Читать книгу Vampire essen keine Pasta - Elke Bulenda - Страница 4

Was zuvor geschah:

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An Haremhabs Todestag, kam der Totengott Anubis aus der Nekropole West-Thebens und durchquerte die brennend heiße Wüste in Richtung Theben-Ost. Der Nil wirkte wie eine natürliche Grenze zwischen Leben und Tod. In einer Hand trug Anubis eine große Waage, in der anderen die Feder der Maat, und unter seiner Achsel klemmte ein Anch. Ihn begleitete Ammit, die dämonische Fresserin, ein Mischwesen aus Krokodil, Löwe und Nilpferd. Der Weg durch die Wüste nach Ost-Theben war beschwerlich, die Sonne brannte heiß auf Anubis´ dunkle Haut. Der Schakalköpfige sah auf die Papyrusrolle, um sich zu vergewissern, wohin ihn sein Auftrag diesmal führen sollte.

»Wieder so ein Tropf! Egal, ob Pharao oder nicht, vor mir sind alle gleich. Wer weiß, vielleicht fällt für dich heute noch ein fetter Happen ab?«, sprach Anubis zu Ammit.

Diese sah auf, sagte: »Yumm, yumm!«, und wedelte mit ihrem Stummelschwanz. Anubis nahm seine Aufgabe sehr ernst. Niemand entkam ihm, jedem wurde der ihm zugehörige Platz zugewiesen, den er durch eigene Taten verdiente. Anubis wog das Herz bei jedem gewissenhaft mit der Waage. Wog das Herz schwerer als die Feder der Göttin Maat, war es Ammits Aufgabe dieses zu verschlingen. War das Herz leichter, oder genauso schwer wie Maats Feder, durfte der Verstorbene ins ewige Leben aufbrechen, wo ihn Glückseligkeit, Bier und Brot erwartete.

Anubis warf einen Blick hinter sich. Er machte eine Staubwolke aus, offensichtlich von einem Fuhrwerk aufgewirbelt, die rasch näher kam. Er verdrehte die Augen, als er erkannte, wer auf der mit Flammen bemalten Wagenkanzel stand: »Dieser übereifrige Azrael, gesandt von Jahwe! Dabei hat Echnaton doch schon hinlänglich bewiesen, dass Monotheismus ein Irrglaube ist!«

Azrael hingegen schien Anubis noch nicht wahrgenommen zu haben. Kein Wunder, wo sich der Totengott doch gern in einem kleinen Sandsturm zu tarnen pflegte. Leider schenkte Azrael dem vor ihm liegenden Sandsturm keine Aufmerksamkeit, weil gerade von Westen her, eine wesentlich größere und äußerst bedrohliche Sturmfront aufzog. Der Engel des Todes wollte dieser selbstredend ausweichen, bevor sie ihn erwischte.

Schon von jeher galten Sandstürme als äußerst tückisch; sie bewegen sich mit einen Tempo, dem niemand so schnell entkommen kann, zudem ändern sie unberechenbar und abrupt die Richtung. Dieser Sturm wirkte wie ein hungriges Lebewesen. Und ehe Azrael etwas unternehmen konnte, umhüllte ihn bereits die Dunkelheit. So rammte Azrael unbeabsichtigt Anubis, der in der undurchdringlichen Finsternis nicht auszumachen war. Anubis, von den beiden Pferden des Gespanns niedergetrampelt, blieb reglos und halb begraben im Sand liegen. So schnell wie der Sandsturm aufgezogen war, verschwand er wieder. Azrael warf noch einmal einen Blick über die Schulter, spuckte einen Mundvoll Sand aus und bemerkte: »Huch! Ich glaube, da habe ich gerade eben einen Schakal, ein Nilpferd, einen Löwen und ein Krokodil überfahren!«

Nur zum Anhalten blieb ihm keine Zeit. Die hebräischen Sklaven, die tagtäglich für den Pharao schuften mussten, bedurften seiner Hilfe. Wieder einmal war so ein armes Schwein an Entkräftung dahingeschieden, dessen Seele er retten musste. Der Todesengel vergewisserte sich, ob er nicht in diesem Chaos sein Chepesch (Sichelschwert), oder eine der beiden Urnen verloren hatte. Nein, alles war noch an seinem Platz. Also ging die Reise hurtig weiter. Schließlich nahm auch Azrael seine Aufgabe ziemlich ernst.

