Schock?“

„Nach welchem Schock? Hab ich nicht eben gesagt, es war nicht so gruselig? Diese Hackfleisch-Pastete hört sich gut an…“ Sie winkte der Bedienung.

Als die Bestellung aufgegeben war, schüttelte Belli immer noch den Kopf. „Henni, manchmal verstehe ich dich wirklich nicht!“

„Wieso, ich bin doch wie immer?“

„Ja, eben! Müsstest du nicht langsam mal etwas weiblicher werden?“

„Was verstehst du unter weiblich?“, erkundigte Henni sich mit mäßigem Interesse, denn diese Diskussion war auch nicht gerade neu für sie.

Belli verdrehte die Augen. „Alleine schon, dass du das fragen musst! Mitgefühl meine ich, Gefühle zulassen! Empathie! Soziale Intelligenz!“

„Du bist unverschämt, Belli! Nur weil ich nicht bei jeder Spinne loskreische und wegen einer bestimmt vierzig Jahre alten unbekannten Leiche nicht aufs Essen verzichte, fehlt es mir nicht an sozialer Intelligenz. Himmel, ich hab eine Führungsposition und ich bin gut in Mitarbeiterführung, das könnte ich doch sonst gar nicht!“

„Mitarbeiterführung! Das ist auch schon so ein Begriff… ich finde das irgendwie – ich weiß nicht.“ Sie lächelte besorgt.

„Jaja. Unweiblich, ich weiß. Echte Frauen haben nur schlecht bezahlte, untergeordnete Posten, ja? Am besten bloß Teilzeit?“

„Mein Gott, tu doch nicht so! Möchtest du nicht auch lieber mal einen Freund, vielleicht heiraten, Kinder? Du bist eh schon ganz schön spät dran, ist dir das nicht klar?“

Hennis Gesicht hellte sich auf, aber der Grund wurde Belli schnell klar, als sie den Kopf wandte: Die Hackfleischpastete kam.

Erst nachdem Henni den Teigdeckel gelüftet, genießerisch den entweichenden Dampf geschnuppert und ein Häppchen Hackfleisch mit Paprika gekostet hatte, konnte sie sich wieder auf das Gespräch konzentrieren. „Göttlich! Der Heusler hat es wirklich drauf. Pass auf, wenn ich meine biologische Uhr ticken hören müsste, was ist denn dann mit deiner? Du bist genauso alt wie ich.“

Belli verzog weinerlich das Gesicht. „Ich will ja! Ich finde bloß keinen!“

„Was ist mit diesen Edelpartnersuch-Portalen im Netz? Würde ich an deiner Stelle mal versuchen.“

„Hab ich schon. Die waren ganz schön zickig, weil ich keine Akademikerin bin. Und dann hat sich auch keiner interessiert und ich hab nur einen Haufen Geld ausgegeben.“

Henni wunderte sich: Belli hatte zwar einen Vogel, aber sonst war sie doch eine ganz Nette? Und hübsch war sie auch, viel hübscher jedenfalls als Henni, die eher burschikos daherkam.

„Was hast du denn da angegeben?“

„Wie meinst du das?“

„Na, Beruf, Interessen, Wünsche für die Zukunft – fragen die so was etwa nicht?“

„Doch, schon. Mei – die Wahrheit. Dass ich Sachbearbeiterin in einer Versicherung bin, gerne Squash spiele, mir Kinder wünsche. Was würdest du denn angeben?“

Henni aß und überlegte dann: „Über dich oder über mich?“

„Über dich selbst natürlich!“

Henni nahm noch einen Bissen. Wie waren sie bloß auf dieses bescheuerte Thema gekommen? „Was sollte ich schon sagen? Ich bin Ingenieurin für Fahrzeugelektronik, radle gerne, liebe gute Filme, lese gerne Krimis und stehe auf Minimalismus. Das mögen Männer wahrscheinlich nicht, was mir sehr entgegenkommt.“

„Aber wie willst du denn dann einen Mann finden?“

Henni rollte mit den Augen. „Will ich doch gar nicht! Wenn ich zufällig einen tollen Mann treffe, okay. Aber mit dem muss ich doch nicht sofort eine Familie gründen! Suchen tue ich jedenfalls nicht.“

„Fühlst du dich nicht irgendwie – unvollständig, so ohne Mann?“

Henni fühlte, dass sie Belli regelrecht anglotzte. „Wie bitte? Nein, natürlich nicht! Belli, fühlst du dich etwa unvollständig? Woher kommt das? Verdammt, du bist doch so, wie du bist, völlig okay. Und ganz! Hat dir das jemand eingeredet?“

„Quatsch. Aber wenn man sieht, wie Kolleginnen, die viel jünger sind, heiraten… eine ist sogar schon schwanger…“

„Hast du dich mal gefragt, ob du wirklich selbst heiraten willst – oder ob du nur denkst, du müsstest, weil die anderen ja auch - ?“

„Weiß ich nicht. Jedenfalls glaube ich nicht, dass Männer es mögen, wenn man so kaltschnäuzig auf eine Leiche reagiert!“ Das klang kriegerisch – aha, Belli arbeitete sich wieder aus ihrer mutlosen Stimmung heraus!

Henni aß gleichmütig weiter. „Mein Gott, ein paar Knochen – und der (oder die) muss doch schon ewig tot sein. Die Kripo kriegt schon noch raus, wer das war und warum er oder sie im Boden des Vorratskellers gelandet ist.“

„Aber – das war doch immerhin mal ein Mensch! Hast du gar kein Mitleid?“

„Ach Belli, du hast ja Recht, aber ich kann diese paar Knochen irgendwie auch nicht als Mensch wahrnehmen. Natürlich will ich, dass man rauskriegt, wer das war… aber bestimmt haben auch etwaige Angehörige das Trauern schon vor Jahrzehnten eingestellt.“

„Was war denn bis jetzt überhaupt?“

„Hab ich doch schon erzählt, sie haben Willi und mich verhört, aber wir wussten natürlich gar nichts. Unsere Eltern haben diese WG-Phase noch geheimnisvoller gehandhabt als die Zeit, als unsere Großeltern dort gelebt haben. Ich habe ja nur mühsam die nötigsten Bruchstücke zusammengetragen! Ja, und jetzt haben sie wahrscheinlich den Luggi und den Ulli am Wickel und vielleicht noch den Onkel Thomas. Der wird schön sauer sein, als ehrsamer Stadtrat…“ Sie grinste und aß weiter.

„Stadtrat? Du hast einen Onkel, der Stadtrat ist? Schick!“

„Halb so wild. Ich glaube, der war das letzte Mal da, als der Willi gefirmt würden ist. Da war der Willi vierzehn, dann war ich… acht. Er war der Firmpate. Aber seitdem… immerhin hab ich den Namen noch gewusst und die Kripo hingeschickt. So, und jetzt hab ich von dem Thema die Nase voll, erzähl mir lieber ein paar Schwänke aus deiner Versicherung!“

Eine böse Überraschung

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