Читать книгу Eine böse Überraschung - Elisa Scheer - Страница 8
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ОглавлениеMax und Maggie hatten sich nach Kirchfelden durchgekämpft, nur unterstützt von dem Stadtplan auf Maggies Tablet.
„Hier war ich erst vor kurzem“, überlegte sie, während sie durch die Straßen rollten, die ausnahmslos nach bayerischen Bergen hießen und obendrein Tempo dreißig-Zonen waren. „Tote Hose“, murrte Max. „Was hast du denn hier gewollt?“
„Eine Zeugin vernehmen, im Rother-Fall.“
„Ach ja, stimmt – der hat ganz schön Wellen geschlagen!“
Maggie kicherte. „Die Rother hat ja bei der Festnahme total gezetert, aber ich konnte sie beruhigen – ganz einfach, ihre Rolle aus der doofen Serie rauszuschreiben.“
„Plötzlicher Unfall?“
„Genau. Mit Gesichts-OP, dann kann jede andere alte Vettel die Rolle übernehmen. Da vorne noch mal links, wenn das die – ja, es ist die Karwendelstraße.“
Sie hielten vor einer recht großzügigen Doppelhaushälfte. „Schon besser als ein marodes Siedlungshäuschen“, fand Maggie, als sie vor dem Gartentor aus Edelstahl und dunklem Holz standen. Max fand, das alles sah aus wie die Musterabbildungen in Immobilienanzeigen – Stahl, stark gemasertes Holz, halbleere Räume. Ob das Haus innen auch so marketingmäßig gestaltet war?
Eine recht gutaussehende Frau Ende dreißig öffnete.
„Frau Möbius?“
„Langenhagen-Möbius. Ja. Es geht um das Skelett im Fundament, oder? Willi hat mich angerufen. Kommen Sie doch herein!“
Das Wohnzimmer war tatsächlich hallenartig und hätte designmäßige Leere aufgewiesen, wenn die drei cremefarbenen Ledersofas nicht mit Legosteinen, zwei Barbies, einem Fußballsammelalbum, einem Schulrucksack, einem Strickzeug, einer leeren Brezentüte und einem Paar Fußballschuhe verziert gewesen wären.
Claudia Langenhagen-Möbius sammelte leise schimpfend den ganzen Kram ein und legte ihn im Flur auf die zweite Treppenstufe, während sie über die Schulter zurückrief: „Setzen Sie sich doch, bitte!“
Max und Maggie gehorchten und sahen sich mit Kriminalistenblick um. Neue Möbel, etwas gesichtslos. Ohne den Kinderschnickschnack sah es hier wirklich aus wie in diesen Prospekten, die aus den Stadtteilblättern herauszufallen pflegten. Nur das Bild über dem riesigen Fernseher auf dem niedrigen Medienboard war interessant: kein Familienselfie, keine Arbeiter auf einem New Yorker Stahlträger, sondern eine Szenerie aus den zwanziger Jahren – Berlin?
Die Dame des Hauses kam ins Wohnzimmer. „Kann ich Ihnen etwas anbieten? Einen Kaffee vielleicht? Oder ein Wasser?“
Beide lehnten wie üblich ab. „Was hat Ihr Mann Ihnen denn genau erzählt?“
Ihre Gastgeberin setzte sich und faltete die Hände um ein schwarzbehostes Knie. „Mei… wir haben nicht lange telefoniert, ich war noch in der Arbeit. Dass er sich mit Henni den Abriss angeschaut hat. Da waren die zwei ganz scharf drauf.“ Sie lachte. „Ich glaube, die zwei schauen sich auch Baustellen an und riesige Bagger. Die Henni muss da echt eine Hormonstörung haben…“
Sie nahm sich wieder zusammen. „Ja, und kurz bevor sie sich gedacht haben, jetzt kommt da eh nichts Aufregendes mehr, jetzt können wir Kaffee trinken gehen, haben die Arbeiter diesen Totenschädel gefunden, gell? So kann man sich täuschen, von wegen nichts Aufregendes mehr… Sie haben mit Ihnen gesprochen und dann sind sie heim – aber der Willi ist dann ins Fitness, denn so früh war er lange nicht mehr da, da hat es sich wirklich noch rentiert. Er müsste aber“ – Blick auf den Tracker, ein Knopfdruck – „um halb wieder da sein. In zehn Minuten also.“
Maggie hatte das alles notiert und sah jetzt auf. „Was wissen Sie denn über die Familie ihres Mannes?“
„Oh mei… wahrscheinlich das, was alle wissen. Es sind vier Kinder – der Willi und seine beiden Brüder Luggi und Ulli und die Henni eben. Die Henni ist die Jüngste. Sie ist nett, wirklich. Unsere Saskia ist ihr Patenkind. Ja… die Eltern von den vieren sind letztes Jahr auf ihrer USA-Reise verunglückt, deshalb haben die Kinder ja dieses Haus geerbt. Naja, Haus… Häuschen. Wir haben früher die Eltern am Sonntag zum Kaffee besucht, und da war es so eng… furchtbar. Die Kinder konnten nirgendwo spielen, die Decken waren so niedrig, wenn jemand auf diese winzige Gästetoilette im unteren Flur wollte, mussten erst alle aufstehen, damit man zur Tür durchkam. Es hat immer leicht feucht gerochen, die Wände waren eisig…“ Sie schauderte noch bei der Erinnerung.
