Читать книгу Der dämliche Dämon - Elke Bulenda - Страница 9

Im Reich der Akten ist der Bürokrat König.

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(Russisches Sprichwort)

Im Gang blieb ein Zentaur stehen, um meinen Kater Joey zu streicheln, denn dieser war mittlerweile von meiner Schulter herabgestiegen, um sich ein wenig die Füße zu vertreten.

»Schnurrrrr!«, sagte Qwertz und lief weiter, nachdem die Streicheleinheiten versiegt waren.

»Du bist ein denkbar schlechter Katzenimitator!«, bemängelte ich. »Du musst nicht ›schnurrrrr‹ sagen, sondern selbst schnurren!«, schüttelte ich den Kopf.

»Und dir geht wohl nie der Beschwerdestoff aus, wie?«, blieb er erstaunt stehen und lugte in Richtung einer oliv gekleideten Menschenansammlung. »Haben die da etwa auch alle einen Termin bei Ambrosius Pistillum?«, fragte er mürrisch und musterte sie mit kritischem Blick.

»Wir haben erst in einer Viertelstunde den Termin bei Pistillum. Nein, das da, sind meine Oliven! Guck sie dir an, wie sie da herumlungern! Ich hasse jeden Einzelnen dieser Knalltüten! Leider Gottes bin ich ihr Ausbilder, obwohl ich echt nicht weiß, was ich diese Volltrottel lehren soll. Sie können nicht mal ordentlich freihändig stehen, ohne umzufallen. Wie soll ich ihnen die Raffinessen des Kampfes und der Tarnung beibringen?«

»Oh, du magst deinen Job nicht sonderlich, wie?«

»Ich bin schon ziemlich alt, leider habe ich die Hälfte meines Un-Lebens damit vergeudet, aus ungeschickten Rekruten, ordentliche Soldaten zu machen. Als ich hier bei Salomons Ring unfreiwillig in Lohn und Brot genommen wurde, durfte ich wenigstens im Außendienst arbeiten. Ich war der Teamleiter unserer Eingreiftruppe. Das war wenigstens noch bedingt aufregend, doch wenn ich diese Pfeifen sehe, könnte ich mein Frühstück wieder auskotzen. Leider ist das ein Zugeständnis, das ich meinen Kindern machen musste, nachdem ihre Mutter ermordet wurde. Sie sollten ihren Vater nicht auch noch verlieren. Tja, statt in der Welt herum zu jetten, muss ich mich nun um die da kümmern. Still jetzt, ich will nicht, dass sie mich für verschroben halten, weil ich mit einem Kater rede!«, näherte ich mich ihnen, schloss den Unterrichtsraum auf und ließ sie eintreten.

»Morgen!«, nuschelten sie.

»Morgen, ihr Luschen! Ich bin heute extra zu spät gekommen, damit ihr mal seht, wie nervig das ist, auf andere warten zu müssen. Außerdem habe ich meine Kampfkater dabei. Wer nicht spurt, bekommt ihn in die Fresse geworfen. Dicke Matten auf den Boden, aber dalli!«, kommandierte ich.

Eher gemächlich machten sie sich daran, die dicken Polstermatten über den Hallenboden zu verteilen.

»Aufgemerkt! Wir kommen heute zu der Königsdisziplin der Kampftechnik, dem sogenannten Nahkampf. Im Gegensatz zum Fernkampf, der über weite Distanzen mit Fernwaffen und viel Glück ausgetragen wird, ist der Nahkampf immer noch die schnellste Möglichkeit eliminiert zu werden, weil man eben in Armeslänge des Gegners steht. Um nicht selbst dran glauben zu müssen, sondern den vorzeitigen Abgang dem Feind zu überlassen, müsst ihr ihm immer einen Schritt voraus sein! Okay?«

Zögerliches Nicken. Diese Deppen machten mich echt krank.

»Wie ich sehe, ihr habt verstanden«, meinte ich zynisch. »Folgendes Szenario: Du da, Oliver! Herkommen!«, zeigte ich auf einen x-beliebig austauschbaren Oliven. »Ach, komm schon!«, meinte ich genervt, weil der Typ jetzt schon die Hosen voll hatte. »Wie heißt du?… Nein, sag es mir nicht... weil es mir egal ist, du Opfer! Was machst du, wenn du mit deinem Feind in den Clinch gehst, ihr aber beide keine Waffe mehr zur Hand habt?«, fragte ich in der Hoffnung, er wüsste ansatzweise, wovon ich gerade sprach.

