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Kapitel 10

I

m Dauerlauf ging es zum Fahrstuhl. Es hatte etwas Spannendes und zugleich Entsetzliches an sich. Aufgeschreckte Patienten, die auf dem Flur gelangweilt in den Illustrierten geblättert hatten, während sie auf einen Arzt oder eine Schwester warteten, zogen eilig die Beine ein und starrten den Hastenden entgegen, die Kugelschreiber, Taschenlampe, Stethoskope und andere Utensilien in den Händen hielten, damit sie ihnen nicht aus den weißen Kitteltaschen flogen.

Am Fahrstuhl gab es eine Stockung. Ein hagerer Arzt drückte mit dem Zeigefinger immer wieder hektisch auf den Abwärtsknopf, als könnte die Misshandlung des runden Plastikstücks die Kabine schneller nach oben fahren lassen. Aber die Anzeige über den Fahrstuhltüren ließ nur allzu deutlich erkennen, dass dieses Transportvehikel gar nicht daran dachte, sich aus seinem normalen Rhythmus bringen zu lassen.

Der Blick des Hageren flog von der Anzeigetafel auf das Schild, das über dem Ausgang zum Treppenhaus hing.

»Los, über die Treppen!«, entschied er.

Die Gruppe eilte ins Treppenhaus und begann den scheinbar endlosen Abstieg vom sechsten in den ersten Stock. Als sie es schließlich geschafft hatten, hielt einer von ihnen die Tür zur ersten Etage auf und sie betraten die Vorhalle. Von hier aus liefen sie auf kürzestem Weg zur Intensivstation.

Im scharfen Kontrast zum Dämmerlicht, das sie noch kurze Zeit zuvor hier empfangen hatte, war das Zimmer Nummer vier jetzt hell erleuchtet, und das fluoreszierende Licht verlieh allen Gegenständen einen leichten Schimmer. An einem Bett mühten sich drei Krankenschwestern mit einer Herzdruckmassage für einen vor wenigen Stunden eingelieferten Patienten ab. Der hagere Arzt und die beiden AIPler, Ärzte im Praktikum, drängten sich ans Bett.

»Hören Sie bitte mal einen Augenblick auf!«, ordnete der hagere Mediziner an und sah auf den EKG-Monitor. Die Schwester, die die Herzdruckmassage zuletzt durchgeführt hatte, richtete sich auf. Sie kniete neben dem Bett, rechts vom Patienten. Auch sie blickte zum Bildschirm, auf dem das Leuchtmuster verrückt spielte.

»Als das Herzflimmern vor vier Minuten anfing, haben wir innerhalb von zehn Sekunden bei Mr. Blake mit der Massage begonnen, Dr. Fairweather«, informierte eine Schwester, auf deren Namensschild Maureen stand, den Mediziner. Auch sie starrte auf den elektronischen Schirm.

»Danke, Schwester«, sagte Fairweather, der weiter seinen Blick auf den Monitor gerichtet hielt und jetzt mit der Faust auf das Brustbein des Patienten schlug. Das Muster auf dem Schirm zeigte keinerlei Veränderung. Augenblicklich begann Fairweather selbst mit der Herzdruckmassage.

»Fox, suchen Sie den Pulsschlag in der Leistengegend«, wies er einen der AIPler an, ohne den Blick vom Monitor zu nehmen. »Laden Sie den Defibrillator auf vierhundert Joule auf. Wir müssen es mit Elektroschocks versuchen.« Die letzte Anweisung war an niemanden direkt gerichtet. Eine der Schwestern kam ihr nach.

»Der Pulsschlag verbessert sich«, stellte Fox fest, die Hand in die Leistengegend des Patienten gedrückt.

»Kam das aus heiterem Himmel, oder gab es eine Vorwarnung?« Fairweather massierte immer noch nach Kräften.

»Kaum Vorzeichen«, antwortete Schwester Maureen. »Es fing mit einer Rhythmusstörung an, dann traten Unregelmäßigkeiten auf, die wir aufgezeichnet haben.« Sie hielt Fairweather einen EKG-Streifen vor die Nase. »Danach kamen plötzlich eine Menge Extrasystolen und schließlich das Flimmern.«

»Was hat er schon bekommen?«, erkundigte sich der Arzt.

»Nichts.«

»Dann an die Arbeit«, erklärte er. »Also, eine Ampulle Bikarbonat, dann zehn Kubikzentimeter Adrenalin, eins zu tausend verdünnt! Spritze mit Herznadel!«

Eine Schwester injizierte das Bikarbonat, eine andere bereitete die Adrenalinspritze vor.