„Die Eltern hatten früher doch eine WG in diesem Häuschen?“, erkundigte sich Max.
„Ach ja, Willi hat so etwas mal erzählt. Das war aber noch, bevor die Kinder überhaupt auf der Welt waren. Mehr weiß ich darüber auch nicht.“
„Haben die Eltern bei diesen Kaffeeeinladungen nicht von damals erzählt?“, erkundigte sich Maggie.
„Nein, eigentlich nie. Genau, der Willi hat mal gefragt, wie sie eigentlich vier oder fünf erwachsene Leute in dieser Enge untergebracht haben, und da waren sie ganz schön zugeknöpft. Seine Mama hat nur gesagt, sie und der Papa hätten sich ja ein Zimmer geteilt, also hätte es noch drei Zimmer gegeben. Und dann hat der Papa gefragt, ob wir mit dem Abzahlen von dem hier“ – ausladende Handbewegung – „zurechtkommen. Ja, und bis wir alle mit den Diskussionen über Zinssätze, Bausparverträge, Tilgungsraten und so weiter fertig waren, hatte der Willi seine Frage wohl auch längst vergessen. Oder es war ihm eigentlich auch egal.“ Sie überlegte einen Moment, dann seufzte sie. „Wenn die beiden nicht verunglückt wären, sondern noch sehr lange weiter gelebt hätten, hätten sie wahrscheinlich eh in ein Betreutes Wohnen müssen – die Hütte war ja sowas von überhaupt nicht behinderten- oder auch bloß seniorengerecht. Diese Hühnerleiter nach oben, die schäbige Badewanne ohne Haltegriffe… und eine vorsintflutliche Ölheizung. Mehr so eine Art Ölofen: Darf man das heute überhaupt noch, mit so einem Gestank?“
Max und Maggie deuteten diese Frage wohl zu Recht als rhetorisch. Die Tage der Hütte waren wohl so oder so gezählt gewesen…
Mehr schien Willis Frau auch nicht zu wissen, also verabschiedeten sie sich, nicht ohne Karten zu verteilen und weitere Besuche anzudrohen.
*
Zolling war in den letzten zwanzig Jahren stark gewachsen und war dabei in sehr unterschiedliche Gebiete zerfallen – zum einen die MiniCity, einige Straßen voller Firmensitze, teils architektonisch interessant (wenn auch nicht immer reizvoll), teils einfach in Leichtbauweise oder noch aus alten Behelfsbauten bestehend. Dazwischen gab es vor allem Bars (für die Mittagspausen) und einen Büroartikeldiscounter, einige Ecken weiter auch einen Supermarkt.
Rund um das alte Zollinger Schloss – heute ein Kulturzentrum, denn von der ehemaligen Herzogsfamilie wohnte niemand mehr in Leisenberg – standen etliche alte und im Allgemeinen sehr gut erhaltene Villen, vorzugsweise in Habsburger Gelb gestrichen und heute zumeist in mehrere Wohnungen aufgeteilt, denn für eine Familie waren sie einfach zu groß.
Liz sah sich begehrlich um – hier hätte sie auch wohnen mögen. Große alte Bäume um die Häuser, ordentliche Busverbindungen – und rund um den Berliner Platz, wo es zu den futuristischen Wohnblocks ging, auch alles, was man für den täglichen Bedarf brauchte. Supermarkt, Gemüseladen, Reinigung, Apotheke, Schreibwaren & Zeitschriften, Drogeriemarkt und ein guter, altmodischer Bäcker, der damit warb, dass er seine Semmeln tatsächlich noch selbst backte, statt nur Teiglinge aufzutauen. Ja, hier ließ es sich aushalten – Henriette Möbius hatte wohl klug gewählt. Und die Nähe zur MiniCity war auch nicht zu verachten.
Der runde Berliner Platz als Zentrum war von sternförmig angeordneten Straßen umgeben. „Hier ist sogar den Leisenbergern aufgefallen, dass Deutschland etwas größer ist als bloß Bayern und das Rheinland“, stellte Felix fest. Liz schaute auf ihr Tablet (gut, dass jetzt endlich jeder eins hatte, der wollte) und murmelte: „Bremer, Lübecker, Hamburger ist die dritte. Danach kommt Stuttgarter – haben die im Rathaus eigentlich keine Landkarte?“
Felix bog in die Hamburger Straße ein. „Nummer neun, oder? Das müsste das hellgraue da drüben sein…“
Neben dem zehnstöckigen Bau gab es sogar einen Gästeparkplatz neben der Tiefgarageneinfahrt. Sie parkten dort, kehrten zum Eingang zurück und stellten verblüfft fest, dass das Haus eine regelrechte Lobby aufwies – und einen Concierge, der sofort nach ihrem Begehr fragte. Sie zeigten brav ihre Ausweise vor und wurden – was ihnen nicht gefiel – bei Frau Möbius angemeldet. Mit eleganter Geste verwies der Portier dann auf den Aufzug im Hintergrund. „Siebter Stock, Appartement 702.“
„Ist das hier ein Hotel oder was?“, fragte Liz im Aufzug und Felix wies auf die Infotafel neben den Etagenknöpfen. „Die Stockwerke zwei bis vier sind ein Appartementhotel. Ja, dass sowas in der Nähe der MiniCity gut läuft, glaube ich gerne. Fünf bis acht sind kleine Appartements, neun zwei große Wohnungen, zehn ein Penthouse.“
„Und was ist im ersten Stock?“
„Küche, Frühstücksraum, Restaurant.“
„Rundumservice. Wahrscheinlich machen die einem auch noch die Wäsche?“
„Bestimmt. Für einen stolzen Preis natürlich. Ob das das Wohnen der Zukunft ist?“
„Na, Singlewohnungen sind zunehmend mehr gefragt. Alleine schon mal die ganzen Alten, deren Männer tot und deren Kinder sonst wo sind. Da ist ein Appartement mit Service doch eine ordentliche Option.“
„Sozusagen eine Vorform von Betreutem Wohnen?“
Die Aufzugtüren öffneten sich lautlos auf einen großzügigen, aber extrem nüchtern gestalteten Flur – grauer Hartholzboden, weiße Wände, solide graue Wohnungstüren.