»Äh, keine Ahnung!«, meinte Oliver und blickte ängstlich.

»Du wirfst mit Wattebäuschen? Okay, ich demonstriere jetzt die beliebte Szene aus Funk, Fernsehen und Kino. Ein echter Klassiker: Showdown mit Strangulation! Was steht ihr da so herum und haltet Maulaffen feil? Los, auf den Gegner und würgt euch mal kräftig. Ich will mindestens einen Ohnmächtigen sehen!«, scheuchte ich sie auf die Matten und setzte mich genüsslich auf den Wattebausch-Oliver und tat als würde ich ihn würgen. »Während ich noch genug Luft habe, um ein Lied zu pfeifen, sieht es mit ihm da echt übel aus!«, deutete ich auf mein Opfer.

Es war eine Freude, sie alle mit hochrotem Gesicht am Boden zu sehen. »Also gut, ihr kennt die berühmte Szene; der Feind hat zufälligerweise die Oberhand und sitzt auf dem Helden und würgt ihn nach Leibeskräften. Ja, genauso wie ihr es gerade macht. Tja, dann ist man ganz schön angeschissen. Der Kerl hockt auf dir und würgt dich und beabsichtigt, dir das Zungenbein zu brechen. Du musst wissen, spätestens nach drei Minuten geht bei dir das Licht aus. Wenn er sich allerdings besser auskennt, dich von hinten in den Schwitzkasten nimmt und die Halsschlagader abdrückt, geht es wesentlich schneller. Aber gehen wir mal davon aus, er ist genauso ein Hirni wie du, und hat keine Ahnung. Also sitzt er auf dir drauf und würgt dich, Kraft seiner Hände. Hier kommt die Preisfrage: Was gedenkst du zu tun, um der Draufgänger und nicht der Draufgeher zu sein?«, fragte ich in die Runde. Als Antwort kam nur Ächzen, weil die Dämel sich noch immer gegenseitig würgten.

»Hey, ihr könnt jetzt loslassen, wir haben den ersten Ohnmächtigen. Na? Hat jemand einen blassen Schimmer, was zu tun ist, wenn ihr mächtig in der Klemme steckt?«

Es gibt noch Zeichen und Wunder, denn einer der Oliven meldete sich. »Da gibt es doch diese Sache mit den Augen. Man drückt seinem Feind die Daumen in die Augen!«, meinte der Rekrut, seines Zeichen ein Schwarzelf, überzeugt.

… Ich weiß bis heute nicht, wie die korrekte Bezeichnung für Hominiden mit dunkler Hautfarbe lautet, aber ich hoffe, es ist richtig, wenn ich sage, dass es sich bei ihm um einen Farbigen handelte, oder um ein Lebewesen mit extremer Pigmentierung, oder Melanismus, whatever...

»Okay, echt clever. Du bist also eine schwarze Olive? Komm her, würdest du das mit den Daumen mal an mir demonstrieren? Nicht schüchtern sein!«, bat ich ihn zu mir auf die Matte.

»Und du kannst abhauen, Glück gehabt!«, meinte ich zu meinem vorherigen Sparringspartner, der kurz vor einem Herzinfarkt stand, weil er totalen Schiss hatte. Ich wandte mich dem Schwarzen zu: »Du bist das Mädchen, du darfst unten liegen«, scherzte ich. Hämisches Lachen kam von den anderen. »Schnauze, ihr Deppen!«, fauchte ich. Sofort herrschte Ruhe. »So, zeig mal, wie du das mit den Augen meintest!«, nahm ich wieder die Haltung des Szenarios ein. Der Typ bekam echte Probleme.

»Äh, ich komme nicht an Ihr Gesicht heran!«, mühte er sich.

»Siehst du, wer lange Arme hat, bekommt die Kekse. Deshalb ist es auch Quatsch, was du erzähltest. Was nützt dir das Wissen, wenn du nicht an mich herankommst. Ich bin groß, du weniger. Jetzt an meine Augen zu kommen, wäre reine Glücksache. Aber wollt ihr euch von Fortuna, oder lieber vom Können und Wissen abhängig machen? Und ich sage euch, Fortuna ist eine Frau - und Frauen sind sehr launisch!«

Zustimmendes Nicken. Ich winkte ab. »Ihr könnt da wohl kaum mitreden, ihr seid doch großteils selbst noch Jungfrauen. Okay, ihr Milchgesichter. Worauf kann man sich grundsätzlich immer verlassen?«, wollte ich wissen.

