Читать книгу Der Aushilfsvindicator - Elke Bulenda - Страница 3

Nicht alles, was glänzt, ist Gold.

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(William Shakespeare »Der Kaufmann von Venedig«)

Man mochte es kaum glauben, wie schnell der Sommer vergangen war. Mittlerweile zog der Herbst ins Land. Jene Art von Herbst, der mit aller Macht zeigte, was Sache war. Schonungslos ließ er seine Muskeln spielen und einen harten Winter vorausahnen. Der dazugehörige, heftige Sturm, der die ganze Nacht hindurch wie ein unbändiges Tier wütete, vergriff sich dabei an den Dachschindeln unseres Hauses, die am harten Boden der Realität in viele tausend Scherben zerschellten.

Schönen Dank auch! Jetzt konnte ich aufs Dach klettern, um den verursachten Schaden zu beheben! Nichts ist schlimmer, als ein Dachschaden, äh… ein undichtes Dach.

Zumindest verschonten die Orkanböen die mächtige Eiche im Rondell der Auffahrt. Es käme recht ungelegen, wenn der alte Baum beim Frühstücken direktemang durch unser Fenster »Guten Morgen!« gesagt hätte.

Und während ich am Nachmittag, nach Dienstschluss, im strömenden Regen, mürrisch das Chaos beseitigte, zupfte jemand energisch an meinem rechten Hosenbein. Zuerst glaubte ich, Schnauze, mein Freund, unser Cane Corso Hund, bettle mal wieder um Aufmerksamkeit. Dieser saß jedoch im Eingang, um nicht nass zu werden, während sein Herrchen regelrecht vor Nässe triefte. »Ja, ja! Soviel zur Treue vom besten Freund des Menschen, bzw. Vampirs!«, grummelte ich Augen rollend.

Besagter Hund hielt den Kopf leicht schräg, und beobachtete mit einem Gesichtsausdruck der absoluten Verwirrung meinen Hosenaufschlag, an dem es noch immer mächtig ruckelte.

»Hey, du! Pass doch mal mit deinem beschissenen Besen auf! Hier ist man ja seines Lebens nicht mehr sicher!«, fluchte das kleine Männchen. Es trug einen winzigen roten Koffer bei sich, der ungefähr die Größe einer Streichholzschachtel besaß.

»Na, das nenne ich mal eine Überraschung. Detlef!«, begrüßte ich den Kleinen Mann von der Straße.

...Wir machten unsere Bekanntschaft in der Nähe von Hameln, nachdem ich von einem Auto erfasst und anschließend von den Verursachern entführt worden war. Und da sie nicht wussten, dass ich ein Vampir bin, versuchten diese Entführer-Rotznasen doch tatsächlich, mich mit einem Defibrillator wiederzubeleben. Das traf nicht gerade auf meine Zustimmung, weshalb ich meinem Unmut mächtig Luft machte, um anschließend einen eleganten Abgang aufs Parkett zu legen. Leider erfasste mich dabei mein eigener Wagen, der von einem ungehobelten Gargoyle gefahren wurde, der weder einen Führerschein, geschweige denn, die blasseste Ahnung besaß, wie man eine ordentliche Vollbremsung vollführte. Nachdem ich wieder zu mir kam, noch ramponierter als zuvor, leistete Detlef, der Kleine Mann von der Straße, hingebungsvoll Erste Hilfe, die eigentlich nur daraus bestand, mit einem nassen Lappen mein schmutziges Gesicht zu reinigen. - Mit einem Tuch, welches kaum größer als eine Briefmarke war. Nachdem ich mich im Rückspiegel betrachtete - erstaunlicherweise wieder sauber -, schloss ich daraus, dass es für ihn eine immense Arbeit bedeutet haben musste. Aus Dankbarkeit gelobte ich, Detlef über den Winter bei uns zuhause aufzunehmen. Und offensichtlich hatte er mein gegebenes Versprechen nicht vergessen - im Gegensatz zu mir...

Detlef luhrte erwartungsvoll zu mir hinauf: »Ich hoffe, dein Angebot steht noch, was die Überwinterung in deinem Haus betrifft? Langsam werden die Nächte unerträglich kalt, und gestern blies mir dieser liederliche Sturm doch tatsächlich meinen Schuhkarton davon, womit er mich definitiv obdachlos machte. Da gedachte ich deiner Worte. Deshalb nahm ich flugs die Bahn, und den Rest des Weges trug mich ein freundliches Eichhörnchen. Und tja, was soll ich sagen? Hier bin ich!«

»Ernsthaft? Freundliche Eichhörnchen? Davon ist mir noch keines begegnet. Diese miesen Viecher zerwühlen ständig meine Blumenkübel, um darin ihre Nüsse zu verstecken, die sie anschließend einfach vergessen. Haben wohl so eine Art Alzheimer-Erkrankung, was ihre Lagerstätten betrifft. Du sagtest freundlich?«, hakte ich nach.

»Na ja, nachdem man ihren Willen gebrochen hat, sind sie eigentlich ganz umgänglich. Jedenfalls solange du auf ihrem Rücken sitzt, um den scharfen Nagezähnen fernzubleiben«, schmunzelte Detlef verschmitzt. »Wenn du willst, nehme ich mich deines Eichhörnchen-Problems an und verpasse ihnen eine Tracht Prügel, die sie ihr Leben lang nicht mehr vergessen werden!«, krempelte er demonstrativ die Ärmel auf.

