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Kapitel 2

L

auren Pritchard stand vor dem Spiegel. Sorgfältig zog sie mit einem Lippenstift die Konturen ihrer Lippen nach, die ihrem Mund das sinnliche Etwas gaben. Sie war eine außergewöhnlich hübsche, junge Frau, und sie wusste das sehr genau. Lächelnd betrachtete sie sich in der reflektierenden Glasfläche. Ihr schönster Schmuck waren ihre bis weit über die Schultern reichenden Haare, die die Farbe reifen Weizens hatten. Erstmals trug sie ihre natürliche Haarfarbe. Während ihrer Studienzeit hatte sie viel herumexperimentiert, mal waren ihre Haare rot, dann wieder pinkfarben gewesen. Auch von ihrem Kurzhaarschnitt hatte sie sich verabschiedet. So, wie es jetzt war gefiel es ihr am besten.

Vor einem halben Jahr hatte sie ihr Archäologiestudium in Edinburgh bei Prof. Francis Alverston abgeschlossen, der bei Ausgrabungsarbeiten in der Ruine der festungsartigen Anlage von ›Dùn Gòrdan-Castle‹ nahe Kinloss ums Leben gekommen war [1]. Gleich im Anschluss an ihr Studium hatte sie mit ihrer Dissertation begonnen und durch ihren Doktorvater Prof. Lamondt eine Assistentenstelle bekommen.

Erst gestern hatte er sie aus Durness angerufen und sie wissen lassen, dass er heute wieder zurückkäme. Lauren Pritchard schaute auf ihre Uhr. Es war gerade zehn Uhr geworden.

Er hatte relativ wenig Worte am Telefon mit ihr gewechselt, sich aber sehr zufrieden mit den Ergebnissen der Ausgrabungen gezeigt.

Sie war gerade von der Damentoilette zurückgekehrt und hatte sich einen kräftigen Kaffee eingeschenkt, als es an der Tür zum Büro klopfte.

»Ja, bitte!«, forderte sie den Anklopfenden auf einzutreten.

Die Tür öffnete sich und ihr Doktorvater trat ein.

»Schön Sie zu sehen, Professor«, begrüßte sie ihn freundlich. Dabei ging sie ein Stück auf ihn zu, um ihm die Hand zu schütteln.

»Hallo, Lauren.« Er erwiderte ihren herzlichen Händedruck. »Na, wie läuft es mit deiner Dissertation? Kommst du gut voran?«

»Langsam, aber ... ja«, erwiderte sie lächelnd. »Es wird jedenfalls noch einiges an Zeit brauchen.«

»Du machst dir mehr Druck als nötig. Lass dir Zeit!«

»Sie haben sicher Recht damit«, räumte sie ein.

»Wenn du einen Rat brauchst, lass es mich wissen. Ich helfe dir dann natürlich gern«, stellte Lamondt wohlwollend fest.

»Ja, dass weiß ich. Möchten Sie auch einen Kaffee, Professor?« Sie schwenkte einladend ihre Tasse. »Ganz frisch. Habe ihn gerade erst gekocht.«

Lamondt nickte, nahm sich eine Tasse und ließ sich von ihr einschenken.

»Wie war es in Durness?«, erkundigte sie sich. »Sie sagten am Telefon, Sie wären mit den Ergebnissen sehr zufrieden.«

»Ich muss zugeben, die Tage in Durness waren recht aufreibend. Aber es war klasse. Es steht zu vermuten, dass die alte Kultstätte deutlich älter als viertausend Jahre ist. Sollte das stimmen, wäre es eine Sensation ersten Ranges und würde so einige alten Theorien buchstäblich über den Haufen werfen.« Er machte einen durchweg zufriedenen Eindruck, nippte am Kaffee und sah sie mit müden Augen an. »Jetzt hatte ich eigentlich auf eine kleine Auszeit gehofft. Ein paar Tage der Ruhe hätten mir sicher gut getan, aber, wie das im Leben so ist, … ein frommer Wunsch.«

»Warum?«, wollte sie wissen und fügte mitfühlend hinzu: »Sie sehen müde aus, Professor. Nehmen Sie sich doch ein paar Tage frei. Die haben Sie sich verdient.«

»Schon möglich, … geht aber nicht.«

»Ach, Quatsch!«, entgegnete sie forsch. »So was geht immer!«

»Diesmal leider nicht. Aus Athen kam eine Einladung zu einem Archäologenkongress und unser Dekan erwartet von mir, dass ich daran teilnehme.« Er machte ein unzufriedenes Gesicht. »Jammern hilft da nichts. Mein Flug ist schon gebucht. Gleich morgen in der Früh geht es von Edinburgh-Airport mit Easy-Jet nonstop nach Athen. Billigflug, aber zumindest kein Umsteigen. Hoffe, ich kann in den gut vier Flugstunden etwas schlafen.« Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel. »Jake und Clark werden wohl ebenfalls begeistert sein, die fliegen nämlich mit.« Er sah sie forschend an. »Du wirst die Stellung solange mit Robert allein halten müssen, Lauren. Robert wird den Bericht in den nächsten Tagen sicher fertiggestellt haben. Ich bitte dich, ihn genau durchzulesen und die einzelnen Fundstücke mit ihm zu katalogisieren.«

»Kein Problem, Professor«, versprach sie lächelnd.

Lamondt griff in seine alte abgewetzte Ledertasche, holte einen verhüllten Gegenstand heraus und legte ihn sorgsam auf ihrem Schreibtisch ab.

»Darin ist eine Kristallkugel«, erklärte er ihr, auf ihren neugierigen Blick hin. »Robert hat sie am letzten Tag noch in einem ansonst leeren Grab gefunden. Ich denke, sie wird uns wohl die größte Nuss zu knacken geben. Lege sie bitte zu den anderen Fundstücken.«

Er schwieg und es schien, als denke er über etwas nach.

Sie erschrak bei seinem Anblick.

Mein Gott, ging es ihr durch den Kopf, wie müde und erschöpft er aussieht. Andererseits kennt er ja auch nur noch seine Arbeit, ist förmlich mit ihr verheiratet. Vermutlich bekämpft er damit die Trauer und Einsamkeit, seit seine Frau verstorben ist, … und Kinder, die sind ihm ja versagt geblieben.

»Sollten Fragen auftauchen, dann wende dich an Robert«, unterbrach er ihre abschweifenden Gedanken. »Mir bleibt nicht viel Zeit. Es gibt noch einige Dinge vor der Abreise zu erledigen.« Er trank seinen Kaffee aus, stellte die Tasse beiseite und schenkte ihr ein Lächeln. »Wird schon, … und im Übrigen bin ich ja in fünf Tagen wieder zurück.«

Er griff nach seiner Aktentasche, sah ihr mit einem warmen Blick ins Gesicht und ging hinaus.


Die schwarze Macht

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