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Prolog

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Ägypten 1292 v. Chr. Genauer gesagt, Theben, die alte und jetzt wieder neue Hauptstadt. Warum das so ist? Dies wird zum späteren Zeitpunkt genauer erläutert. Ebenfalls möchte ich für den/die Leser/in anmerken, dass er/sie nicht das falsche Buch erwischt hat. Wenn Sie mir nicht glauben, schauen Sie auf den Umschlag. Genau, Sie lesen im Moment folgendes Buch: Vampire essen keine Pasta. Doch seien Sie versichert: Es werden noch genügend Vampire, Pasta und andere Wesen in dieser Geschichte auftauchen, inklusive Ragnor. Diese, sich nun anschließende Ausführung ist notwendig, um hinterher nicht völlig verwirrt und fragend dazustehen, warum es so ist, wie es ist. Aber ich versuche, diese kleine Geschichtslektion so unterhaltsam wie möglich zu gestalten. Also weiter im Konzept: Wir schreiben also das Jahr 1292 v. Chr. Die Sonne brennt, weil sie im Moment einfach nichts Besseres zu tun hat. Über dem Königspalast Malkatta liegt eine Decke bleiernen Schweigens. Die sonst so lebendige Metropole scheint unter der Trauer entkräftet darnieder zu liegen. Der letzte Pharao der 18. Dynastie, Haremhab, ist gestorben. Nur das leise Murmeln der Amun-Priester schneidet durch die ansonsten bedrückende Stille. Die Königsgemahlinnen blicken wehmütig auf den leblosen Körper, der in einem goldenen Löwenbett aufgebahrt liegt. Ihre Zukunft ist ungewiss, denn der Markt ist nicht gerade gesegnet mit der Nachfrage nach Ex-Königinnen mit leichten Gebrauchsspuren. Sie fragen sich, ob der junge Ramses den Harem seines Vorgängers übernehmen will, was leider nicht unbedingt die Regel ist, oder sie mit einer bescheidenen Rente entlässt, die ihnen nicht gerade den gewohnten Standard ermöglicht. Leider konnte keine ihren Status als Große königliche Gemahlin an Pharaos Seite behaupten. Nachdem seine Lieblingsfrau bei einer Fehlgeburt verstarb, nahm er sich keine weitere große Königsgemahlin aus seinem Harem.

»Was ist?«, fragt einer der Priester leicht ungeduldig. »Wollt ihr nicht mal anfangen, meine Königinnen?«, schnauft er beleidigt. Die Damen, allesamt aufs Exquisiteste herausgeputzt, sehen sich fragend an, nehmen widerwillig etwas Asche in die manikürte Hand und bestreuen ihre fulminanten Perücken damit.

»Ein paar Klagelaute wären schön, sie hätten unseren König erfreut. Er war Soldat, und Klagelaute die reinste Musik in seinen Ohren«, schmunzelt der Oberpriester angesichts der sich leicht sträubenden, und jetzt stäubenden Damen. Obendrein denkt er: Es ist wirklich kein Wunder, wieso der große Sohn des Horus mit dieser Damenriege keinen Nachfolger zeugte! Alles nur ein Haufen dummer Gänse! Ohnehin war er ein wahrer Workaholic und hatte für Vergnügen kaum Zeit.

Selbstredend gab es den Begriff Workaholic noch nicht, aber es kursierte eine dafür passende Hieroglyphe, die einen mit Griffel und Papyrus zu Boden gegangenen Schreiber zeigte, dessen Beine rechtwinklig gen Himmel ragten, während der Pharao ungerührt weiter auf ihn einredete.