»Auf den Steuerbescheid?«, fragte so ein Komiker.

»Witzig, aber nicht unrichtig. Steuern gehören zum Gesetz. Genauso wie die Physik ihre Gesetze hat. Ich gebe euch mal einen Tipp: Wie wäre es mit dem Hebel und dem Hebelgesetz?«

Erkenntnis flackerte in ihren Gesichtern auf.

»Weiß jemand, was ein Hebel ist? Guckt nicht auf mein T-Shirt. Es ist kein Schalterrätsel. Ach, erspart mir das Ratespiel, ihr Hohlköpfe! Ein Hebel ist eine kraftumformende Einrichtung, die dazu dient, mit geringem Kraftaufwand, eine verstärkte Wirkung zu erzielen. Ganz plausibel. Wir alle kennen das Prinzip des Hebels von Scheren, Brechstangen, Schraubenschlüsseln, Winden, et cetera, perge, perge«, sah ich in die Runde. Meine Oliven nickten zustimmend. »Okay, schwarze Olive. Jetzt darfst du mal den Mann spielen und oben liegen. Besorg´ es mir richtig hart, Baby!«

Der Schwarzelf setzte sich auf meine Brust und versuchte, mich zaghaft zu würgen.

»Hey, was soll das denn werden, wenn es fertig ist? Ich sagte, du sollst es mir hart besorgen, du Pfeife! Drück fester! Ich beiße nicht, jedenfalls nicht, solange du einen ungewaschenen Hals hast. Pass auf, jetzt schwimme ich mich frei«, brummelte ich.

Der Schwarze warf sich ins Zeug, legte seine Hände fester um meinen Hals und begann, mich kräftig zu würgen.

Ich klemmte meine Hände wie zum Gebet zwischen seine beiden Handknöchel, steckte sie weiter durch und öffnete sie. Mein Gegner konnte sich nicht mehr halten und fiel mir entgegen.

»Genau das meinte ich, mit dem Prinzip des Hebels. Wenn ich so gesehen versuche, meine Schultern zwischen seine Hände zu quetschen, wird er seine Kraft nicht mehr umsetzen können. Nicht vergessen: Es sieht wie ein Schwimmstoß aus, also schwimmt euch frei. Das funktioniert übrigens auch im Stehen. Dann aber mit Kniehochziehen. Nur wenn ihr das übt, solltet ihr unbedingt ein Suspensorium tragen. So, und jetzt schwimmt ihr euch so lange frei, bis ihr es im Schlaf beherrscht, was aber längst nicht heißen soll, dass ihr zwischendurch ein Schläfchen machen sollt. Vergesst nicht, euch abzuwechseln. Ich bin derweil mal ein paar Minuten fort. Ihr wisst, was ihr zu tun habt!«, verabschiedete ich mich von den Oliven.

Qwertz huschte mit durch die Tür. »Hm, du hast deinen Kindergarten gut im Griff. Ich bin tief beeindruckt und habe das Schauspiel in vollen Zügen genossen. In vollen Zügen, so wie Schwimmzüge...«, verdeutlichte er seine Aussage.

»Ja, ich habe den Witz kapiert!«, brummte ich. Wir durchschritten verschiedene Gänge, benutzten noch einmal den Lift und kamen danach endlich im Verwaltungstrakt an.

»Guck, hier arbeitet meine Schwiegermutter… und Molly«, bemerkte ich, und zeigte auf die Tür des Psychologen und Parapsychologen Dr. Dr. Ferdinand Gütiger.

»Ach ja? Wer ist denn diese Molly?«, fragte Qwertz neugierig. »Deine Freundin? … Und ist sie süß?«

»Ich habe keine Freundin«, winkte ich ab.