»Bitte Blut abnehmen, für Elektrolyt- und Kaliumwerte«, forderte Fairweather. »Miller, Sie übernehmen«, sprach er den zweiten AIPler an und meinte damit die Massage. Er fühlte den Puls unter Fox Hand und für den Moment zeigte er sich zufrieden.

Dann nahm er der Schwester die Zehnkubikzentimeterspritze aus der Hand, hielt sie hoch und ließ die restliche Luft heraus. Nachdem Miller seine Arbeit unterbrochen und für Fairweather Platz gemacht hatte, trat dieser an die linke Seite des Patienten. Vom Brustbein aus ertastete er mit der Linken den Zwischenraum über der vierten Rippe, während er in der anderen Hand die Spritze hielt.

Energisch stieß Fairweather die ungefähr acht Zentimeter lange Herznadel in die Brust des mittelgroßen Mannes. Als er den Kolben etwas zurückzog, drang dunkelrotes Blut in die klare Adrenalinlösung, die er direkt ins Herz spritzte.

»Weitermachen! Jetzt sind Sie wieder dran«, wandte er sich an Miller, der sofort die Herzdruckmassage wieder aufnahm.

Fairweather setzte die beiden Pole des Defibrillators auf die Brust des Patienten.

»Achtung! Alle weg vom Bett«, ordnete er an.

Mit dem rechten Daumen löste er die Defibrillation aus, und der starke elektrische Schock fuhr durch Blakes Brust. Sein Körper bäumte sich auf, die Arme wurden mit nach innen verdrehten Händen hochgerissen. Am elektronischen Bildschirm verschwand der Leuchtpunkt, kehrte aber gleich darauf zurück, diesmal mit einem relativ normalen Verlauf.

»Der Puls ist immer noch gut«, meldete Fox.

Miller hörte mit der Massage auf. Der Rhythmus blieb mehrere Minuten normal. Dann folgte eine Extrasystole, danach ging es richtigen Rhythmus weiter, bis plötzlich erneut mehrere Extrasystolen nacheinander auftraten.

»Das Herz ist immer noch völlig instabil«, stellte Schwester Maureen fest. »Irgendetwas stimmt da nicht.«

»Geben wir ihm eine Portion Lidocain«, meinte Fairweather.

Eine der Schwestern füllte das Mittel ab und gab ihm die Spritze, damit er es in den Infusionsschlauch injizieren konnte.

Trotz des Medikaments wurde der Herzschlag immer unregelmäßiger, und bald war wieder nur noch ein Flimmern zu beobachten. Fairweather schimpfte, Miller fing wieder von neuem zu massieren an, und die Schwester lud den Defibrillator erneut auf. Um Viertel nach eins hatte Isaac Blake bereits sechzehn Schockbehandlungen hinter sich. Jedes Mal hatte sich der Herzrhythmus für kurze Zeit normalisiert, bis gleich darauf erneut das Problem mit den Extrasystolen auftrat. Um Viertel nach eins klingelte auf der Intensivstation das Telefon. Es war das Labor. Die Elektrolytwerte wurden durchgegeben. Alles sei normal, bis auf den Kaliumspiegel, der extrem niedrig sei. Schwester Maureen legte Fairweather die Werte vor, der völlig überrascht war.

»Großer Gott, wie konnte das passieren? Jetzt haben wir wenigstens eine klare Aussage. Na schön, geben wir Kalium. Also achtzig mVal Kalium in den Tropf und erhöhen Sie die Infusionsgeschwindigkeit bis auf zweihundert Kubik pro Stunde.«

Gerade als Maureen auf diese Anweisung antworten wollte, kündigte sich der achtzehnte Herzstillstand an. Augenblicklich begann Miller wieder zu massieren und Fairweather brachte die Pole in Stellung. Während Schwester Maureen der Infusion das Kalium hinzufügte, gab er einen neuen Schock durch Blakes Körper. Alle starrten den Chief Inspector wie gebannt an, und verspürten ein gewisses tiefes Mitleid mit ihm. Wie schon zuvor zeigte der Monitor wieder ein relativ normales Bild.

»Sieht aus, als würde das Kalium schon wirken. Er hält sich jetzt deutlich besser.« Fairweathers Stimme klang etwas hoffnungsvoller, während alle Blicke wie gebannt am Bildschirm hingen.

Niemand sprach ein Wort, bis Schwester Maureen das Schweigen brach.

»Soll ich noch einmal Blut abnehmen?«

»Ja, machen Sie das. Das Labor soll den Kaliumwert noch einmal bestimmen. Vielleicht ist er jetzt über den Berg.«


Die schwarze Macht

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