In der Tat schien der große Sohn des Horus, Haremhab, dessen Regierungsname Djeser-cheperu-Re-setep-en-Re (Heilig sind die Erscheinungen des Re, auserwählt von Re) lautete, es von Anfang an nicht besonders leicht gehabt zu haben. Als junger Soldat begann Haremhab seine militärische Laufbahn unter Amenophis III. Dieser war wahrlich ein großer Gottkönig, wenn nicht einer der größten bisher. Weniger Glück hatte der göttliche Amenophis allerdings mit seinem missratenen Sohn, diesem verabscheuungswürdigen Ketzer, dessen Namenskartuschen - von nun bis auf ewig - entfernt worden waren. Schon immer stand er seinem Sohn, der den gleichen Namen wie sein Vater trug, mit äußerster Skepsis gegenüber. Eigentlich war der Jüngere gar nicht als Thronfolger vorgesehen, denn er besaß einen älteren Bruder, Thutmosis, der leider in jungen Jahren vorzeitig verstarb. Der junge Amenophis war in den Augen seines Vaters nichts anderes, als ein verzärteltes Weichei, das völlig in seiner Religion aufging. Einerseits nicht schlecht, da die Pharaonen selbst als Gottkönige betrachtet und angebetet wurden, doch andererseits, wenn man selbst den ganzen Tag im Gebet versank, blieb kaum noch Zeit übrig, sich selbst anbeten zu lassen. Als der alte Amenophis starb, erlebten vor allem die Priester des angesehenen Amun-Tempel in Karnak, ihr blaues Wunder. Die nicht geringe Macht der Hohepriester war dem jungen Pharao von jeher ein Dorn im Auge und veranlasste ihn dazu, diese Befugnisse kräftig zu dezimieren und in ihre Schranken zu weisen. Außerdem war er ganz beseelt von dem Gedanken, der Gott aller Götter sei allein der Sonnengott Aton. Aton, der über alle anderen Götter stehe und nur er, der Pharao, war in der Lage, eine direkte Verbindung mit Aton aufzunehmen und einzugehen. Dies löste einen wahren Aufschrei, nicht nur bei allen Priestern, sondern ebenfalls in der Bevölkerung aus. Es wurde so gut wie zu allen bestehenden Göttern, aus allen möglichen Gründen, gebetet. Hathor zum Beispiel, wurde angerufen, wenn eine Geburt ins Haus stand. Und die Kreißende bekam tatkräftige Unterstützung durch Amulette und Schutzzauber, die alle mit der Muttergöttin Hathor in Verbindung standen. Und auf einmal sollte ein Gott die Arbeit aller anderen allein erledigen? Was hatte ein männlicher Gott bei einer Niederkunft zu suchen? Und kein Priester sollte befähigt sein, mit diesem Gott in Kontakt zu treten, außer der Pharao selbst? Ehe sich die Priesterschaft bewusst wurde, was auf sie zukam, hatten sie schon das Nachsehen. Die Tempel, die nicht Aton gewidmet waren, wurden geplündert und die Götterstatuen, die meist aus massivem Gold bestanden, konfisziert und eingeschmolzen. Selbstverständlich bekam Amenophis IV. Unterstützung von seiner frömmelnden Aton-Anhängerschar, die ohnehin ihr Mäntelchen nach dem Wind hängte, um Nutznießer zu bleiben und selbst einen Sack Sand anbeten würde, wenn sie weiterhin dafür die Pfründner blieben.

Dazu gab sich der Gottkönig einen neuen Namen. Echnaton – was nichts anderes bedeutet als: Diener des Aton. Für die Anbeter der figürlichen Götter schien Aton, der lediglich als Sonnenscheibe in Erscheinung trat, als äußerst abstrakt. In einem Land, welches zu über neunzig Prozent aus Wüste besteht, ist die Sonne nicht unbedingt verlockend, lebensfördernd und anbetungswürdig. Wichtiger schien der Nil, die Lebensader Ägyptens, der über die Ufer trat, um das Land mit seinem fruchtbaren Schlamm zu segnen und damit bereit machte, das Getreide und die anderen landwirtschaftlichen Erzeugnisse für das Königreich gedeihen zu lassen. Jedoch war Echnaton davon überzeugt, nur die Sonne sei allein der Quell allen Lebens.

Nebenbei bemerkt, ist damit sozusagen belegt, dass Echnaton der erste historisch verzeichnete Sonnenkönig war, wahrscheinlich auch einer der ersten, den man als Sonnenanbeter bezeichnen könnte.

Der religiöse Fanatismus löste bei den Untertanen Zweifel, Befremdung und Kopfschütteln aus. Und schließlich ist ein Staat nur so stark wie sein schwächstes Glied, und das sind die kleinen Bauern, die darauf warteten, dass der Nil alljährlich über die Ufer trat. Ihrer Meinung nach, verstieß Echnaton mit seinem Glauben gegen die Maat, einem Gesamtkonzept aus Gerechtigkeit und Wahrheit, welches somit eine Art Weltordnung darstellte, bei der etliche Götter ein Gleichgewicht zu wahren hatten, was in ihren Augen folglich völlig aus den Fugen geraten musste, wenn es nur noch einen einzigen Hauptgott gab. Sie befürchteten, würden die ungeschriebenen Gesetze der Maat nicht eingehalten, könnten die Götter Rache nehmen und eine Dürre folgen lassen. Denn das Gegenteil von Maat, war Isfet, was Chaos und Vernichtung bedeutete.