»Hm, aber sicherlich einen Betthasen, oder? So ein Kerl wie du, voll bis über die Hutschnur mit Testosteron? So jemand muss nicht aus reiner Not in den Puff gehen. Guck dir doch mal an, wie die Weiber dir hinterhersehen«, deutete er mit dem Kopf in Richtung Suzi Chen, die Tochter von Meister Chen, Spezialistin für Fernöstliche Kampfkunst, die mir die ganze Zeit schon auf den Hintern starrte und nun schnell weg guckte, als ich sie ansah. »Du bist ein V-Mann!«, sagte Qwertz.

»Nein, bist du blöd? Ich bin kein Spitzel!«, knurrte ich.

»Das hat doch gar nichts mit Spitzelei zu tun, sondern ist deine anatomische Form. Breites Kreuz, schmale Hüften. Also V-förmig. Du bist riesengroß und ein echtes Tier. Zwar kein Schönling im eigentlichen Sinne, aber so einen animalischen Kerl lassen die Weiber doch gern umsonst ran. Sie lieben es, sich mit einem Raubtier einzulassen, wo es ansonsten zu viele lasche Softies gibt. Du bist ein böser Junge und die kriegen immer die Bräute. Ach, komm schon! Du machst es dir bestimmt nicht selbst. Du hast einen Bettwärmer!«, drängte er.

»Ja, es gibt da den einen oder anderen Betthasen«, gab ich zu.

»Molly ist einer davon?«, bohrte er weiter.

»Ja, einer...«, grunzte ich.

»Oh, du Schwerenöter. Kenne ich die anderen?«, fragte er.

»Geht dich nichts an! Schluss jetzt mit diesem vertraulichen Geschwurbel! Wir sind da«, grummelte ich. Schließlich musste ich nicht vor ihm mein ganzes Privatleben ausrollen. Mir sagte er über sich persönlich nämlich so gut wie gar nichts. Nicht mal, wieso er sich vehement sträubte, den Körper meines Katers zu verlassen. Aber das würde ich ohnehin herausfinden.

Gemeinsam betraten wir das Vorzimmer des Magus Ambrosius Pistillum. Damit begaben wir uns auf das Territorium der Orkin Ägidia Betterman.

»Name?«, fragte sie, ohne von ihren Schreibarbeiten aufzublicken. Sie gab sich niemals freundlich, wenn sie mit anderen sprach.

»Mein Name ist Ragnor McClane. Ich habe einen Termin beim Magus Ambrosius Pistillum, um 8.15 Uhr.

»Ich weiß, selbstredend gab ich Ihnen diesen Termin. Nehmen Sie bitte noch einen Augenblick Platz«, sagte Ägidia freundlich und wies mit dem Finger auf die weiche Ledersitzgruppe.

»Hääää?«, fragte ich. Nicht weil ich irgendetwas nicht verstanden hätte, sondern weil Ägidia freundlich zu mir war. Ich kannte sie schon, seit Ambrosius sie als sein Zerberus eingestellt hatte. Jedoch war sie noch nie zuvor zu mir, geschweige denn zu jemand anderen, freundlich gewesen.

»Etwas nicht verstanden?«, fragte sie. Ich schüttelte den Kopf. »Ach, was bist du doch für ein niedliches Kätzchen!«, tätschelte sie den Kater, der wieder: »Schnurrr!« sagte und sah auf. »Haben Sie vielleicht noch ein paar Fragen, Herr McClane?«, fragte Ägidia und musterte mich. Und ich musterte sie. Irgendetwas war faul im Staate Dänemark.

»Nein, alles okay«, meinte ich und wechselte meinen Standort, um Ägidia genauer zu checken. Nichts war ungewöhnlicher als sonst an ihr. Dieser Umstand machte mich erst recht misstrauisch, also betrachtete ich sie mit meinem Aurenblick.

… Nein, unmöglich. Langsam glaubte ich, unsere Mitarbeiterinnen würden vielleicht von einer Epidemie heimgesucht. Denn auch Ägidia Betterman war guter Hoffnung. Den Samen konnte nur einer gelegt haben. Ebenfalls ein Mitbringsel unseres letzten Italienaufenthalts. Der Oger Elmo trug zwar ein Kleid, als wir ihn das erste Mal sahen, doch Ägidia hatte ohnehin die Hosen an - und obendrein eine Schwäche für Elmo. Ich war wirklich geplättet. Kaum brach das Frühjahr an, vermehrte sich unsere Belegschaft explosionsartig. Was würde eigentlich dieses seltsame Mischwesen für eine Bezeichnung tragen? Orkoger, Ogerork. Okgre? ...

