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Merkmale des gesprochenen Französisch
ОглавлениеNeben den universellen Merkmalen der gesprochenen Sprache existieren auch einzelsprachliche Merkmale. Im Französischen ist der Unterschied zwischen gesprochener und geschriebener Grammatik ganz besonders groß. Vergleicht man die Konjugation der regelmäßigen Verben auf -er (z. B. chanter in Tab. 1.3), so sieht man, dass Endungen fast nur im graphischen Medium existieren; im phonischen Medium erkennt man Person und Numerus dagegen v. a. am vorangestellten Personalpronomen, das oft verdoppelt wird.
Phonie | Graphie |
[mwaʒəʃɑ̃t] | <je chante> |
[twatyʃɑ̃t] | <tu chantes> |
[lɥiiʃɑ̃t]/[ɛlɛlʃɑ̃t] | <il/elle/on chante> |
[nuɔ̃ʃɑ̃t] | <nous chantons>3 |
[vuvuʃɑ̃te] | <vous chantez> |
[øiʃɑ̃t]/[ɛlɛlʃɑ̃t] | <ils chantent> |
Tab. 1.3:
Verbkonjugation in phonischem und graphischem Medium.
Auf Ebene der Konzeption sind die Unterschiede besonders deutlich in Morphologie und Syntax (vgl. Kapitel 7 und 8). So ist die Anzahl der Tempi und Modi in der Nähesprache geringer: Das passé simple, der imparfait du subjonctif und das futur simple kommen hier (fast) nicht vor, und häufig wird an Stelle des subjonctif der Indikativ verwendet. Bei den Pronomina kann das unpersönliche il in (il) faut und (il) y a wegfallen und nous durch on ersetzt werden (was auch die Konjugation vereinfacht; vgl. Tab. 1.3); gleichzeitig ist eine Verdoppelung möglich (z. B. nous on chante; vgl. Tab. 1.3). Typisch für das gesprochene Französisch ist außerdem die Verkürzung von cela zu ça und von qui vor Vokal zu qu’ (z. B. c’est qui qu’a fait ça ? statt qui a fait). In der Verbalphrase fällt auf, dass die Negation ohne ne erfolgt (vgl. <chépa> statt je ne sais pas; s. o.). Zudem kann der accord fehlen, beim participe passé, aber auch beim Präsentativ c’est (z. B. c’est pas des pizzas statt ce ne sont pas des pizzas). Auf Satzebene ist il y a X qui eine speziell französische Konstruktion (z. B. « il y a des choses moi qui me, qui m’horripilent » in der Transkription oben). Schließlich werden im gesprochenen Französisch Fragen üblicherweise allein durch die Intonation ausgedrückt (z. B. Tu viens ?), während in der Distanzsprache die Inversion vorherrscht (z. B. Pourriez-vous m’envoyer votre adresse ?). Wir vertiefen diese Phänomene noch in Kapitel 8.3.3.
Im Gegensatz zu den universellen Versprachlichungsstrategien ergeben sich die einzelsprachlichen Versprachlichungsstrategien nicht automatisch aus den Kommunikationsbedingungen. Im Gegenteil: Sie konstruieren diese mit. Da beispielsweise eine Negation ohne ne als mündlich eingeordnet wird, kann dieses Phänomen in einer Rede oder einer E-Mail Nähe herstellen.