Die Einzige, die diesen ganzen Wahnsinn noch ein wenig im Zaum halten konnte, war die Mutter Echnatons, Königin Teje, die schon an den Regierungsgeschäften Amenophis III. beteiligt war, was damals als relativ ungewöhnlich galt. Und so wie es aussah, war sie dank ihres Wissens, zur Mitregentin erkoren, die vor allem in der Außenpolitik großes Gewicht besaß. Allerdings stand sie mit Nofretete auf nicht all zu gutem Fuß. Obwohl diese ihre Nichte war - was eindeutig bedeutet, dass Echnaton seine Cousine ersten Grades heiratete -, versuchte Nofretete ihren Einfluss beim labilen Echnaton auszubauen, um damit Königsmutter Teje den Schneid abzukaufen. Zum Glück bekam Teje wiederum Unterstützung durch ihren Bruder Eje, den Vater Nofretetes, dem der Ehrentitel »Gottvater« verliehen wurde, was aber wohl eher eine Bezeichnung für den Rang des Schwiegervaters war. Eje, ein hoher Verwaltungsbeamter und Berater, der schon unter Echnatons Vater diente, besaß ein vernünftiges Augenmaß und konnte sich größtenteils durch die Unterstützung seiner Schwester, und vor allem mit guten Argumenten durchsetzen. Aber alles in allem, schien es ein wahrer Eiertanz um die Macht zu sein. Und zur Verstärkung gab es noch ein Zünglein an der Waage - Mutnedjmet, die jüngere Schwester Nofretetes, die kein Hehl daraus machte, was sie von ihrem abgehobenen Schwager, König und Cousin, und vor allem, von dessen religiösen Ansichten hielt. Die Schwester Nofretetes wurde in einer Vernunftehe mit dem jungen Soldaten Haremhab vermählt. Doch zu diesem Zeitpunkt befand er sich noch nicht einmal in Reichweite, als Thronfolger vorgesehen zu werden. Er war lediglich ein geschickter Kriegsherr und Heeresführer. Jedoch erkannte sein Schwiegervater Eje, Haremhabs Organisationstalent auf den ersten Blick und gab ihm wohl aus diesem Grund seine Tochter Mutnedjmet zur Braut, vor allem damit er sich seiner Loyalität gewiss sein konnte. Es ist im Allgemeinen immer günstig, wenn man das Heer auf seiner Seite weiß - und allemal besser, als ein Messer im Rücken zu haben.

Unterdessen zeigte der religiös verklärte Echnaton wesentlich mehr Enthusiasmus in Sachen Monotheismus als beim Regieren selbst. Stattdessen wollte er sich wie seine Vorgänger, an den Taten messen lassen, bei denen es in Bauangelegenheiten grundsätzlich hieß: »Bigger is better!«, und gab den Bau eines Sonnentempel in Karnak in Auftrag. Allerdings verlor er an diesem Vorhaben schnell das Interesse, weil er etwas völlig anderes ins Auge fasste. Noch größer und wesentlich besser. Er sah sich als göttlicher Visionär und wurde seiner Interpretation gemäß, öfter von Visionen heimgesucht, die er direkt von seinem Gott Aton empfing. Böse Zungen behaupteten, er habe sich lediglich einen echt krassen Sonnenstich eingefangen. Eine Vision bemächtigte sich seiner, auf dass er eine neue Hauptstadt auf völlig unberührten Boden entstehen lassen sollte, zu Ehren seines einzigen und wahren Gottes. Jedenfalls kam er auf diese grandiose Idee, während er mit dem Boot auf dem Nil weilte, und eben jenen verlassenen Flecken Erde erblickte. Inmitten einer trostlosen Wüste empfing der König also einen göttlichen Hinweis, der ihm sagte, genau an diesem sonnenverbrannten Ort, solle eine jungfräuliche Stadt entstehen, wie sie zuvor noch kein Mensch zu sehen bekam, und das aber flottamente, bitteschön!

Die Stadtplaner und Baumeister wurden vor eine Aufgabe gestellt, die in der Geschichte ihresgleichen suchte. Doch findige Köpfe erfanden den Talatat-Stein, einen genormten Baustein, dessen leichte Handhabung es ihnen ermöglichte, die gewünschte Stadt innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren aus dem Wüstenstaub zu stampfen. Und diese Stadt entpuppte sich als ein wahres Juwel. Prachtalleen, gesäumt mit Palmen und künstlich angelegten Seen, und wie sollte es anders sein, - ein Sonnentempel von gerade biblischen Ausmaßes krönte die Stadt. Ein Tempel ohne Dach, so dass Echnaton in direkter Verbindung mit seinem Gott bleiben konnte. Die Begeisterung in Theben war unterdessen alles andere als euphorisch. Wer in der Gunst des Königs bleiben wollte, musste ihm mit Sack und Pack in die neue Hauptstadt »Achetaton« folgen. So nannte der Pharao seine von ihm erbaute Stadt. Achetaton, Horizont des Aton.