Nummer 702 war gleich um die Ecke des Aufzugs; Liz klingelte und sah Felix an. „Jetzt bin ich mal gespannt, wie futuristisch es da zugeht…“
Die Tür öffnete sich so weit, wie ein Sperrriegel es zuließ. „Ja?“
„Frau Möbius? Kripo Leisenberg.“ Während sie noch die Ausweise vor den Türspalt hielten, wurde der Riegel gelöst und die Tür schwang auf.
Felix marschierte einfach hinein, Liz folgte langsamer, weil sie sich gierig umsah. Aha, Einbauschrank im Flur. Fast unsichtbar, nicht schlecht. Kurzer Gang, Badezimmertür, dann Zimmer. Felix nahm gerade Platz, auf einem schwarzen Lederhocker.
„Wollen Sie sich nicht auch setzen, Frau - ?“
„Zimmerl“, antwortete Liz abwesend. „Ja, danke – welche Funktion hat diese Säule mitten im Raum?“
Frau Möbius grinste. „Die ist scharf, was? Das ist die Multimediaeinheit. Fernseher, Streaming-Stick, eBook-Reader, ein paar Bücher, ein, zwei Leitzordner, Tablet, Kamera… eigentlich ist da alles drin, außer dem Rechner, der steht da drüben.“
Auf dem schmalen Tisch an der linken Wand sah man einen Laptop, der auch als Tablet nutzbar war.
„Schickes Gerät“, hauchte Liz mit deutlichem Neid in der Stimme.
„Ja, finde ich auch. Eigentlich braucht man sonst gar nicht so viel. Ich hab schon überlegt, ob der Fernseher überhaupt notwendig ist, aber ganz ehrlich, der Rechnerbildschirm ist mir zu klein. Ich lümmele lieber auf dem Sofa, wenn ich mir was anschaue.“
Sofa… schwarzes Leder mit Knopfpolsterung, eher eine Art Recamière, bestimmt zwei Meter mal einsfünfzig. Dieses edle Teil, die zwei Lederhocker und ein kleiner Olivenholztisch dazwischen waren außer dem schmalen Tisch an der Wand (ebenfalls Olivenholz) die einzigen Möbel im Raum – und einen anderen Raum gab es hier nicht.
„Schlafen Sie dort auch?“
„Sicher. Superbequem.“ Henriette Möbius hob das Fußende an und präsentierte ein Fach, in dem eine saubere Bettzeugrolle lag. „Alles griffbereit.“
„Toll!“ Liz´ Lob kam aus ehrlichem Herzen, Felix räusperte sich mahnend. Liz setzte sich auf den zweiten Hocker und versuchte vergeblich, sich auf die Möbius zu konzentrieren und nicht auf die Küchenzeile, auf die sie jetzt freien Blick hatte.
Schöne Küche. Sehr kompakt, blassgrau und perfekt aufgeräumt. Da gab es garantiert nicht irgendwelchen alten Kram ganz hinten in den Schränken-
„Liz?“
Sie nahm sich zusammen und weckte das Tablet auf. „Alles klar!“
„Frau Möbius, wie gut kennen Sie sich in Ihrer Familiengeschichte aus?“
„Schon ganz gut, denke ich. Ist das nicht in den meisten Familien so, dass ein weibliches Wesen für so etwas zuständig ist, die Adressen parat hat, weiß, wie die Kinder der Cousine zweiten Grades heißen und all sowas? Was möchten Sie denn wissen?“
„Vor allem alles über diese WG-Phase.“
„Hm, schwierig. Ich weiß nahezu alles über die Großeltern und warum sie weggezogen sind und Papa dieses Häusl überlassen haben – aber über die WG haben unsere Eltern praktisch nie gesprochen. Eigentlich merkwürdig… naja, vielleicht auch wieder nicht, hab ich mir manchmal gedacht.“
„Ach ja? Warum das? Hatte es dort Ärger gegeben?“
„Keine Ahnung. Nein, aber unsere Eltern waren eigentlich eher spießig. Wir wurden relativ streng erzogen, und dann unsere altmodischen Namen… die Sache mit der WG passte eigentlich gar nicht zu ihnen, vielleicht war es ihnen im Nachhinein peinlich, mal so flippig gewesen zu sein.“
„Waren sie denn so flippig?“, fragte Liz, die von dieser Küche zwischendurch ein Foto gemacht hatte, um sich später in Ruhe daran zu ergötzen.
