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Kapitel 10
ОглавлениеJane hatte sich schon immer nach draußen an die frische Luft geflüchtet, wenn sie einen Moment für sich brauchte. Aber so erfrischt, wie in dem Moment, da sie auf den imposanten Balkon trat, hatte sie sich noch nie gefühlt. Der Balkon war mit Ornamenten verziert, mit Kugeln geschmückt und verfügte sogar über einen Brunnen in der Mitte und eine Wendeltreppe, die in den Garten führte. Jane sah sich um und bemerkte, dass sie völlig allein in der kühlen Abendluft stand.
Die Freiheit, die sie verspürte, als der Wind ihr Haar zurück wehte, war belebend. Als sie an das Geländer gelehnt dastand und den Ausblick genoss, fühlte sie sich, als sei sie die einzige Person auf dem Ball. Sie atmete tief ein und lehnte sich vor, um einen Blick auf die anderen Balkone zu werfen. Alle waren leer, da die anderen Gäste drinnen tanzten.
Sie blickte zum überfüllten Tanzsaal, in dem die Menschen sich unbekümmert zur Musik bewegten. Beim Umdrehen sah sie für einen kurzen Moment etwas aus ihrem Augenwinkel, und erschrak schrecklich. Da war der Schottenrock, der im Wind wehte und dann eine Person im Mondlicht, die sie anblickte. Es war der Mann, den sie an ihrem ersten Abend auf der Straße gesehen hatte. „Hallo Sir!”, rief sie, ohne nachzudenken, hielt dann aber aus Angst, dass jemand zuhören könnte, inne. Er sah sie kurz an, bevor sie auf die Treppe zutrat, was den Mann dazu bewegte, sich umzudrehen und auf die Bäume zuzulaufen, die ihn umgaben.
Mit einem Mal sorgte sie sich um den Fremden und eilte die Stufen hinunter zu den Bäumen. Sie erkannte, dass sie keinen Wald bildeten, sondern zum Garte gehörten. Überall waren Blumen, Büsche und Bögen, aber von dem Mann im Schottenrock fehlte jede Spur.
Eine Weile ging Jane durch den Garten und bewunderte die Schönheit der Pflanzen und der Schatten, die sie im Mondlicht warfen. Auf einmal hörte sie direkt hinter sich einen Ast knacken. Sie wollte gerade herumfahren und laut um Hilfe schreien, als sich eine große, aber weiche Hand über ihren Mund legte. Die andere ergriff ihre Hände, um sie davon abzuhalten, wild mit den Armen zu rudern.
„Schhh”, zischte eine tiefe und sehr männliche Stimme hinter ihr. Janes Herz schlug bis zum Hals, als er sich zu ihrem Ohr hinunterbeugte.
„Bitte schreien Sie nicht, wenn ich Sie loslasse”, raunte er, und ihr Körper verkrampfte sich.
Voller Angst schüttelte Jane den Kopf; denn alles was sie wollte, war ihre Freiheit zurückzuerlangen.
„Gut”, sagte der Mann sanft. „Ich lasse Sie jetzt los. Sie müssen keine Angst vor mir haben”, flüsterte er und drehte ihr Gesicht zu sich herum.
Jane war so wütend, dass sie sich nicht beherrschen konnte. „Was zur Hölle glauben Sie eigentlich, wer Sie sind, Sir?”, fuhr sie ihn aufgebracht an. Erst da erkannte sie den Mann, der sie soeben in der Dunkelheit überrascht hatte.
„Oh - Sie sind es”, stammelte sie und trat nervös ein paar Schritte zurück.
Ohne zu zögern kam der Mann wieder näher und berührte ihre Wange, woraufhin sie sich weiter zurückzog.
„Es tut mir wirklich leid, mein Mädchen”, sagte der Mann ernst. Das Mondlicht hinter ihm ließ Jane seine Silhouette genau erkennen. Er war ziemlich große und hatte breitere Schultern als die meisten Männer, die sie kannte, aber dennoch verspürte sie keine Angst mehr.
„Wer sind Sie?”, stieß sie atemlos hervor.
„Mein Name ist Stuart”, stellte er sich vor. „James Stuart. Ich bin nicht von hier, mein Mädchen.”
Ganz sicher nicht, dachte Jane. Für einen Ball war er zu merkwürdig gekleidet: ganz zu schweigen von seinem schottischen Dialekt, der ebenfalls nicht zu der erlesenen Gesellschaft passte.
„Wo immer Sie auch herkommen, Sir - warum schleichen Sie in der Dunkelheit herum?”, bohrte Jane weiter.
„Es ist kompliziert, verstehen Sie?”
„Ich verstehe”, sagte auch sie nun versehentlich mit schottischem Akzent. Sie war so gefesselt von seinen schönen Gesichtszügen, dass sie ihre Worte nicht kontrollieren konnte. „Ich meine: Gewiss, Sir”, korrigierte sie sich. „Ich verstehe, dass es sich um eine komplizierte Situation handeln mag, aber ich weiß immer noch nicht, was Sie hier suchen, Mr. Stuart.”
„Ich erkläre Ihnen gern alles, mein Mädchen. Aber ich muss Sie um einen kleinen Gefallen bitten”, sagte er.
„Es handelt sich doch nicht etwa um etwas Verbotenes, Sir?”, brachte sie hervor und trat wieder ein paar Schritte zurück.
„Nein, ganz gewiss nicht, Miss”, versprach er und nahm ihre Hand. „Versprechen Sie mir bitte nur eins.”
„Was ist es denn?”, fragte Jane interessiert.
„Sie dürfen niemandem erzählen, dass Sie mich heute Abend hier gesehen haben”, sagte er bestimmt.
„In Ordnung”, erwiderte Jane, woraufhin er sich hinunterbeugte, um ihre Hände zu küssen.
„Ich danke Ihnen, mein Mädchen.” Mit diesen Worten ließ er ihre Hände los und wandte sich zum Gehen.
Jane überlegte einen Moment, was sie tun solle und spürte, dass sie den Fremden nicht einfach so entwischen lassen konnte.
„Warten Sie, Sir!”, rief sie und lief ihm ein Stück hinterher.
Er drehte sich zu ihr um und sah sie mit diesem unergründlichen Blick an, der ihr von ihrem ersten Abend in London in Erinnerung geblieben waren. Sein Gesichtsausdruck wirkte einerseits erschöpft; so als hätte er viele Strapazen hinter sich, gleichzeitig aber auch entschlossen.
„Ja, mein Mädchen.” Seine Stimme klang gehetzt; schon wandte er sich zum Gehen.
„Sehe ich Sie wieder?”, rief sie ihm leise nach.
Das blickte ihr der Mann tief in die Augen und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln, das seine Augen in der Dunkelheit funkeln ließ. Ohne ein weiteres Wort verschwand er mit wehendem Kilt in der Nacht.