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1.1 Alltagsfranzösisch
Оглавление[ʃpɔmwa], <chépa>, je ne sais pas: Das Französische hat viele Gesichter. Während man im Französischunterricht je ne sais pas lernt, finden Sprachwissenschaftler*innen [ʃpɔmwa] und <chépa> interessanter. Dementsprechend geht es im Linguistik-Studium an der Universität weniger darum, was korrekt ist, sondern mehr um die Frage, wie man wirklich spricht und schreibt – also um authentische Sprache. Während Sie bislang im Fremdsprachenunterricht gelernt haben, wie man Französisch sprechen und schreiben sollte, ist für die Sprachwissenschaft besonders spannend, was von der Norm abweicht.
Im Fall von <chépa> und [ʃpɔmwa] sind das gleich eine ganze Reihe von Phänomenen. Ausgehend von der Standardform je ne sais pas [ʒənəsɛpa] kommt man wie folgt zu den Varianten der Alltagssprache:
Die Negationspartikel ne (< lat. non ‘nicht’) fällt im gesprochenen Französisch schon seit Jahrhunderten weg.
In der Verbalphrase je sais [ʒəsɛ], die man häufig [ʒəse] ausspricht, fällt das Schwa [ə] weg: [ʒse]. Das stimmhafte [ʒ] gleicht sich anschließend an das stimmlose [s] an, das verschwindet: [ʃe]. In Chats und Comics findet sich entsprechend die Schreibung <ché>.
pas sprechen viele mit [ɔ] statt [a] aus. In Comics findet man daher auch die Schreibung <pô>.
je sais pas [ʃepɔ] lässt sich zu [ʃpɔ] verkürzen.
Das Personalpronomen je lässt sich schließlich noch durch moi verstärken.
Die große Herausforderung der Sprachwissenschaft ist, diese Dynamik in all ihren Dimensionen zu verstehen. So fällt das ne etwa nach Pronomina wie je öfters weg als nach Nominalphrasen wie mon frère (dazu mehr in Kapitel 8.3.1). Zudem findet sich die Aussprache von pas als [pɔ] besonders häufig im français populaire und im québécois (vgl. Kapitel 10.2.1 und 10.1.2). Um herauszufinden, wer wann wie spricht, reicht Intuition nicht aus, denn vieles davon läuft unbewusst ab und oft macht die Frequenz den Unterschied. Die Sprachwissenschaft sammelt daher große Mengen von Sprachdaten, bereitet diese digital auf und analysiert sie statistisch (vgl. Kapitel 2.1.1). Ein Forschungsgegenstand unter vielen kann natürlich auch das korrekte Französisch sein. So untersucht man etwa sprachsoziologisch und -politisch, warum sogar viele Franzosen und Französinnen in Bezug auf die Norm verunsichert sind und wie die Kanadier*innen ihr eigenes Standardfranzösisch entwickeln (vgl. Kapitel 10.3.2).