„Ich meine, eine WG muss ja nicht wie die Kommune 1 damals gewesen sein, oder? Vielleicht ging es einfach darum, das Haus für Studenten sinnvoll zu nutzen?“
Henriette Möbius überlegte. „Möglich. Dieser Ansatz wäre nüchterner und hätte auch besser zu ihnen gepasst. Was ihnen allerdings dann so peinlich war… schon gut, klar, da ist irgendwas passiert, sonst hätten wir ja nicht dieses Skelett im Fundament. Aber das wussten wir natürlich nicht, wir fanden es bloß blöd, dass sie immer nur erzählt haben, wie brav sie als Kinder waren, viel braver als wir.“
Felix grinste: „In eurem Alter haben wir schon…?“
„Abitur gemacht, den Garten ganz alleine in Ordnung gehalten, vom Taschengeld ein Vermögen angespart… grauenvoll, vor allem, weil wir nicht ein Wort davon geglaubt haben. Wie gesagt, sie haben sich bezüglich der WG ausgesprochen bedeckt gehalten und wir Doofis haben uns nicht viel dabei gedacht, sonst hätten wir uns jede Menge gruseliger Geschichten darüber ausgedacht. Ich weiß bloß, dass Mamas Bruder auch mal da gewohnt hat. Thomas Wiesinger, ich glaube, den Namen hatte ich Ihnen schon genannt, oder?“
Felix nickte. „Danke, ja. Mehr wissen Sie nicht mehr über diese Zeit?“
„Das klingt, als hätte ich sie miterlebt! Diese WG, das muss so 1972 bis 73 oder 74 gewesen sein. Maximal! Willi ist 74 geboren, da waren unsere Eltern schon wieder alleine im Haus. Und ich bin überhaupt erst 81 geboren. Aber wie gesagt, fragen Sie den Wiesinger, der müsste auch die Daten besser parat haben. Ah!“
„Ja?“ Felix hörte selbst die Gier in seiner Stimme.
„Ich hab noch Mamas Fotoalbum, bloß wo…“
„So wie es hier aussieht, hätte ich gedacht, dass Sie alles längst digitalisiert haben“, kommentierte Liz.
„Ja, stimmt schon. Aber das Album hat meine Mutter noch persönlich angelegt und alles selbst beschriftet, deshalb konnte ich es nicht wegwerfen. Möchten Sie es sehen – wenn ich es denn mal gefunden habe?“
„Sehr gerne“, antwortete Felix, fast gar nicht ironisch.
Henriette Möbius drehte sich mehrfach suchend um die eigene Achse und strich dabei ihre kurzen rotbraunen Locken zurück, dann öffnete sie einige der Schiebefächer in der Mediensäule und schob sie brummend wieder zu. Danach durchstöberte sie den Einbauschrank im Flur, knallte die Türen wieder zu und machte sich mit einem verlegenen Lächeln in Richtung Liz über den ersten Oberschrank in der Küchenzeile her.
„Systematik ist was anderes, fürchte ich“, kommentierte sie und zog ein rotglänzendes Album aus dem obersten Fach. „Das hat hier eigentlich gar nichts zu suchen… bitte schön.“
Felix nahm es entgegen und schlug es auf: Fotos von einer braven standesamtlichen und einer noch braveren kirchlichen Trauung. „Wie alt waren Ihre Eltern bei der Hochzeit?“
„Papa zweiundzwanzig und Mama einundzwanzig. Und nicht mal schwanger! Keine Ahnung, warum sie sofort geheiratet haben… na, vielleicht hätten die Großeltern ihnen sonst das Häusl nicht übergeben, wer weiß. Die beiden sehen aus wie die reinsten Kinder, was?“
„Stimmt…“ Felix blätterte weiter, die Pergamenttrennblätter raschelten leise.
„Oh, das sind die Zimmer im Haus…“
Liz sah ihm über die Schulter. „Voll die dreißiger Jahre – war das die genormte Ausstattung für das Volksgenossenheim?“
Henriette Möbius lachte. „Ich sehe, Sie kennen sich aus! Ganz genau. Schlicht, preiswert, nur heimische Materialien. Das hatten die Großeltern schon vorgefunden, als sie das Haus in den frühen Fünfzigern übernommen hatten. Soweit ich weiß, waren die ersten Besitzer echte Nazis. Er blond, sie blond, fünf blonde Kinder. Ich glaube, er ist dann im Krieg gefallen und sie ist nach Kriegsende mit den Kindern weggezogen… zweite Ehe, besseres Haus. Wo genau, weiß ich nicht. Die Frau wird jetzt wohl auch schon tot und begraben sein…“
„Macht nichts. Ich glaube, so alt dürfte das Skelett auch wieder nicht sein.“
„Kann man das bei einem Skelett denn noch feststellen? Ich meine, wenn erstmal alles Fleisch weg ist? Äh, fieses Thema…“
„Ich denke mal, auf zehn Jahre genau kann das schon feststellen“, fabulierte Liz, die es auch nicht so recht wusste. Dr. Engelhorn würde sie schon informieren. Felix lächelte nachsichtig und blätterte weiter um.