Neben dem bewusstlosen Totengott tauchte ein Jüngling auf, der Ammit etwas zuwarf, das wie ein herausgerissenes Antilopenherz aussah: »Hier Ammit, wenn er dich fragt, ob ihr schon in Malkatta ward, nickst du mit dem Kopf, ist das klar? Der alten Zeiten wegen, denk dran!«

Die derart bestochene Fressdämonin Ammit leckte ihr Maul und bestätigte: »Yumm, yumm!«

Der Jüngling kniete neben dem Totengott, packte ihn an den Füßen, drehte den Besinnungslosen in die entgegengesetzte Richtung und tätschelte diesem dann vorsichtig die Wange. »Hey, Anubis. Alles klar mit dir?«

Anubis´ Lider zitterten einen Moment, ehe er die Augen aufschlug. Dann richtete er sich schnell auf, was er daraufhin gleich wieder bereuen sollte. »Ah! Mein Kopf!«, stöhnte er. Dabei fiel ihm auf, dass etwas Wesentliches fehlte. Tastend suchte er sein Nemes-Kopftuch, fand es, schüttelte den Sand heraus und platzierte es wieder auf seinen Kopf. Nachdem seine Würde einigermaßen wieder hergestellt war, blickte er den Jüngling misstrauisch an. »Was ist denn los? Ich erinnere mich an nichts. Warum liege ich hier im Wüstensand?«

»Oh, du kamst gerade aus Richtung Theben-Ost, als dich jemand über den Haufen fuhr. Ich glaube, es war der Todesengel der judäischen Sklaven. Meiner Meinung nach, sollte Pharao sie ziehen lassen, sonst gibt es eines Tages noch eine Katastrophe.«

»Ich kam aus Theben-Ost?«, fragte Anubis verwirrt, der sich vermutlich nicht erinnern konnte, Ägyptens Lebensader, den Nil, überquert zu haben.

»Ja, gewiss doch! Hast ganz schön was abbekommen«, nickte der Jüngling. »Frag doch Ammit!«

Anubis sah zur Dämonin: »Ammit? Waren wir schon drüben in Malkatta?«

»Yumm, yumm!«, nickte Ammit und wedelte.

»Nun gut, dann ist ja alles bestens... Ach du heilige Schakalscheiße! Wie sieht denn meine Waage aus!«, entwich es Anubis. In der Tat sah das Präzisionswerkzeug ziemlich ramponiert aus. Auch die Feder der Maat war zerknickt und beschmutzt. »Verdammt! Ich muss doch gleich nach Memphis! Jetzt kann ich wieder zurück latschen und sehen, wie ich den Schaden behoben bekomme!«

Der Jüngling gab ein Schnalzen von sich. »Das ist eine echte Schande! Darf ich dir auf die Beine helfen, großer Anubis?«

Der Schakalköpfige nahm die Hilfe an. »Danke, mein Sohn... Äh, bist du nicht der Dschinn von Tutanchamun?«

Ihm kam dieser Bursche sehr bekannt vor.

»Was machst du hier draußen?«

Der Jüngling zeigte seinen Kupfermeißel und den Klöppel, der wie ein steinerner Pümpel aussah. »Ich bin Farouk Neke el Abdul, und ich war der Dschinn des jungen Tutanchamun - möge sein Ruhm ewig glänzen - bis zu dem Tag, als er von diesem infernalen Duo namens Eje und Haremhab ermordet wurde. Jetzt muss ich wieder Steine klopfen und ausgerechnet die Namen ausradieren, die es wert wären, in die Geschichte einzugehen. Aber ich will mich nicht beklagen, es hätte schlimmer kommen können.«

»Ja, an den jungen Tutanchamun Osiris erinnere ich mich sehr gut. Er wäre ein wahrhaft göttlicher König geworden«, sprach Anubis. »Sein Herz war so leicht wie das eines Kindes. Gewissermaßen war er das ja auch noch. Aber sag Dschinn, deine Anschuldigungen wiegen schwer. Woher willst du wissen, dass Tutanchamun ermordet wurde. Meines Erachtens starb er bei einem Jagdunfall. Warst du dabei?«

»Nein, ich war nicht dabei, denn Eje entsandte mich an die Grenze im Norden, weil dort die Chatti (Hethiter) einfielen. Doch zuvor warnte ich Tutanchamun, er solle nicht zur Jagd gehen, weil er sich mit seinem Großonkel überworfen hatte.«

Für den Dschinn kam es zuerst einer Strafarbeit gleich, als Babysitter fungieren zu müssen. Aber im Laufe der Jahre, war ihm der junge Pharao sehr ans Herz gewachsen. Für ein so altes Wesen wie den Dschinn, erschien es, als wäre es erst gestern gewesen, als er in Achetaton vor einer Stele stand und von Echnatons oberstem Bildhauer, Bak, der sich dabei mächtig die Haare seiner Perücke raufte, einen heftigen Anschiss kassierte.

»Was hast du da nur getan? Ich werde dich dafür mit der Silberpeitsche bestrafen lassen, du bösartiger Dschinn! Was hast du dir nur dabei gedacht?«

Farouk zuckte mit den Schultern. »Was soll daran falsch sein?Du sagtest mir, ich solle die Gravur so ausführen«, grinste er frech.

