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„Ich hasse uralte Leichen“, brummte Felix Marquart und kippelte in seinem Sessel, den Blick fest auf die noch recht leere elektronische Wandtafel gerichtet.

„Warum? Ist so ein Fall nicht ziemlich romantisch?“ Maggie Bohns Augen funkelten aufgeregt.

„Ein Hauch von Cold Case?“, erklang es amüsiert von der Tür, in der Max Korka mit seiner Kiste stand.

„Das klingt meistens besser als es ist“, merkte Felix an. „Hallo, Max! Wahrscheinlich können wir den Todeszeitpunkt nur auf fünf Jahre genau festlegen, wie soll man da denn vernünftig ermitteln!“

„Wir schaffen das schon“, behauptete Maggie und Max lachte. „Der Optimismus der Jugend… Wer ist noch im Team?“

Felix zuckte die Achseln. „Katrin und Patrick nicht, die hat sich Joe geschnappt. Ehrl ist bei Andi… ich denke, Liz kriegen wir noch. Und wenn wir ganz alte Akten brauchen, fragen wir den Kurti.“

„Was?“, rief Max und hätte fast seine Kiste fallen lassen. „Nicht dein Ernst, oder?“

„Wieso, zum Akten raussuchen reicht es doch gerade noch beim Kurti?“

„Der mault immer so rum, wenn man was braucht“, gab Maggie zu bedenken und zeigte für Max auf den Schreibtisch neben ihrem.

Schließlich tauchte auch Liz auf. „Ein Fall aus den Siebzigern, höre ich? Ist ja scharf…“

Sie bezog den letzten Schreibtisch.

„Na, prima“, meinte Felix grämlich, „dann wollen wir euch mal auf Stand bringen, was, Maggie? Schick alles gleich an die Tafel.“

Maggie signalisierte Betriebsbereitschaft und ließ an der Tafel die Worte SKELETT IM KELLER erscheinen. Liz und Max schienen geneigt, über diesen Falltitel zu diskutieren, aber Felix hob mahnend die Hand. „Das ist jetzt wurscht! Prioritäten setzen, Leute! Erstens wurde das Skelett im Keller eines Siedlungshäuschens in Zolling gefunden. Beim Abriss.“

„Das hätten die Leute sich aber doch denken können, dass es aufkommt, wenn sie die Hütte abreißen lassen“, überlegte Max.

„Verkauft haben die Kinder“, wandte Felix ein. „Durchaus möglich, dass die Sache mit der Leiche vor ihrer Zeit war. Zweitens lebte in dem Haus in den Jahren 1972 bis wohl irgendwann 1973 eine WG, bestehend aus den Eltern der Verkäufer, offenbar dem Bruder der Mutter, einem Thomas Wiesinger, und noch zwei, drei Leuten, deren Namen die Tochter nicht wusste. Der Sohn hat noch weniger Fakten zu bieten.“

„Wie heißen die Eltern? Und was ist mit denen passiert?“, fragte Liz.

„Gabi Wiesinger und Hanshelmut Möbius. Hanshelmut in einem Wort.“

„Wann sind die denn geboren? Diese Namen klingen so – so weit weg“, fand Max.

„Gut beobachtet. Ja, geboren in den frühen Fünfzigern. Wären heute Anfang der Sechzig; die Eltern sind aber letztes Jahr in den USA auf einem Inlandsflug verunglückt. Wenn nötig, prüfen wir das nach, aber zuerst müssen wir herausbekommen, zu wem diese kläglichen Überreste gehören.“

Alle nickten, Maggie schickte diese Informationen an die Tafel.

„Der Vater hatte keine Geschwister?“, fragte Liz.

„Keine Ahnung. Wir erkundigen uns am besten bei der Tochter, Henriette.“

„Wer hat denn in den Siebzigern eine Tochter Henriette genannt?“, wunderte sich Liz. „Damals hatte man es doch gar nicht mit so altmodischen Namen… wie heißen denn die anderen?“

„Wilhelm, Ulrich und Ludwig“, las Maggie vor. „Stimmt, eigentlich komisch.“

„Vielleicht nach den Großeltern. Die könnten die Hütte gebaut haben. 1938, das passt ja ganz gut, oder?“

„Ihr könnt gerne nachsehen, wie die Großeltern geheißen haben. Eine Art Stammbaum wäre ohnehin nicht schlecht. Da kämen dann auch etwaige Geschwister des Vaters unter. Die wissen vielleicht noch, wer alles in der WG gewohnt hat.“

„Wenn wir erfahren, ob Männlein oder Weiblein und wann die Leiche da eingebuddelt worden ist… hat die Gerichtsmedizin was gesagt, wann sie Ergebnisse haben?“

„Kann dauern, haben sie gemeint. Hast du die Brösel gesehen, die die Arbeiter aus den Knochen gemacht haben, mit ihren Pressluftbohrern und Spaten? Außer dem Schädel ist da praktisch nichts mehr vollständig…“, seufzte Felix.

„WG“, sinnierte Max. „Eine stinknormale WG oder mehr so etwas wie eine Kommune? Ich meine, Siebziger, vielleicht waren die noch so Flower-Power-mäßig unterwegs?“

Wer zweimal mit demselben pennt, gehört schon zum Establishment“, zitierte Felix. „Verdammt lang her…“

„Auch ein Zitat“, freute sich Liz.