Das gleiche Einfachsofa mit den Holzlehnen, aber jetzt saßen sechs Personen darauf. Mutter Möbius hatte alles zwar beschriftet, aber die Gute hatte eine sehr ungewöhnliche Handschrift geschrieben, jedenfalls konnte Felix nichts entziffern. Henriette zog ihm das Album weg. „Ach ja, Mamas Sauklaue! Das in der Mitte ist auf jeden Fall Papa, mit Mama auf dem Schoß. Der Mann ganz links… könnte Onkel Thomas sein.“
Felix fixierte das Gekrakel. „Ja, das könnte Thomas heißen… und daneben?“
„Hm, ich weiß es auch nicht – Amalia?“
„Wer hieß denn damals Amalia?“, wandte Liz ein.
„Ja, finde ich auch – Anna? Annette? Keine Ahnung. Die beiden rechts… das heißt Gerti – Gerda? und vielleicht Wolfi?“
Liz notierte sich das. „Haben die dort echt zu sechst gehaust? Ich will ja nicht meckern, aber…“
Die Möbius lachte. „Schon klar. Ich glaube auch, es waren insgesamt nur fünf. Vielleicht war diese A-wie-auch-immer nur zu Besuch. Ich schlage vor, sie fragen Thomas, der war doch dabei, und als Stadtrat kann er ja noch nicht völlig gaga sein, oder?“
„Haben Sie denn keinen Kontakt mehr zu ihm?“
Kopfschütteln. „Ich weiß gerade mal, dass es ihn gibt. Moment! Er ist ja Willis Firmpate… da war jemand extrem Verkniffener auf der Feier, glaube ich – aber ganz ehrlich, da war ich acht. Mich hat da nur das Essen interessiert. Und der Kuchen hinterher.“
„Aha – waren noch mehr Gäste aus der Generation Ihrer Eltern dabei?“
„Mei… Papa, Mama, der Thomas… der Willi, der Luggi, der Ulli – dem Ulli ist speiübel geworden, kein Wunder, so wie der sich den Kuchen reingeschaufelt hat, der Depp…“ Sie grinste bei der Erinnerung, dann wurde sie wieder ernst. „Nein, sonst niemand. Nicht mal die Paten von uns anderen Kindern. Eigentlich komisch…“
Sie sah die beiden entschuldigend an. „Ich weiß, es ist blöd – aber alle, die über das Skelett etwas wissen können, sind entweder tot oder uns nicht bekannt. Wenn Ihnen der Thomas nicht weiterhelfen kann…“
Felix seufzte und stand auf. „Präzise zusammengefasst. Wir werden mit Stadtrat Wiesinger reden. Und können wir das Album mitnehmen? Sie kriegen es natürlich so schnell wie möglich zurück.“
„Ja, natürlich.“ Henriette Möbius reichte ihm das Album und warf Liz, die sich immer noch begierig umsah, einen amüsierten Blick zu. „Meine Wohnung gefällt ihnen, was?“
Liz nickte eifrig. „Sie können gerne fotografieren, was Ihnen interessant erscheint. Möchten Sie auch noch einen Blick ins Bad werfen? Aber das ist nicht ganz so Star trek-mäßig wie der Rest. Da gibt´s halt nicht so viele Möglichkeiten…“
„Photonendusche“, schlug Felix nicht ganz ernst vor.
„Wirkt wohl weniger säubernd“, konterte Frau Möbius, während Liz einen Blick ins Bad warf und staunte – hellstes Grau, bodengleiche Dusche mit blitzblanker Glasabtrennung, schickes eckiges Waschbecken, dito Toilette (in einer Art Nische), in einer weiteren Nische die Waschmaschine, an der Wand eine Handtuchheizung. Und nichts stand herum und störte das monochrome Farbkonzept – nun, das war wohl dem Spiegelschränkchen über dem Waschbecken zu verdanken. Tolles Stück – nur Spiegel, der kaum acht Zentimeter tiefe Schrank ließ sich mit einem Knopf auf der Seite öffnen.
Mit heftigen Neidgefühlen trat Liz wieder in den Flur, wo Felix schon wartete. Sie gratulierte Henriette Möbius zu dieser Wohnung und folgte ihrem Chef nach draußen.