Der Kater sprang von ihrem Schreibtisch und schlenderte lässig zu mir herüber. »Na? Ob es wohl etwas mit mir zu tun hat, wenn plötzlich alle Bräute schwanger werden?«, fragte er leise

»Halt dich bloß von Molly fern!«, knurrte ich, weil ich so etwas nun überhaupt nicht gebrauchen konnte. Einmal völlig unerwartet Vater zu werden, hatte mir schon gereicht, obwohl Agnir eine echte Freude für Amanda und mich gewesen war.

Ägidia hielt ihr Headset, und nickte. »Ja, ich lasse ihn ein«, bestätigte sie Ambrosius´ Bitte. Unter ihrem Schreibtisch betätigte sie den Entriegelungsknopf für die Tür des Ringleiters.

»Herr McClane, Sie dürfen eintreten«, sagte Ägidia, ohne mich anzubrüllen… Wirklich verwirrend der Umstand.

»Okay«, nahm ich den Entitäten-Kater hoch und schritt zur Tür und trat ein, ohne zu klopfen. Ambrosius wusste bereits, dass ich ihn sprechen wollte.

Der ehrenwerte Magus saß an seinem Schreibtisch, wo er sich ein paar Notizen machte. »Hallo Ragnor, nimm doch Platz«, bat er freundlich, wie es nun mal so seine Art ist.

Ehe ich allerdings den angebotenen Stuhl erreichen konnte, hatte ich schon wieder das elendige Stinktier Edward Mullen an meinem Sneaker hängen. Der Skunk versuchte mit wachsender Begeisterung, meinen Schuh zu begatten. »Edward aus! Ambrosius? Würdest du so gut sein, ehe ich es tue?«, fragte ich und drohte, meine Telekinese einzusetzen.

»Edward! Geh in dein Körbchen!«, mahnte der Magus. Keine Reaktion vom selig rammelnden Skunk. »Edward!«, gemahnte Ambrosius erneut. »Na gut! Ventus magis eurus quam in canistro!«, rief er und vollführte eine kompliziert anmutende Handbewegung. Das Stinktier wurde mit einem Windstoß vom meinem Bein gepflückt und landete in seinem Korb. Völlig verdattert sah es sich um - und mich recht vorwurfsvoll an.

»Was guckst du so? Ich war das nicht!«, grinste ich spöttisch.

Der Entitäten-Kater machte einen Buckel und sagte: »Fauchel!«, was mich die Augen verdrehen ließ.

Der Magus dachte wohl, ich deutete mit dieser Augenroll-Aktion auf seinen Edward, »Ach, lass Edward ruhig ein wenig schmollen. Er wird schon von selbst darauf kommen, weshalb es geschah. Nun, Ragnor, was kann ich für dich tun?«

»Hm, eigentlich weniger für mich, als für ihn. Los, gebe dich zu erkennen, Dämon!«, forderte ich von Qwertz.

Dieser verneigte sich höflich, putzte kurz über Joeys Fell und betrat den Schreibtisch. »Ehrenwerter Magus Pistillum, zuerst möchte ich dir freundliche Grüße von Lady Mala überbringen, als Zeichen einer zukünftig guten Zusammenarbeit mit der Spektralwelt der nördlichen Hemisphäre. Sie war es, die mich zu dir schickte. Mein Name ist Qwertz Uiopü Fufluns Pacha«, stellte sich der Kater vor.

»Sagtest du Fufluns Pacha?«, fragte Ambrosius neugierig.

Ich schaltete mich ein und nickte. »Ja, ist etruskisch.«

»Das weiß ich selbst«, winkte er in meine Richtung und konzentrierte sich wieder auf Qwertz. »Du wirst aber auch Dionysos Bacchus, oder auch Dionysos Bassaros, Dionysos Lysios, oder auch Dionysos Polyônomos, also der Vielnamige genannt.«

Der Kater nickte. »Ich möchte hiermit betonen, dass ich kein Dämon bin, so wie der Große ständig behauptet. Ich bin eine Entität, kein Dämon!«, beharrte er. »Und ja, ich habe viele Namen und Gestalten, wurde von etlichen Kulturen angebetet. Jedoch möchte ich nicht großspurig wirken, denn es ist seitdem viel Zeit vergangen, nicht zu meinem Vorteil, wohlgemerkt.«

»Dieser Umstand ist mir durchaus bewusst. Wollen wir unter vier Augen reden?«, fragte der Magus vertraulich.