Theben und Malkatta lagen danach brach. Nur Königsmutter Teje schien beiden noch eine Weile treu zu bleiben. Doch schließlich folgte sie ihrem Sohn und Pharao nach. Widersacher behaupteten, der Pharao wolle so weit wie möglich fort aus dem Dunstkreis der Amun-Priester in Karnak. Diese nagten, um der Tatsache ins Auge zu sehen, durch diesen Umzug gezwungenermaßen am Hungertuch, genau wie es der Pharao haben wollte. Nicht nur die Priester waren die Leidtragenden, auch die nicht besonders wohlhabenden Handwerker und Bauern, die ohnehin schon Einbußen in Kauf nehmen mussten, konnten es sich nicht leisten, so wie die Hofschranzen dem Königshof nachzufolgen. Dies schürte den allgemeinen Unmut.

Echnaton dagegen, ließ sich wie ein Popstar feiern und ging völlig neue Wege. Er war der Mittler zwischen Aton und dem Volk, betete Aton an und wurde selbst angebetet, bildete mit seiner Großen Königlichen Gemahlin Nofretete und seinem Gott, eine neue Art der Dreifaltigkeit. Was wieder einmal belegt, dass Echnaton seiner Zeit weit voraus war, da er lange vor der Geburt Jesus Christi, gewissermaßen die Dreifaltigkeit erfand. In Achetaton entwickelte sich außerdem eine völlig neue Kunstrichtung, nach ihrem heutigen Fundort, Tell el-Amarna, Amarna-Kunst genannt, eine eigenartige Form des Naturalismus, mit leicht karikaturistischen Zügen. Die Büsten, Statuen und Abbildungen des Pharao und seiner Familie, schienen zumindest die ausgeprägtesten Merkmale darzustellen. Nicht mehr geschönt und konform, sondern markant und mit typischen Alleinstellungsmerkmalen. Wohl jeder kennt die Büste der schönen Nofretete. Selbstverständlich hatte diese in Natura zwei vollständige Augen. Aber wer diese berühmte Büste genauer und unter anderen Lichtverhältnissen betrachtet, wird feststellen, dass sogar ein paar kleine Runzeln zu erkennen sind, was eine gewisse Realitätsnähe bezeugt, und obendrein, mal ganz ehrlich gesagt, äußerst uneitel ist. Könige und Königinnen sind ansonsten eher bestrebt, lediglich auf idealisierte Formen bei ihren Darstellungen zurückzugreifen. Echnaton ist noch heute von allen Pharaonen am besten wiederzuerkennen. Sein langes, schmales Gesicht, seine vollen Lippen, die schweren Lider, sein seltsamer Schmerbauch und die schlaffen Schenkel. All das wirkt völlig ungeschönt und haucht den steinernen Monumenten ein enormes Leben - und eine gewisse Liebenswürdigkeit ein. Neue Zeiten bringen eben neue Moden hervor.

Inzwischen schien Echnaton immer mehr der Realität zu entrücken. Es wirkte beinahe so, als sei er darüber bekümmert, dass sein Dasein mit der Last des Regierens getrübt wurde, anstatt für immer im Gebet zu versinken. Das Volk war beunruhigt. Dürre und Krankheit überfielen das Land, und schnell wurde gemunkelt, es käme durch die Häresie, die der Pharao so leidenschaftlich betrieb. Er hatte sich in ihren Augen mit der Maat entzweit. Auch Nofretete fiel beim Volk in Ungnade, weil sie in schöner Regelmäßigkeit dem Pharao nur Mädchen gebar, sechs an der Zahl. All das sahen Kritiker als Strafe für den Pharao an, weil er in ihren Augen so mächtig fehlgeleitet war. Der arme, kränkelnde Echnaton verstand nicht, wieso er beim Volk nicht so recht ankam. Tat er doch alles, was sein Gott von ihm verlangte. Dass er aber seinen Untertanen quasi sämtliche Götter entzogen hatte, darauf schien er nicht zu kommen. Der typische Egoismus der herrschenden Klasse. Es wurde immer schlimmer mit Echnaton. Er wankte zwischen verzückt und entrückt, zuletzt eine Mischung aus beidem – nämlich verrückt. Aber es gab einen Lichtblick in der drohenden geistigen Umnachtung des Gottkönigs. Kija, eine seiner Nebenfrauen, gebar ihm einen Sohn. Der stolze Vater nannte ihn Tutanchaton – Lebendes Abbild des Aton.