„Du erinnerst dich noch daran, dass du Polizistin bist?“, fragte Felix im Aufzug nach unten. „Und nicht Innenarchitektin?“
„Ja, klar. Aber du musst zugeben, die Wohnung ist schon toll: kein Vergleich mit dieser Nazihütte. Wenn die sich sowas leisten kann – wir haben gar nicht gefragt, was sie beruflich macht!“
„Das fragen wir einfach den nächsten, den Ludwig. Diese Namen! Wohin jetzt?“
„Henting, Flusswiesenstraße 19. Da vorne auf den Kreisel und dann die zweite rechts.“
„Herzlichen Dank. Hoffentlich wohnt der nicht auch so futuristisch, dass du ganz hingerissen bist…“
„Mir geht es gar nicht um das Futuristische“, versuchte Liz zu erklären. „Was mir so gut gefällt, ist dieses Sparsame. Alles digital. Im Idealfall braucht die nur einen Karton für die Klamotten, einen für den Küchenkram und eine Laptoptasche für alles andere. Sie reist mit leichtem Gepäck – und das finde ich toll.“
Felix lachte, während er die Flusswiesenstraße entlangkroch, auf der Suche nach einem Parkplatz. „Ganz schön voll hier, haben die keine Garagen?“
„Nummer dreizehn ist das Ärztehaus“, erklärte Liz und schloss ihre Tablethülle. „Da, schau!“
Felix parkte ein und betrachtete das Haus. Ziemlich neu, leuchtend weiß, Fensterrahmen und Balkongitter aus Aluminium oder etwas Ähnlichem. Die Häuser in der Umgebung sahen ähnlich aus, offenbar war hier in den letzten Jahren einiges abgerissen und dann neu gebaut worden.
Ludwig Möbius öffnete selbst. „Ich weiß schon Bescheid“, sagte er, als er den Besuchern in ein großes, halbleeres Wohnzimmer voranging. „Setzen Sie sich doch, bitte. Schöner Mist, das alles.“
„Wer hat Sie informiert?“
„Willi. Also, dass sie beim Abreißen der alten Hütte ein Skelett im Fundament gefunden haben. Unter dem Vorratsraum, oder? Mir ist gleich wieder eingefallen, wie es da immer gerochen hat. Kaffee?“
Felix winkte ab. „Wie hat es denn da gerochen – nach Verwesung?“
„Ich weiß nicht, ich habe noch nie Verwesung gerochen. Ich dachte damals, es kommt von den Kartoffeln im Regal, die faulten da so langsam vor sich hin. Meine Mutter hat sie dann weggeschmissen, aber die nächsten haben wieder schnell gefault. Meinen Sie, das war wegen der Leiche unter dem Boden?“
Felix zuckte die Achseln. „Schwer zu sagen. Ich glaube es eigentlich nicht. Wissen Sie noch irgendetwas über diese WG, die vor Ihrer Geburt in dem Haus gelebt hat?“
„Sie sagen ja, vor meiner Geburt! Unsere Eltern haben immer sehr zurückhaltend reagiert, wenn wir nach Jugendsünden gefragt haben. Naja, Schulstreiche kamen manchmal schon… aber diese Zeit wurde immer ausgespart. Waren Sie schon bei Henni? Die hat das Familienalbum, vielleicht hilft es Ihnen weiter?“
Liz zog das Album aus ihrer Tasche. „Vielleicht können Sie die eine oder andere Person identifizieren? Bis jetzt haben wir nur Ihren Onkel Thomas Wiesinger.“
„Der Onkel Thomas – au ja, ich kann mich noch an Willis Firmung erinnern, da war er dabei. Und der Ulli hat gereiert wie ein Weltmeister, der alte Fresssack. Ein Riesenaufstand! Das einzig Spannende bei der ganzen Aktion.“ Er grinste versonnen.
„Sollen wir das bei Vronis Firmung auch machen?“, schlug ein schwarzhaariges Mädchen vor, das in der Tür stand. „Ich meine, wir wollen ja nicht, dass du dich dabei langweilst, Papa!“
„Meine Tochter Stephanie“, stellte Ludwig Möbius mit müder Routine vor. „Steffi, lass uns bitte allein, das ist eine polizeiliche Befragung.“
„Weiß ich doch! Im Haus von den Großeltern haben sie einen Totenkopf gefunden, gell? Weiß doch schon jeder.“
Möbius seufzte hinter seiner Tochter her. „Woher hat sie das nun schon wieder? Das Mädchen hört wirklich die Flöhe husten! Vroni ist da deutlich langsamer… aber deshalb sind Sie ja nicht hier. Wo waren wir stehen geblieben – ach ja, das Album! Zeigen Sie doch mal her.“
Er blätterte die Seiten langsam um, brummte ab und zu und gab es dann zurück. „Den Onkel Thomas habe ich wiedererkannt. Das ist auf dem Gruppenfoto der, der ganz links sitzt.“
„Ihre Schwester glaubt, dass einer der Namen etwas mit A ist – können Sie sich da an etwas erinnern?“
„Erinnern ist gut, das war doch alles vor meiner Zeit! Sie meinen, auf dieser Seite… das soll ein A sein? Ich weiß nicht recht…“ Er sah auf und grinste. „Ist das nicht eher ein F?“
„Was?“, fragte Liz konsterniert.
Felix grinste. „Fritze Hitler hieß er ja wohl nicht… kennen wir, aber das hilft uns jetzt nicht wirklich weiter. Schauen Sie nochmal genau hin, bitte!“
Möbius grinste reuig. „Sorry. Nein, ich denke, das ist ein G. Aber für unsere Mutter – Gabi – kann es nicht stehen, die sitzt doch erst zwei Plätze weiter? Es muss sich auf die mit der roten Wallemähne beziehen. Außerdem hätte Mama ja wohl einfach „ich“ hingeschrieben – äh. Hat sie auch, jetzt sehe ich es selbst.“
„G… fällt Ihnen dazu etwas ein?“
Möbius schüttelte traurig den Kopf. „Ich sag doch, ich kenne keine Namen – und ganz ehrlich, der Ulli bestimmt auch nicht. Unsere Eltern haben sich da sehr bedeckt gehalten. Am ehesten könnte die Henni noch was wissen – aber die haben Sie ja schon gefragt.“ Er hielt das Album hoch.
