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Kapitel 2

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Am nächsten Tag sollte die Reise beginnen, und Mrs. Ramsbury packte eifrig die Koffer der Mädchen.

„Jane! Jane, mein Liebling!”, rief sie aus der Küche im Erdgeschoss. „Sag deinen Schwestern, dass sie sich beeilen sollen – das Frühstück steht auf dem Tisch!”

Jane, die selbst gerade erst aufgestanden war, warf sich ihr Tuch um die schmalen Schultern und weckte ihre Schwestern. Caroline wachte direkt nach dem Klopfen an die Zimmertür auf, nur bei Annesley war es mühseliger. Jane hatte bereits fest mit der Faust gegen die Tür gehämmert und sogar mit dem Fuß dagegen getreten, dennoch erhielt sie keine Reaktion.

„Komm schon, Anne! Wir müssen hinunter. Mutter ist schon ganz aufgebracht”, rief sie. Wütend über die Faulheit ihrer Schwester, die gerne den ganzen Tag schlief, öffnete sie die Tür und ging ins Zimmer. Schnell erkannte sie, dass alles Klopfen und Rufen sinnlos gewesen war, denn das Bett war leer.

Sie ging zurück in den Flur, wo sie Caroline begegnete.

„Wo ist Anne?”, rief Jane angespannt zu ihrer jüngeren Schwester.

„Ich habe keine Ahnung, liebe Schwester”, antwortete sie und hüpfte vergnügt in die Küche, um ihrer Mutter zu helfen, die nun auch begann, ihre jüngste Tochter im Haus zu suchen.

„Mr. Ramsbury!”, rief sie nach ihrem Mann, der sich in den Garten zurückgezogen hatte, um sich um seine Pflanzen zu kümmern. Langsam und unbekümmert kam er ins Haus, wo seine aufgebrachte Frau auf ihn wartete, um ihm vom Verschwinden ihres Kindes zu berichten.

„Was, meine Liebe, ist denn so wichtig, dass Sie mich bei meiner Gartenarbeit stören müssen?”, fragte er getragen.

„Es geht um Annesley!”, jammerte sie. „Wir können das arme Kind nirgends finden!” Mrs. Ramsbury setzte sich auf einen Stuhl und begann zu weinen.

„Beruhigen Sie sich, Mutter”, sagte Caroline. „Wir finden sie schon. Sie wissen doch, dass sie sich niemals weit vom Haus entfernt”, fuhr sie fort, um ihre Mutter zu trösten.

Jane hatte den leisen Verdacht, dass sich Anne mit dem Sohn der Fairchilds, der auf der anderen Seite des Bachs wohnte, unten am Wasser getroffen hatte. Schon mehrmals hatte sie die beiden dort unten gesehen, aber zu niemandem ein Sterbenswort gesagt – außer zu Anne selbst natürlich, denn Jane hatte befürchtet, dass die beiden jungen Leute ohne eine angemessene Warnung zu weit gehen könnten. Sie war gerade auf dem Weg zur Tür, als ihre Mutter nach ihr rief.

„Jane, Liebling! Wo um alles in der Welt willst du denn jetzt nur hin?”, stieß sie aus.

„Machen Sie sich keine Sorgen, Mama”, rief sie ihr zu. „Ich hole Anne.” Und mit diesem Worten verließ sie das Haus, bevor ihre Mutter etwas erwidern konnte.

Caroline war aufgestanden und zur Tür gerannt, in der Hoffnung, dass sie ihrer Schwester folgen könnte, aber Jane war aufgrund ihrer langen Beine schon immer die Schnellste der drei gewesen und war bereits außer Sichtweite.

Jane war glücklich darüber, dass sie nach diesem Morgen endlich das Haus verlassen konnte, denn die hysterischen Anfälle ihrer Mutter ließen die Tage immer viel länger erscheinen, als sie eigentlich waren. Jane hatte schon immer viel Bewegung gebraucht, daher ging sie so oft es möglich war, nach draußen. Sie kannte ihre Seite des Bachs in- und auswendig und hätte von jeder Stelle zwischen ihrem Haus und Bath den Weg zurückgefunden. Als sie sich dem Wasser näherte, hörte sie auch schon das vertraute Lachen ihrer Schwester.

„George, das ist doch Unsinn; ich schwöre es”, keuchte sie, während sie kichernd nach Luft schnappte.

Das junge Paar lachte schallend, jeder auf seiner Seite des Bachs.

„Annesley!”, rief Jane so laut, sie konnte aus den Sträuchern, die die hiesige Seite des Bachs säumten.

Vor Schreck erstarrte Anne und verlor beinahe das Gleichgewicht, sodass sie um ein Haar im Bach gelandet wäre.

„Jane!”, rief sie entsetzt. „Oh, Gott sei Dank bist du es nur”, stieß sie anschließend voller Erleichterung aus.

„Guten Tag, Miss Jane”, rief George höflich vom anderen Ufer.

„Guten Tag, George”, rief sie zurück. „Ich muss meine Schwester nach Hause bringen; unsere Mutter ist völlig außer sich. Grüße deine Eltern von mir”, fügte sie hinzu, während sie ihre Schwester am Arm packte und mit sich zog.

„Auf Wiedersehen, Georgie!”, rief sie und wedelte mit einem weißen Taschentuch.

Jane zog sie weiter, bis sie außer Sichtweite waren.

„Was um Himmels Willen hast du dir nur dabei gedacht?”, fuhr sie ihre jüngere Schwester an.

„Ich habe nichts von dem getan, was du mir verboten hast”, antwortete Anne mit einem trotzigen Unterton in der Stimme.