Ab diesem Zeitpunkt begann Nofretetes Stern zusehends zu sinken und die Gunst ihres Königs zu verlieren. Teje konnte ihre Position dagegen behaupten und wurde wesentlich einflussreicher als ihre Nichte. Es machte den Eindruck, der König gäbe sich wieder etwas klarer und zugänglicher. Jeder bei Hofe konnte froh sein, wenn der Herrscher eine guten Tag hatte, an dem er nicht die Unterhose über dem Kopf anzog. Trotzdem war dem ohnehin leicht kränkelnden Herrscher das Klima der Wüste nicht sonderlich zuträglich. Malaria tat ihr Übriges und setzte ihm mächtig zu. Überhaupt schien die Stadt dem glücklosen König wenig Gutes zu bescheren. Als seine Mutter Teje starb, war der Gottkönig untröstlich und zog sich immer weiter in seine Religion zurück. Die anderen dagegen, witterten Morgenluft. Das Schicksal spielte Eje gute Karten in die Hand, und mit der Unterstützung Haremhabs war er eigentlich derjenige, der Ägyptens Geschicke lenkte. Eje musste seiner Schwester Teje auf dem Totenbett schwören, das heftige Kuddelmuddel, welches Echnaton ausgelöst hatte, wieder in die richtigen Bahnen zu lenken und besser noch, gänzlich zu bereinigen. Da ihr von vornherein die schwächliche Konstitution ihres Sohnes bekannt war, hoffte sie, in ihrem Enkelsohn einen besseren Thronfolger zu finden. Eje versprach seiner sterbenden Schwester, alles Menschenmögliche zu unternehmen, um ihren letzten Wunsch in die Tat umzusetzen. Zwei Jahre später sollte Echnaton seiner Mutter nachfolgen. Zu der Zeit war der kleine Tutanchaton noch ein hilfloses Kleinkind, doch statt als Kindkönig den Thron besteigen zu dürfen, erschien ein anderer Pharao auf der Bildfläche.

Dieser dubiose Pharao Semenchkare, bereitet noch heute Wissenschaftlern heftiges Kopfzerbrechen. Es grassieren sogar mehrere Theorien über dessen Identität. Einige vermuteten in ihm einen jüngeren Bruder Echnatons zu erkennen, gewissermaßen das Nesthäkchen des dritten Amenophis. Hinreichend belegt ist jedoch die Tatsache, Semenchkare habe Echnatons Tochter geehelicht, es steht in Stein gemeißelt, dass er eine Große Königliche Gemahlin namens Meritaton sein Eigen nannte. Möglicherweise spielte er schon zu Echnatons Zeiten eine Rolle als Mitregent. Für diese Schwiegersohn-Mitregenten-These bestehen jedoch berechtigte Zweifel, weil königliches Geblüt in Ägypten schon von jeher eine tragende Rolle spielte. Da die Pharaonen immer der königlichen Blutlinie entspringen müssen, und wenn schon nicht der königlichen, dann zumindest einer göttlichen, konnte der Schwiegersohn beides nicht vorweisen. Folglich fehlte ihm die Legitimation zur Thronbesteigung.

Ganz böse Zungen behaupten allerdings, Semenchkare sähe aus, als sei er der Königin Nofretete wie aus dem Gesicht geschnitten. Es wäre durchaus denkbar von Nofretete, sich solch einer Praxis zu bedienen. Um die Macht zu erhalten, ist vielen Menschen einfach alles recht. Sie wäre auch nicht die Erste in der Geschichte Ägyptens, die eine Metamorphose, von einer Frau zu einem Mann, durchlebte.

Ungefähr ein Jahrhundert zuvor, wurde nach dem Tod ihres Mannes Thutmosis II. aus der Königsgemahlin Hatschepsut ebenfalls ein Mann, der den Thron bestieg und die Regierungsgeschäfte übernahm. Hatschepsut ließ sogar Büsten von sich, mit Zeremonienbart und Pharaonentracht herstellen. Obendrein gab sie ihrem Architekten Senenmut den Auftrag, ein Monumentalbauwerk zu errichten - den viel gerühmten Totentempel in Deir el-Bahari -, der noch heute massenweise Besucher-Scharen anzieht. Augenscheinlich machte die Vermännlichte alles richtig, denn sie führte einundzwanzig Jahre die Geschicke des Landes zur größten Zufriedenheit ihrer Untertanen.