„Vielleicht sagen Ihnen ja die anderen Fotos noch etwas?“
Gehorsam blätterte Ludwig Möbius die übrigen Seiten durch. „Ja, hier. Das ist der Willi mit einem Jahr, dann ist der Wurm der Ulli. Ja, genau. Oh, da bin ich!“ Er zeigte Liz ein Foto mit zwei kleinen Jungen und einem weiteren Säugling und schien tatsächlich über sein eigenes Baby-Ich gerührt zu sein. Immerhin war hier die Mutter zweifelsfrei zu identifizieren. Der stolze Vater hatte wohl die jeweiligen Fotos aufgenommen – traditionelle Rollenverteilung. Liz wunderte sich ein wenig – hätte man von jungen Menschen, die anno 1972 eine WG gegründet hatten, nicht etwas mehr Reformfreude erwarten können? War ihnen ihr Ausflug in progressive Familienstrukturen so schnell wieder suspekt geworden? Deshalb vier Kinder wie die Orgelpfeifen, biederste Namen und keinerlei Reminiszenzen an ihre Kampfjahre?
Das war durchaus logisch, fand sie.
Ludwig erklärte auf ihr Befragen, Henni arbeite bei einem Autozulieferer, als Ingenieurin. Außerdem war er der Ansicht seine Frau habe mit ihrer Schwiegermutter nie einen Plausch unter Frauen geführt. „Eigentlich hat die Mama überhaupt nie viel gesagt. Komisch, wenn man es recht bedenkt. Der Papa hat schon viel geredet, aber auch nie über die Zeit damals. Meinen Sie, da ist irgendetwas passiert, dass die beiden gar so zugeknöpft waren?“
Felix legte den Kopf schief. „Durchaus möglich – immerhin gibt es da dieses Skelett, nicht?“
„Kann das nicht schon aus den Zeiten vorher stammen? Von den Großeltern oder gar von denen, die das Haus gebaut haben?“
„Hätten Sie da Namen für uns?“
Ludwig Möbius schüttelte schon wieder den Kopf. Ein irgendwie negativer Mensch, fand Liz.
„Diese uralten Geschichten, die kennt nur die Henni. Die ist bei uns für solchen Familienkram zuständig, deshalb muss sie ja auch das Fotoalbum aufbewahren, gell? Und das Grab pflegen, da sind aber bloß die Eltern drin, die Großeltern sind in München begraben, hat die Henni mal erzählt.“
Felix schnitt diese unnützen Erinnerungen ungeduldig ab. „Ja, das ist ein guter Hinweis. Wir werden Ihre Schwester noch einmal befragen. Und Ihren Onkel natürlich auch. Er zumindest müsste sich doch noch erinnern können…“
Auf der Straße fiel Liz ihre Überlegung wieder ein. „Findest du nicht, von Ex-WGlern könnte man ein bisschen mehr Liberalismus erwarten?“
„Inwiefern?“ Felix ließ die Zentralverriegelung aufjaulen.
„Na, dieses verklemmte Schweigen! Dann die spießige Namenwahl für die Kinder – voll das Kaiserreich, oder? Fehlt bloß noch ein Fritz… Ist es denen peinlich, dass sie mal eine WG hatten? Was kann da abgelaufen sein?“
„Vielleicht“, antwortete Felix vage und öffnete die Fahrertür. „Aber vielleicht waren sie auch damals spießig und die WG sollte wirklich nur Geld sparen und keine neuen Lebensweisen ausprobieren?“
„Auch möglich. Wenn die niemandem etwas über diese Zeit erzählt haben, können wir uns ehemalige Arbeitskollegen und sowas wohl auch schenken…“
„Stimmt. Dieser Thomas weiß bestimmt noch die Namen, dann fragen wir da weiter.“
„Ja, und was ist mit den Nachbarn? Vielleicht gibt´s da welche, die in den Siebzigern auch schon dort wohnten?“
„Gute Idee. Schreib das gleich auf, damit wir es nachher nicht vergessen!“
*
Max und Maggie fuhren leicht frustriert ins Präsidium zurück – Ulrich Möbius hatte zwar eine elegante und ziemlich neue Doppelhaushälfte in Mönchberg vorzuweisen (und es war immer nett, fremde Häuser von innen zu sehen), aber über die wilden Jahre seiner Eltern wusste er überhaupt nichts. „Da müssen Sie die Henni fragen, die sammelt solche Fakten. Ist wohl eher Mädelskram.“
Wie alle Sozialkompetenzen, maulte Maggie stumm.