Dagegen hatte ich massiv etwas einzuwenden, weil diese Entität meinen Kater und mich so schamlos ausnutzte. Schließlich habe ich ihn zum Magus gebracht und wollte zumindest wissen, worum es eigentlich ging. Seine Geheimniskrämerei ging mir auf den Sack. »Nee, ich will meinen Kater nicht mit dem Dämonen allein lassen! Er hat ihn in Geiselhaft genommen!«

»Vertraust du ihm?«, fragte der Magus. Das fragte er übrigens nicht mich, sondern diesen Qwertz! Eigentlich hätte ich deshalb beleidigt sein müssen. Jedoch hielt ich mich zurück.

»Der Große ist schwer in Ordnung. Ich vertraue ihm. Schließlich hat ihn meine Chefin als vertrauenswürdige Person eingestuft. Und obwohl er sich weigerte, mich zu dir zu bringen, hat er es letztlich doch getan, was ich ihm sehr hoch anrechne! Obwohl er erst ruhiger wurde, als Harry mich erkannte. Außerdem lässt es sich in seinem Kater gut leben. Sehr bequem.«

»Und du hättest ja auch mal am Rande erwähnen können, dass du Dionysos bist. Anstatt mir so einen bekloppten Namen unterzuschieben, mit dem ich absolut nichts anfangen kann!«, reklamierte ich energisch.

Der Kater schüttelte den Kopf. »Du zeigtest dich nicht einmal beeindruckt, als Harry mich Bastet nannte. Dich interessierte es sogar mehr, ob ich ein Weib sei. Wenn ich dir den Namen Dionysos genannt hätte, hättest du wahrscheinlich behauptet, Erik der Rote zu sein. Solche Kerle wie dich, kenne ich gut!«

»Dann bist du also auch mal Stuffo gewesen? Der nordische Gott der Trunkenheit?«

»Genau, der war ich auch mal!«, behauptete er.

»Kannst viel behaupten, wenn der Tag lang ist!«

»Meine Herren!«, rief der Magus uns zur Vernunft. »Sag mal, Ragnor… Musst du nicht zurück, um deine Oliven zu unterrichten?«, fragte er misstrauisch.

»Die haben zu tun. Heute ist das Strangulieren mit Freischwimmer angesagt«, winkte ich lapidar ab.

»Okay«, meinte der Magus. »Na schön, Qwertz. Was führt dich zu mir? Du brauchst meine Hilfe? Das ist ein echter Präzedenzfall, dass ein Dämon… eine Entität, uns um Hilfe bittet.«

»Ja, und das auch noch, weil es um einen Menschen geht. Im Normalfall ist es anders herum. Aber lass mich dir mein Erlebnis schildern, dann wirst du mich verstehen!«, meinte der Kater und erzählte uns die Geschichte von der Hexe, die unschuldige Kinder entführte. »Nicht einmal im Krieg habe ich so etwas Schreckliches gesehen. Dieser Raum mit der Schlachtbank und den zerstückelten Körpern…«, würgte er. Und während er das tat, spuckte er doch tatsächlich einen Fellballen aus. »Sorry, das ist ekelhaft. Das gehört nun mal zur Gestalt einer Katze. Ups! Das mit dem Fellbatzen ist selbst für mich ziemlich widerlich… Tschuldigung«, bat Qwertz um Verzeihung.

Der Magus nahm ein Kleenex-Tuch und wischte den Haarballen vom Tisch. »Keine Ursache«, kommentierte er.

»Danke«, sagte Qwertz zerknirscht. »Weißt du eigentlich, wie viele Kinder seit 1951 verschwanden und nicht wieder auftauchten? Und somit noch immer als unaufgeklärte Fälle gelten?«, fragte der Götterkater.