Zumindest die unter uns, die gerne Tratsch- und Klatschgeschichten lesen, wird diese Theorie gefallen, Nofretete könne so an die Macht gelangt sein. Es ist geradezu ein köstlicher Gedanke, dass sie sich mit ihrer eigenen Tochter vermählen ließ. Töchter zur eigenen Frau zu nehmen, war übrigens im damaligen Ägypten eine gängige Praxis. Amenophis III. erhob ebenfalls seine Tochter Sitamun in den Rang einer Königsgemahlin. Sie galt nach dem Tod ihres Vaters als Favoritin, ihren eigenen Bruder Echnaton zu ehelichen. Nofretete schien sich aber durchgesetzt zu haben und machte das Rennen – schon damals genoss sie den Ruf, die schönste Frau der Welt zu sein. Einem gesunden Menschen stehen bei solchen inzestuösen Verbindungen die Haare zu Berge. Die alten Ägypter hingegen glaubten, damit das königliche Blut so rein wie möglich zu halten. Welch verheerende Wirkungen der sogenannte Ahnenschwund auf den Genpool haben kann, zeigt das kaiserliche Geschlecht der Habsburger, die nicht nur wegen ihrer ausladend dicken Unterlippe bekannt wurden, sondern ebenfalls dafür, gerne dem Wahnsinn anheim zu fallen, weil ihre Vorfahren zu oft mit Cousinen und nahen Verwandten vermählt wurden. Als Beispiel sei Johanna, die Wahnsinnige, der spanische Infant Don Carlos und der Österreicher Kaiser Ferdinand I. genannt, der nicht nur eine dicke Lippe riskierte, sondern obendrein mit einem Wasserkopf abgestraft wurde. Vom Infanten zum Infantilismus schien es immer nur ein kleiner Schritt zu sein. Von ihm soll übrigens der kernige Spruch stammen: »Ich bin der Kaiser und ich will Knödel!«

Semenchkares Angesicht sollte nicht lange von Atons Sonne beschienen werden. Seine Regentschaft währte nur dreieinhalb Jahre, und sein Schlagschatten verschwand klanglos in der Versenkung. Wer, oder was für sein Ableben sorgte, bleibt weiterhin im Dunkeln. Zumindest könnte der Titel dieses Kapitels ebenso gut lauten: »Tod am Nil«, oder: »Nur die Sonne war sein Zeuge«.

Nun war Ejes Stunde gekommen, mit freundlicher Unterstützung von Haremhab, den er mit etlichen Titeln und Machtbefugnissen ausstattete. Haremhab stieg zum Oberbefehlshaber des Heeres auf, ebenfalls trug er den Titel: Stellvertreter des Königs an der Spitze der Beiden Länder, oberster Mund des Landes. Es lief wirklich gut für ihn. Er wurde zum Erbfürsten geadelt und Obervermögensverwalter. Zyniker glaubten eher an ein Schweigegeldabkommen.

Eje, der Großonkel des Thronanwärters, nahm die Rolle des Erziehers für den kleinen Tutanchaton an und führte nun offiziell als Wesir dessen Regierungsgeschäfte. Damit hielt er alle Fäden der Macht in seinen Händen, und gewissermaßen eine kostbare Geisel dazu. Als wahrer Vernunftmensch hielt Eje das gegebene Versprechen zu Ehren seiner Schwester. So sorgte er im Namen des jungen Königs dafür, dass dieser Unglück bringende Aton-Kult ein Ende nahm. Dies kam aber keinesfalls einem Bildersturm gleich, sondern war eher ein Prozess der Ausschleichung. Tutanchaton nahm den Namen Tutanchamun an. Die Hauptstadt Achetaton wurde geräumt und die Regierung verlagerte ihren Sitz wieder zurück nach Theben, der der Rang des Regierungssitzes zugesprochen wurde. Der junge König bestieg den Thron und proklamierte die Rückkehr zu den alten Göttern. Sämtliche Priester kehrten daraufhin in ihre Tempel zurück und wurden in ihrem Amt bestätigt. Vergrabene Goldgötzen kamen wieder aus ihren Verstecken zurück ans Licht der Sonne.

Die Bevölkerung atmete auf. Es musste den Eindruck erweckt haben, als sei eine schwere Last, oder ein Fluch von ihren Schultern genommen worden. Es folgten Zeiten der Stabilität und des Wohlstandes. Der junge König bekam Anchesenamun, seine Halbschwester, zur Frau. Aus dem Kindkönig wurde langsam aber sicher ein junger, immer selbstbewusster werdender Mann. Ein Mann der die Zeit für gekommen hielt, selbst zu regieren, und der jeden Tag einen Thronfolger zeugen könnte. Ejes Rat fand nicht mehr so viel Gehör wie zuvor, was den alten Mann sehr verbittern musste. Es kam zwischen König und Berater immer öfter zu Spannungen. Gewiss ist jedoch, dass der junge Pharao seinen Großonkel, früher oder später, in den wohlverdienten Ruhestand zu schicken beabsichtigte. Der Ton wurde eisiger, die Situation spitzte sich zu und drohte zu eskalieren.