Zumindest schienen Musikjournalist und Inhaberin eines Ladens für Wohnschnickschnack – Interior Decorating - zusammen sehr gut zu verdienen. Und drei Kinder hatten sie auch. Familien wie aus der Margarine-Werbung. Wahlweise aus diesem Spot für billige Schokotoffees…
„Wahnsinnig innovative Konzepte haben die Kinder auch nicht gerade entwickelt“, fand Maggie.
„Jedenfalls die Söhne nicht“, stimmte Max zu. „Mal sehen, was Felix und Liz über die Tochter sagen.“
„Und haben wohl alle diese großzügigen, halbleeren Häuser?“, überlegte Maggie. „Ist das jetzt schick oder haben die sich die Hütten einfach ein paar Nummern zu groß gekauft? Die schlottern ja richtig um sie herum wie zu große Klamotten!“
„Vielleicht wollen sie die Hütten noch vollstopfen? Ein paar Shoppingtouren, ein eigenes Zimmer für die Schuhe?“
„Wie bist du denn drauf?“, wunderte sich Maggie. „Ist ja voll das Klischee! Vielleicht müssen die alle kompensieren, dass sie in dieser Enge aufgewachsen sind?“
„Meinetwegen, kann auch sein“, gab Max sich großzügig. „Ich kenne solche Zwergenhäuser, da kannst du dich echt kaum drin umdrehen.“
„Sag bloß, du bist auch in sowas aufgewachsen: Waren deine Großeltern so braun?“
„Wenn schon, dann mindestens die Urgroßeltern – keine Ahnung, die habe ich gar nicht mehr gekannt. Nein, mein bester Freund in der Grundschule hat in sowas gewohnt. Aber immerhin ohne Geschwister. Aber dieses Wohnzimmer – Möbel aus den frühen Siebzigern, so Muster, wo einem beim Hinschauen schlecht wird.“
„Op-art“, nickte Maggie. „Kommt alles jetzt wieder. Wann hast du gleich wieder Geburtstag?“
Max grinste. „Das sage ich wohl besser nicht!“
Er parkte fluchend zwischen zwei Streifenwagen und schlängelte sich dann mühsam aus dem Wagen. Maggie tat es ihm auf der anderen Seite gleich und klopfte ärgerlich ihre Kleidung ab. „Verdammt eng hier. Hier muss man ja schon abspecken, um überhaupt in die Autos rein und wieder raus zu kommen.“
„Lass das bloß. So blöd zugeparkt ist der Platz doch nicht immer. So, und was haben wir jetzt für die Tafel?“
„Nix Gescheites“, murrte Maggie und folgte ihm ins Gebäude.
„Schauen wir mal“, tröstete Max vor der Bürotür. „Meistens sieht es ja doch besser aus als man denkt.“
Drinnen saß Liz bereits am Rechner und ließ virtuelle Notizen an der Tafel erscheinen. „Lauter Mist“, verkündete sie, als die beiden anderen in der Tür erschienen.
„Wir haben ja auch die falschen Leute gefragt. Die waren doch alle noch nicht mal in Planung, als dieses Skelett im Boden gelandet ist!“
„Ja“, stimmte Felix zu und stellte eine große Tüte Kaffeepads neben die Maschine. „Hier, Denkdoping. Aber wenn wir die Naheliegendsten nicht zuerst befragen, schaut es auch blöd aus. Also, Kandidat Nummer eins ist der Stadtrat. Thomas Wiesinger, der Bruder der mittlerweile verstorbenen Mutter. Der lebte zeitweise in dieser WG und muss etwas wissen.“
„Vielleicht gibt es auch Nachbarn, die schon lange in der Gegend leben“, überlegte Max.
„Ja, auf der einen Seite“, gab Liz ihm Recht. „Auf der anderen Seite ist das Haus schon weg, so ist das Grundstück ja von einer einigermaßen interessanten Größe. Ich meine, wer baut denn heute auf diesen Heimstätten-Handtüchern schon Häuser? Lohnt sich ja kaum.“
„Hausbau…“ wiederholte Felix nachdenklich. „Wie heißt gleich wieder die Firma, die dort bauen will? Die müssten doch wissen, wer ihnen das andere Grundstück verkauft hat?“
Liz hielt das fest. „Da kann uns die Möbius bestimmt weiterhelfen.“
Felix grinste. „Die gefällt dir, oder? Weil sie so eine schicke Wohnung hat?“
Liz lachte. „Stimmt. Müsst ihr euch mal geben, da sieht´s aus wie in einer Kabine auf der Enterprise, alles durchtechnisiert. Und ganz, ganz wenig Zeugs.“
„Wovon wir alle träumen“, murmelte Maggie. „Mal so richtig ausmisten… Kennt ihr diesen Song, Mit leichtem Gepäck? Gefällt mir total gut.“
Felix und Max wechselten irritierte Blicke, was Liz wieder zum Lachen brachte. „Männer können ja bekanntlich nichts wegwerfen…“
Felix bat sie, nicht vom Thema abzukommen, und erhob sich. „Ich nehme mir mit Maggie den Stadtrat vor, Max fragt mal die Nachbarn zur Linken, und Liz darf Frau Möbius nach den Nachbarn zur Rechten beziehungsweise nach der Baufirma fragen. Um sieben wieder hier, dann vergleichen wir, planen, was wir morgen machen, und verschwinden in den Feierabend. Also los!“