Читать книгу Die List der Schildkröte - Elisabetta Fortunato - Страница 9
ОглавлениеDass sie einen Fehler machte, begriff Giovanna schon, als sie die Schlafzimmertür öffnete. Statt als Verführerin kam sie als italienische mamma, was ziemlich das Letzte war, was sie jetzt sein wollte. Doch zu spät, der Mann in ihrem Bett hatte sie schon entdeckt.
Sonny Omowura hatte sich aufgesetzt und lehnte entspannt an der Wand. Neugierig musterte er sie von Kopf bis Fuß, dann blieb sein Blick am Tablett hängen. »Es ist das erste Mal«, sagte er mit freudiger Überraschung in der Stimme, »dass ich Kaffee ans Bett gebracht bekomme.«
Und auch das letzte Mal, dachte Giovanna. Je mehr sie in ihrem Hirn nach einer witzigen, gar intelligenten Antwort suchte, desto mehr wurde es zu Brei. So blieb sie erst mal wortlos stehen und lächelte gequält zurück.
Dem Nigerianer schien das nicht aufzufallen. Er streckte sich ausgiebig, justierte das Kopfkissen und lehnte sich wieder zurück. Dunkle Haut auf hellem Stoff, sie konnte ihre Augen nicht davon abwenden.
»Du passt gut in mein Bett«, sagte Giovanna.
Sonnys Lächeln vertiefte sich. »Das habe ich mir auch gedacht.«
Auffordernd schlug er die Decke auf und, wie von einem bösen Zauber erlöst, stellte Giovanna das Tablett auf den Boden und zog sich aus.
Kaum hatte seine kompakte Hand ihre Brust umschlossen, klingelte ein Smartphone. Sie küssten und umarmten sich und versuchten, es zu ignorieren. Doch vergebens. Der Anrufer gab nicht auf.
Sonny schnaubte und strampelte die Decke mit den Füßen weg, dann stieg er aus dem Bett und holte das Gerät aus seiner Anzugjacke.
»Jetzt übertreibt sie’s aber!«, entfuhr es ihm, mit Blick auf das Display.
Mit dem Rücken zu Giovanna stellte er sich ans Fenster und rief zurück. Obwohl er leise auf Englisch sprach, verstand sie jedes Wort.
»Gib endlich auf!«, fuhr ihr Lover die Person am anderen Ende der Leitung an. »Der Chef der größten nigerianischen Gewerkschaft wird niemals einknicken. Und ich will nicht, verstehst du? Ich will nicht!« Pause. »Und wie? Abiola ist nicht käuf… Was? Ein Autounfall? Wann … Fuck, Fuck, Fuck! … Du bist verrückt …« Wieder hörte er nur zu. Dann ein unwilliges »Okay, okay, ich werde mit meinen Leuten sprechen … Ja, habe ich gesagt! Und ja, am Dienstag komme ich. Fuck!«
Ohne sich zu verabschieden, drückte Sonny das Gespräch weg und drehte sich wieder um. Giovanna erschrak. Alles Lustvolle war aus dem Gesicht des Mannes verschwunden, als hätte ein Blutegel an ihm gesaugt.
Sonny kehrte zum Bett zurück. Doch er legte sich nicht mehr neben sie, sondern küsste sie nur auf die Stirn. »Sorry, ich muss los.«
Jetzt ging alles schnell. Er öffnete alle Rollläden und zog sich an. Danach holte er seinen Schmuck von der Kommode und reihte ihn sorgfältig auf dem Bett auf, bevor er damit begann, diesen anzulegen. Giovanna zählte fünfzehn Stück. Die Bettdecke bis zum Kinn hochgezogen, schaute sie ihm neugierig zu. Da öffnete Sonny das Fenster, griff nach dem Schnee auf dem Fenstersims und kam mit ausgestreckter Hand zu ihr ans Bett.
Sie beugte sich vor, dachte, er wolle ihr den Schnee zeigen. Aber er drückte den Klumpen zu einer Kugel zusammen und fuhr ihr damit über die Lippen. Frisch prickelten die Schneekristalle auf ihrer empfindlichen Haut. Dann schüttelte Sonny den geschmolzenen Rest auf sie. Erst als sie sich kreischend unter der Decke versteckte, hörte er auf, nahm die Tasse Espresso vom Boden und verließ lachend das Zimmer.
Giovanna stand schon in der Nähe der Eingangstür, als er das Bad verließ und seinen langen Lammfellmantel anzog. Sie erwartete eine eilige und nichtssagende Verabschiedung, so, wie es immer war, wenn sie nachts einen Mann im Hotel zurückließ. Stattdessen kam er auf sie zu, umarmte sie und vergrub das Gesicht lange in ihrem Haar.
»Du bist eine faszinierende Frau, Giovanna Greifenstein. Sehen wir uns wieder?«
Statt »Nein«, wie sonst, sagte sie »Vielleicht« und meinte »Ja.«
Er gab ihr einen kräftigen Klaps auf den Hintern und ging.
Verblüfft legte Giovanna eine Hand auf die brennende Stelle. Ihr Lover hatte sie markiert, wie ein Rancher sein Vieh.