Die königlichen Speichellecker steckten die Köpfe zusammen und tuschelten. Tagtäglich wurden die Quoten der Wetteinsätze geändert. Immer öfter sah man Eje und Haremhab bei konspirativen Gesprächen. Sie könnten so verlaufen sein...

Eje: »Wir sollten uns von diesem Hosenscheißer nicht die Früchte unserer Arbeit zerstören lassen. Haremhab, wir sollten dringend etwas unternehmen!«

Haremhab: »In der Tat, er wird langsam frech. Und was gedenkst du, sollten wir tun?«

Eje: »Denk dir etwas aus, aber lass es wie einen Unfall aussehen...«

Dieser Plan konnte offenbar leicht in die Tat umgesetzt werden, denn der junge Pharao besaß eine große Leidenschaft für die Jagd mit dem Streitwagen. Und so überraschte es nicht, als seine Bediensteten ihn mit einem zerschmetterten Bein in das königliche Gemach trugen. Dieser Jagdunfall machte seiner vielversprechenden Karriere einen abrupten Strich durch die Rechnung. Die Stimmung war bedrückt, als Tutanchamun im zarten Alter von achtzehn Jahren, ohne einen Nachkommen gezeugt zu haben, das Zeitliche segnete. Damit war die eigentliche 18. Dynastie erloschen.

Nach Tutanchamuns Tod stand nicht einmal die Frage offen, wer als Nächster die Doppelkrone des Königreichs tragen sollte. Zur Beisetzung des jungen Pharaos war es Eje, der Pate vom Nil, der die Mundöffnungszeremonie an ihm vornahm. Dieser Ritus wird im Regelfall stets vom Nachfolger betrieben und dient dem Zweck, dass der verstorbene Pharao im Jenseits essen und trinken kann. Da die mächtigen Priester offensichtlich mit Eje sympathisierten (eine Hand wäscht die andere), stand dessen Thronbesteigung nichts mehr im Wege. Geld verdirbt eben den Charakter und Macht korrumpiert. Um den Anstrich eines Königs zu wahren, nahm Eje seine Enkeltochter/Großnichte Anchesenamun zur Frau, die Große Königliche Gemahlin Tutenchamuns, die nun zu dessen Witwe geworden war. So bizarr das alles wirken mag, gab es jedoch einige außenpolitische Argumente, die diesen Schritt rechtfertigen. Nach Echnatons Herrschaft schien im Allgemeinen niemand sonderliche Lust auf weitere Experimente zu verspüren. Eje hatte über all die Jahre bewiesen, welches Herrscherpotenzial er beherbergte. Zudem durfte es kein Machtvakuum geben, da das wohlhabende Ägypten schon von jeher Begehrlichkeiten bei den Nachbarvölkern weckte. Zudem gab es zuvor bereits Krieg in Nubien, Syrien und Palästina. Immer wieder drangen die Feinde aus dem Norden ins Land, konnten dank Haremhabs Kriegskunst jedoch wieder zurückgedrängt werden. Ein verwaister Thron und Regierungsstreitigkeiten, hätten für Ägyptens Feinde wie eine Einladung gewirkt, sich ein großes Stück vom Kuchen abzuschneiden. Also, warum sollte man nicht auf das Altbewährte zurückgreifen?

Jeder der die Geschichte der letzten Angehörigen der 18. Dynastie verfolgt, fühlt sich an ein wahres Shakespeare-Drama erinnert. Eje weist starke Parallelen zu Richard III. auf.

Um auf Englands Thron zu gelangen, ließ Richard of Gloucester seine Neffen Edward V. und Richard of Shrewsbury, zuerst zu Bastarden erklären, um sie anschließend in den Londoner Tower zu sperren, woraufhin diese dann sang- und klanglos vom Angesicht der Erde verschwanden, während es sich Richard auf dem Thron so richtig schön gemütlich machte. Er beabsichtigte sogar, nach dem Tod seiner ersten Frau Anne, seine eigene Nichte Elizabeth zu heiraten, damit sie ihm einen legitimen Erben aus dem Hause York gebar.

So gesehen, waren die alten Ägypter wieder einmal ihrer Zeit weit voraus. Denn zu deren Zeiten lebten die Engländer wahrscheinlich noch in bescheidenen, primitiven Hütten und waren noch nicht einmal eine Kolonie Roms.

Die Zeit meinte es gut mit Haremhab, denn Eje war schon ein betagter Mann, als er die Doppelkrone Ober- und Unterägyptens erwarb. Pharao Eje starb im vierten Regierungsjahres.