Felix winkte ab. „Ihr denkt an Eifersucht und Beziehungsknatsch? Möglich. Aber dass ein Mitbewohner plötzlich spurlos verschwindet… wäre das in den Siebzigern nicht aufgefallen?“

Max zuckte die Achseln. „Der Sowieso ist nach Indien gegangen und nennt sich jetzt Wasweißich… hätte das damals nicht jeder geglaubt?“

„Oder nach Westberlin, um dem Wehrdienst zu entgehen“, stimmte Felix zu. „Dort hatten ja auch die Kneipen die ganze Nacht auf…“

„Ein überzeugendes Argument“, lobte Liz, „aber was, wenn die Leiche eine Frau war? Dann sticht das Wehrdienstargument nicht so arg.“

„Dann kommt die Masche Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, konterte Felix und lachte auf, als er auf drei ratlose Augenpaare traf. „Okay, muss man nicht gelesen haben, aber am Bahnhof Zoo in Berlin gab´s eine wüste Drogenszene und da hat es eine Menge Junkiemädels hingezogen. Besser als in Leisenberg am Bahnhof herumzustehen, wo einen dann die eigenen Eltern erwischen und an den Ohren heimschleifen.“

„Oder“, fiel Maggie ein, „sie könnte ihr Herz für den Kommunismus entdeckt haben und in die DDR gegangen sein?“

Felix nickte. „Gut möglich. Das war zwar, glaube ich, gar nicht so einfach, aber das hätte hier ja keiner gewusst. Alle hätten bloß gedacht Gut, dass sie weg ist, wenn sie so drauf ist…Oder sie beneidet, wenn sie selbst so ähnlich dachten.“

Kurzes Schweigen, in dem sich alle vergegenwärtigten, wie wenig sie bisher wussten.

„Egal“, fasste Felix schließlich zusammen, „das sind eh bloß Spekulationen. Wir wissen ja noch gar nichts! Teilen wir uns auf – eine Gruppe geht zu Wilhelm Möbius in Mönchberg, die andere zu Henriette Möbius in Zolling.“

„Die wohnt auch in Zolling?“, fragte Max. „Warum hat sie das Elternhaus dann nicht übernommen?“

Die anderen drei sahen ihn verächtlich an.

„Baujahr 1938?“, schlug Liz schließlich vor.

„Äh, ja“, ärgerte sich Max. „Aber trotzdem – ich meine, das Elternhaus?“

„Ich kann die Frau verstehen“, fand Maggie. „Drei Brüder auszahlen und ein weiteres Vermögen darauf verschwenden, die Hütte bewohnbar machen – Dach, Heizung, Leitungen, Isolierung – und wozu das Ganze? Um ein Leben lang Rasen zu mähen und sich für die Nazihütte zu schämen?“

„So konnten alle vom Erlös ihre eigenen Wohnungen ein Stück abzahlen“, lächelte Felix Max freundlich an.

„Ja, ist ja gut. Ich finde das nur ein bisschen – kaltschnäuzig?“

„Dass Männer immer so sentimental sein müssen!“, höhnte Liz.

„Vielleicht wollen sie auch nur, dass Frauen sentimental sind? Konservatives Frauenbild oder so“, meinte Maggie.

Max ärgerte sich. „Aber dass die auch noch zuschauen, wie die Abrissbirne da reinknallt… die haben ihre Eltern wohl nicht gerade gern gehabt, oder?“

„Sogar wenn das stimmen sollte, können die beiden diese Leiche nicht im Keller vergraben haben, es sei denn, sie hätten schon als Kleinkinder oder sogar vor ihrer Geburt gemordet“, entgegnete Felix nicht ohne Schärfe, denn Max´ Einfordern kindlicher Pietät ging ihm allmählich auf die Nerven.

„Außerdem hat die Möbius bestimmt eine Wohnung mit Heizung und fließend Wasser“, ergänzte Liz. „Was soll sie dann mit dieser vorsintflutlichen Bruchbude?“

„Ihr seid herzlos“, maulte Max.

„Und du bist gefühlsduselig“, schoss Maggie zurück. „Dieses Haus hatte doch wohl sein Verfallsdatum überschritten.“

„Diese Diskussion ist das Überflüssigste, was ich jemals gehört habe“, schnitt Felix das Gestreite über den Wert eines Siedlungshäuschens in Einfachbauweise einfach ab.

„Es ist alles notiert, was wir positiv wissen? Dann auf zu Wilhelm und Henriette. Max und Maggie nehmen Wilhelm, ich werde mit Liz nach Zolling fahren. Vielleicht weiß diese Henriette ja doch noch etwas mehr.“

„Gut, und die anderen Brüder? Sollten wir uns die nicht auch vornehmen, bevor sie sich alle absprechen?“

Felix warf Max einen nachsichtigen Blick zu. „Als das Skelett dort versteckt wurde, waren die wahrscheinlich noch gar nicht geboren. Oder bestenfalls im Kindergarten. Aber, nun gut, danach geht ihr beide zu – Ulrich und wir nehmen Ludwig. Adressen habt ihr?“

Maggie und Liz fotografierten rasch die Informationen auf der Tafel ab. „Wir können!“

Eine böse Überraschung

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