In dem herrschenden Tumult bemerkte niemand der Anwesenden die Sänfte, die rasch näher kam. Erst als Leibwächter in Leopardenfell gekleidet riefen, alles solle sich zu Boden werfen, wurde allen klar, dass der Pharao zur Besichtigung vorbeikam. Eine große Gestalt warf ihren Schatten auf die am Boden Liegenden. Echnaton, ganz wie der Papa, war ein sehr hochgewachsener Mann.

Alle hielten den Atem an, als der Pharao an die Stele trat. Seine sonst so schweren Lider hoben sich und er zog nachdenklich die Augenbrauen in die Stirn. »Bak? Erhebe dich«, sprach er mit sanfter Stimme.

»Ja, Göttlicher?«, entgegnete der Oberste Bildhauer ängstlich.

»Bak? Was ist das?«, fragte Echnaton und zeigte auf die Gravur.

»Göttlicher, dies ist das Werk von diesem Dschinn!«, wälzte Bak die Verantwortung von sich.

»Du, Dschinn, erhebe dich«, forderte Echnaton.

Der Dschinn kam dem Befehl nach.

Echnaton sah ihn an. »Ich kenne dich, du zeigtest mir, als ich noch ein kleiner Junge war, wie man im Tempel der Bastet Katzen fängt und ihnen eine Fackel an den Schwanz bindet, richtig? Du bist doch Farouk, oder?«

»Ja, ich bin Farouk Neke el Abdul, der Erfinder des Talatat«, grinste der Dschinn. »Und ja, das mit den Katzen stimmt.«

»Moment mal. Men, der Oberste Baumeister sagte, er habe den Talatat erfunden«, stellte der Pharao fest.

»Das behauptet er vielleicht. Wahrscheinlich will er nicht zugeben, dass so ein niederes Wesen wie ein Dschinn, diese Bausteine erfunden hat.«

»Hm, mag sein«, sinnierte Echnaton. »Könntest du mir trotzdem mal erklären, wieso ich auf dieser Stele abgebildet bin, indem ich mit dem nackten Hintern auf der Sonnenscheibe des Aton sitze?«

»Bak sagte, deine Backen sollten von Atons Strahlen gestreichelt werden«, bemerkte Farouk neunmalklug.

Echnaton sah den vorwitzigen Dschinn streng an und brach plötzlich in schallendes Gelächter aus. »Ah, jetzt verstehe ich. Dschinns müssen das ausführen, was man ihnen befiehlt!«

»Ja, Herr. Ich diene den Pharaonen schon sehr lange. Und da Bak sagte, Aton solle Eure Backen streicheln, tat ich das, was er von mir verlangte«, lächelte der Dschinn wie eine Sphinx.

Echnaton drehte sich zu Bak. »Das nächste Mal, solltest du dich ein wenig präziser ausdrücken. Bring das in Ordnung. Und sorge dafür, dass meine Familienmitglieder nicht wie Affen aussehen«, lächelte er noch immer belustigt.

»Ja, Göttlicher!«, schleimte Bak unterwürfig.

Echnaton winkte Bak davon, legte dem wesentlich kleineren Dschinn die Hand auf die Schulter und zog ihn mit sich. »Ich denke, Bak wird dich eine Weile nicht mehr sehen wollen. Mein Vater war nicht von den rennenden Katzenfackeln begeistert, doch mir gefiel das. Da fällt mir ein, ich hätte eine schöne Aufgabe für dich. Du wirst auf meinen Sohn aufpassen, als wäre er dein eigener Augapfel. Brrr! Bitte, stecke ihn wieder in die Augenhöhle, ich habe einen empfindlichen Magen!«

Und so kam es, dass Farouk der Begleiter des jungen Tutanchamun wurde. Er tröstete das kleine Kind, als dessen Vater starb, wachte am Bett des Jungen, wenn er Fieber hatte; brachte ihm das Fahren und Jagen bei. Kein Wunder, wenn ihn der Tod des jungen Pharao tief traf. Obwohl er sich nie etwas anmerken ließ, hegte er gegen Eje und Haremhab einen tiefen Groll.

»Na gut«, meinte Anubis, »ich will dich nicht länger aufhalten und mir bleibt ebenfalls die Arbeit liegen. Jetzt, wo ihr einen neuen Pharao habt, geht bald wieder das Bauen los, wie?«

»Gewiss, es hört nie auf«, nickte der Dschinn.

»Tja, dann ist Malkatta also erledigt... Also hat Haremhab bekommen, was er verdiente. Tja, vielen Dank für deine Hilfe und so...«, sagte der Totengott, sah noch einmal verwirrt in Richtung Ost-Thebens und wankte hinkend mit Ammit davon.

»War mir ein Vergnügen«, grinste der Dschinn, mit sich und der Welt zufrieden. Als Anubis aus seinen Augen verschwand, murmelte er zufrieden: »Ja, er wird bekommen, was er verdient, da bin ich mir sicher. Das tat ich nur für dich, kleiner Tut. Möge dein Name unsterblich bleiben!«

*

Vampire essen keine Pasta

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