Der Magus überlegte kurz: »Soweit ich weiß, sind es ungefähr 852 Kinder, die bis heute als spurlos verschwunden gelten. Ansonsten liegen die Aufklärungsquoten des letzten Jahres, was vermisste Minderjährige betrifft, beinahe bei einhundert Prozent, was aber auch an der immer weiter fortschreitenden Technik liegt. Heutzutage besitzt fast jedes Kind ein Handy, womit man seinen genauen Standpunkt orten kann.«

»Mag sein, aber ich weiß, was mit mindestens 120 dieser 852 vermissten Kinder passierte. Sie wurden von der alten Hexe Roxana gefressen! Ich weiß ja nicht, was genau sie den Kindern entnimmt. Wohl nicht alles, sondern irgendetwas, das sie benötigt, um sich zu verjüngen. Mir fällt ein, ich sah nirgends Schädel...«, bemerkte der Entitäten-Kater.

Etwas an seiner Geschichte erschien mir vertraut. »Sagtest du Roxana? Ist sie rein zufällig so eine Zigeunerin?«, fragte ich neugierig. Der Name Roxana erinnerte mich an die Runenstein-Macherin.

»Ragnor, du Rassist. Der Begriff Zigeuner ist zutiefst diskriminierend. Versuche es es mal mit ›Indigener Herkunft‹«, korrigierte mich mein Gutmenschen-Chef.

»Mir doch egal! Man kann sich wegen jedem Scheiß ins Hemd machen! Ich bin ein Vampir, der Menschen Langschweine nennt. Da kann ich doch wohl zu einer fremdländisch wirkenden Person Zigeunerin sagen!«

»Langschweine?«, fragte Qwertz amüsiert.

»Ist ein Insiderwitz… Also, du sagtest, diese Magische Fachkraft mit indigenem Hintergrund hieße Roxana?«

»Ja, die kleine Lena sagte, sie habe sich ihr als Roxana vorgestellt. Hm, du scheinst sie zu kennen? Diese Reaktion fiel mir bei deiner Verflossenen ebenfalls auf. Sie wurde seltsam hellhörig, sobald ich den Namen Roxana erwähnte.«

Ambrosius Pistillum schaltete sich dazwischen. »Moment mal, ehe ihr euch da in etwas hineinsteigert... Da es sich hier ganz offenkundig um eine, oder gar mehrere kriminelle Handlungen dreht, sollten wir unseren Verbindungsbeamten des Bundeskriminalamtes mit dieser Sache betrauen.«

So angefixt, wollte ich mich nicht einfach so wüst abwimmeln lassen. »Er wird fachkundige Hilfe gebrauchen können. Lass mich mit auf die Hexenjagd gehen«, bat ich meinen Chef.

»Nein, das ist nicht dein Job. Auf dich wartet heute ein ganz anderes Vergnügen. Du musst eine Arbeitsprobe vor Herrn Kiesbert von Dreistein ablegen. Dir ist doch bewusst, dass wir für unsere Firma das Qualitätsmanagement Prädikat ISO 9001 beantragen. Wir sind eine moderne Firma im Dienstleistungssektor und müssen mit der Zeit gehen.«

»Vitzliputzli! So ein Schmus, das ist Kokolores! Welchem Idioten ist denn schon wieder so ein dämlicher Hirn-Furz entsprungen? Doch nicht etwa dir?«, pöbelte ich aufgebracht.

»Harry meinte, damit schöpfen wir die volle Effizienz aus.«

»Harry, der Dekretler. Das ist ja mal wieder typisch! Und sollte ich rein zufällig bei der Arbeitsprobe durchfallen?«

»Dann wirst du nachgeschult, kein Thema«, sagte der Magus.

Qwertz meldete sich ganz bescheiden, indem er die Pfote hob. »Äh, dann ist der Große also nicht bei der Ermittlungsarbeit zugegen? Mir persönlich wäre es wirklich lieber, er käme mit. Denn er ersetzt uns schließlich eine ganze Armee.«

»Nein, tut mir leid. Alles was du weißt, musst du an unseren Verbindungsbeamten weitergeben, mit dem ich mich in Verbindung setze. Er wird sich melden. Zuvor wird er schon ein paar Fallakten heraussuchen, die wir mit den gegebenen Umständen abgleichen können. Du kannst gerne hier, bei mir warten«, schlug Ambrosius vor.

»Könnte ich noch ein wenig bei Ragnor und den Oliven zusehen? Dein Beamter weiß, wo er mich findet«, sprang der Kater von Schreibtisch. Dabei sah er mich verschwörerisch an. »Gehen wir!«

*

Der dämliche Dämon

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