Und jedermann musste bewusst werden, dass dieser Dynastie langsam aber sicher die Thronanwärter ausgingen. Offiziell wurde er nicht von seinem Vorgänger zum König designiert, da in Haremhabs Adern kein königliches Blut floss. Er entsprang einer bürgerlichen Familie aus Hut-nesu, im 18. oberägyptischen Falkengau, und war lediglich Echnatons Schwippschwager. Darum griff er auf eine List zurück. Wenn schon nicht von königlicher Geburt, dann wenigstens von göttlicher. So erklärte er Horus zu seinem Vater und sich damit zu dessen einzigen Sohn. Zudem tauchte eine sehr seltene Sternenkonstellation am Himmelszelt auf, die so nur alle 1456 Jahre in Erscheinung trat. Er besuchte den Tempel von Karnak, um das Orakel des Amun zu befragen und damit die Zustimmung des Gottes zu bekommen. Somit sahen alle ein Zeichen darin, dass Haremhab der Krone würdig sei.

Und er sollte sich als würdiger Gottkönig erweisen. Er erließ Gesetze, die die Missstände in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht beseitigen sollten. Er ordnete Opfergaben und Erneuerungen der Tempel an. Er ließ Echnatons Sonnentempel schleifen und benutzte dessen Tatlatat-Steine dafür, um damit die von ihm neuerbauten Pylonen des Amun-Tempels aufzufüllen. Gewissermaßen schoss er sich mit dieser Handlung ein echtes Eigentor; wären diese Steine nicht von den späteren Archäologen gefunden und untersucht worden, hätte niemand etwas von Echnatons Existenz erfahren, denn Haremhab ließ systematisch alle Spuren seiner drei, bzw. vier Vorgänger ausradieren. Gewissermaßen führte er die Korrektur der Geschichte mit Hammer und Meißel durch, sodass die Nachwelt denken musste, er sei der direkte Nachfolger von Amenophis III. Was ihn dazu bewog bleibt fraglich. Mag sein, dass er ein dunkles Kapitel der Geschichte Ägyptens ein für allemal abschließen wollte - oder, was einleuchtender wäre - seine eigenen Schandtaten zu vertuschen, indem er so tat, als wäre das alles niemals geschehen. Letztendlich muss jeder am Tag des hohen Gerichts für seine Taten gerade stehen. Die Ägypter glaubten an ein Leben nach dem Tod, weshalb sie auch einen mächtig großen Aufwand betrieben, was den Bau und die Vorbereitung ihrer Grabkammern betraf.

Womit wir dort angekommen sind, wo wir mit unserer kleinen Exkursion durch Ägyptens Geschichte begannen.

Nun war Haremhabs Tag des hohen Gerichts angebrochen, doch sollte seine Seele bangen Herzens weiterhin warten. Selbst nach der Mumifizierung und den rituellen siebzig Tagen, kam Anubis immer noch nicht, um Haremhabs Herz zu wiegen. In der Tat eine schlimme Sache, da der Totengott entschied, ob der Pharao ins Reich der Unsterblichkeit eingeht, oder sein Herz von Ammit der Fresserin verschlungen wird, was bedeutet, dass es kein Leben nach dem Tod für ihn gab. Haremhab ließ sich nicht einschüchtern, er war ein harter Bursche und konnte warten. Selbst nach der Mundöffnungszeremonie die sein Protegé, der Wesir Ramses, an ihm vollzog, und der nachfolgenden Grablegung im Tal der Könige, wartete er weiterhin geduldig auf die Dinge, die da kommen sollten.

… Tag und Nacht vergingen. Die glorreiche Dynastie der Ramessiden regierte und wurde von anderen abgelöst. Alexander der Große schaute vorbei und nahm das Land in Beschlag. Die Ptolemäer kamen an die Macht. Ein neues Imperium wurde geboren. Ägyptens Stern sank, das Land verkam zur Kornkammer Roms. Einheimische verschleppten die Mumien mit den Särgen aus ihren Grabkammern, warfen sie einfach durcheinander, durchwühlten die Binden der Toten nach Skarabäen und Amuletten, raubten Gold und kostbare Grabbeigaben. Derlei Menschen, die vergessen hatten, was ihre eigenen Schriftzeichen bedeuteten, die keinen Respekt mehr vor den alten Göttern zeigten. Das römische Imperium ging unter. Weiterhin vergingen Tage und Nächte. Stimmen, die in fremden Zungen sprachen, verfrachteten Sarkophage auf Schiffe. Meeresrauschen, Helligkeit und neugierige Blicke. All dies geschah, nur Anubis Anwesenheit fehlte... Doch aus welchem Grund?

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Vampire essen keine Pasta

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