„Werde bloß nicht frech”, fuhr Jane sie an. „Wann hast du heute Morgen das Haus verlassen? Es muss vor Sonnenaufgang gewesen sein, denn da hat Papa schon in seiner Bibliothek gearbeitet. Wissen Georges Eltern, dass er sich mit dir vor Sonnenaufgang trifft?”

„Was hat es dich zu interessieren, ob sie es wissen oder nicht?”, erwiderte Anne gereizt.

„Es interessiert mich, weil am Ende nicht nur du darunter zu leiden hast, wenn du deine Ehre verlierst. Mir persönlich ist es egal, wenn mein Ruf ruiniert ist, denn die Ehe bedeutet mir nichts, aber was ist mit Caroline und Mama? Die beiden würden schrecklich darunter leiden, wenn ihr zwei nicht vorsichtig seid. Hast du mich verstanden?”, fragte Jane eindringlich.

Annesley verdrehte die Augen und nickte.

„Gut. Und keine Treffen mehr im Dunkeln, das schickt sich nicht”, fügte Jane hinzu.

„Jane”, sagte Anne leise.

„Ja, Liebes?”

„Du erzählst doch Mama und Papa nichts davon, oder?”, bat sie ihre Schwester ängstlich.

„Zumindest nicht heute”, antwortete Jane. „Aber wenn ich dich nochmal zu einer solchen Uhrzeit dabei erwische, wie du das Haus verlässt, kannst du dir sicher sein, dass Mama alles erfährt”, drohte sie.

Anne ergriff dankbar die Hand ihrer Schwester, und gemeinsam liefen sie schweigend zum Haus zurück.

Als sich die beiden der Tür näherten, hörten sie Caroline drinnen rufen: „Sehen sie nur, Mama. Jane hat sie tatsächlich gefunden.”

„Oh, wie schlau du doch bist, Liebes”, rief Mrs. Ramsbury Jane zu, während sie Anne durch die Tür ins Haus führte.

„Wo bist du nur in aller Herrgottsfrühe gewesen, Kind?”, fragte sie ihre Tochter.

„Ich ... ich war ...”, stotterte sie, denn sie hatte sich keine glaubwürdige Antwort zurechtgelegt. Zum Glück kam ihr Jane zur Hilfe.

„Sie hat die Heuballen gestapelt, Mama”, begann Jane. „Ich habe sie beim letzten Mal vergessen, und Jane wollte mir heute Morgen einen Gefallen tun und die Arbeit für mich erledigen”, log sie. Die Heuballen waren tatsächlich ihre Aufgabe für den heutigen Morgen gewesen, aber wie immer hatte sie alles bereits am Vorabend erledigt, damit sie heute mehr Freizeit hätte. Wenigstens war ihre raffinierte Taktik zu etwas Nütze.

„Ach, Liebes”, seufzte ihre Mutter erleichtert. „Was für ein reizendes Kind du doch bist, Anne. Und trotz der Arbeit mit dem Heu hast du dich gar nicht schmutzig gemacht.” Sie küsste ihre Tochter und wies sie an, nach oben zu gehen und ihre Sachen zu packen. Anne blickte sich um, als sie an Jane vorbeiging und formte ein “Danke” mit den Lippen. Ihrem aufmerksamen Vater entging die Geste nicht.

Er suchte den Blick seiner ältesten Tochter und schaute sie warnend an, während er in sein Arbeitszimmer ging, wohin Jane ihm nun folgte. Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, schaute Mr. Ramsbury sie von seinem Schreibtischstuhl belustigt an.

„Ja, Papa?”, fragte sie unschuldig und lächelte steif.

„Ich weiß ganz genau, wann du mir etwas verheimlichst”, sagte er und sah sie eindringlich an. Sie versuchte, seinem Blick auszuweichen, spielte mit ihren Händen, lächelte und beteuerte ihre Unwissenheit:

„Ich weiß wirklich nicht, wovon Sie sprechen, Sir.”

„Ich kenne dich viel zu gut, um mich von dir täuschen zu lassen, mein Liebling. Deine Aufgaben erledigst du fast immer am Abend zuvor. Außerdem habe ich noch nie erlebt, dass du eine so simple Aufgabe wie das Stapeln von Heuballen nicht erledigt hast. Wo also hat deine Schwester gesteckt, Jane?” Durchdringend sah er sie an. „Ich weiß, dass deine eigenen Taktiken meist äußerst effektiv sind, aber ich sorge mich um die anderen.”

„Ehrlich, Papa, sie meint es nicht böse. Sie weiß ganz genau, dass Mama krank vor Sorge ist”, erklärte sie. „Aber sie ist erst fünfzehn Jahre alt; sie braucht Zeit für sich, genau wie ich.”

„Ja, Liebes. Aber du bist, im Gegensatz zu Anne, volljährig”, erinnerte er sie. „Sie könnte euren Ruf ruinieren.”

„Das weiß ich, Papa. Ich verspreche, dass ich ab jetzt auf sie aufpasse und Ihnen alles erzähle, wenn sie zu weit gehen sollte. Aber zum jetzigen Zeitpunkt ist alles in bester Ordnung, und es besteht keinerlei Gefahr, dass dem Ruf unserer Familie geschadet werden könnte”, erklärte sie.

„Nun gut, mein Kind”, erwiderte er. „Aber halte dein Versprechen”, warnte er sie.

„Das werde ich, Papa”, flötete sie und nahm sich auf dem Weg zur Tür ein Buch vom Regal.


Der geheimnisvolle Schotte

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