»Nee, nee! Niemand wird hier verprügelt. Ich tendiere eher zur Schusswaffe. Gut, machen wir es kurz, ich habe noch zu tun. Gehen wir rein, ich zeige dir dein neues Reich«, hob ich den kleinen Wicht an, um ihn ins Haus zu tragen.

Detlef sah sich um und pfiff durch die Zähne. »Du wohnst hier ganz allein in diesem riesig großen Haus?«

»Nein, meine Schwiegermutter Annie und drei meiner Kinder wohnen ebenfalls hier. Und natürlich Harry, der Ehemann meiner älteren Tochter Jule-Thuja.«

»Und wo ist deine Frau?«, wollte er wissen.

»Habe keine Frau mehr«, gab ich mich wortkarg.

»Abgehauen, wie?«, feixte der kleine Kerl.

»Nein, Amanda wurde ermordet. Und was ist mit dir? Single, wie?«, hakte ich nach.

»Oh, das tut mir aufrichtig leid. Ich wollte keinesfalls taktlos erscheinen. Ja, Single. Guck mich doch mal an! Für jemanden der fünfzehn Zentimeter misst, ist es echt schwierig, eine passende Partnerin zu finden. Das müsstest du selbst wissen. Du riesiger Kerl bist schließlich auch nicht unbedingt Konfektionsware«, griente Detlef. »Oh, wow! Du hast sogar einen Pool im Keller!«, rief er begeistert aus. »Welch ein Luxus!«

»Das Bassin war bereits hier, als ich das Haus bezog. Dieses Gebäude war einst ein Sanatorium, und der sogenannte ›Pool‹ ist lediglich das Becken für die Hydrotherapie. Also komm mal wieder runter«, winkte ich ab. »Meine Kinder gehen in dem Becken schwimmen; mir hingegen ist das Wasser zu warm, ich schwimme lieber unter freiem Himmel, im See.«

Ich setzte ihn ab und öffnete den Abstellraum, entnahm Saschas altes Puppenhaus, das ich in den Heizungskeller trug, damit es der kleine Kerl schön warm hatte. Hinterher fragte ich mich, wo Detlef abgeblieben war. Der Winzling konnte schnell aus dem Blick und unter den Schuh geraten. »Detlef?«

»Yeeeehaaaa!«, rief er und kam auf unserem Hund herbei geritten. »Brrrrr! Halt, Brauner!«, hielt er sein Reittier an. »Na, da guckste, was? Das war die Hohe Schule der Dressurreitkunst!«

»Lass das, ärgere den Hund nicht! Er gehört zur Familie!«

»Okay«, sagte Detlef und hüpfte flink von Schnauzes Rücken. »Wenn ich mich recht entsinne, habt ihr noch eine sprechende Katze. Wie heißt sie doch gleich?«, fragte er listig.

»Er heißt Joey, und ist ein Kater. Allerdings sprach er nur, weil er von einem Dämonen namens Qwertz besessen war. Dennoch, Joey wird ebenso wenig geritten, wie Schnauze. Du wirst ihn in Ruhe lassen! Ist das klar?«, brummte ich genervt.

… Einst hasste ich den Kater abgrundtief, weil er stets wie aus dem Nichts im Haus auftauchte, selbst wenn es hermetisch abgeriegelt war. Niemand hat es gern, in seinem eigenen Haus von anderen Lebewesen misstrauisch beobachtet zu werden. Doch mittlerweile habe ich mich an den alten Streuner mit dem charakteristischen Knick-Ohr gewöhnt. Nun ja, ich mag ihn inzwischen, denn er zeigt mir jeden Morgen unmissverständlich, wie gern er mich hat. Joey ist das einzige Lebewesen dieser Welt, welches sich traut, auf meinem Bauch zu schlafen...

»Kein Problem!« Detlef stellte seinen winzigen Koffer im Puppenhaus ab und sah sich um. Vorsichtig setzte er sich aufs Bett und probierte mit seinem Po den Härtegrad der Matratze. »Sehr bequem!«

Anschließend knipste er neugierig die Lampen an und wunderte sich, wieso sie de facto funktionierten. Die Leuchten wurden von einer Batterie gespeist, die sich an der Rückwand des Puppenhauses befand.

Zufrieden nickte er. »Ist ja mal ein ganz anderer Schnack als mein schnöder, alter Schuhkarton!«

Als er die kleine Schranktür öffnete, war er daraufhin förmlich entzückt von dem, was er darin erblickte: »Da sind sogar Kleiderbügel in meiner Größe drin!«

»Klar, Sascha legte viel Wert darauf, dass es ihre Puppen komfortabel haben. Inzwischen ist sie aus dem Alter heraus, um mit Puppen zu spielen. Neuerdings interessiert sie sich für Jungs. Wie schnell die Zeit vergeht«, sinnierte ich. »Gut, ich bringe dir später ein paar neue Batterien herunter, nur für den Fall, dass die alte ihren Geist aufgibt. Und wenn du Wasser brauchst, in der Ecke steht ein Napf mit frischem Wasser, das du dir allerdings mit dem Kater teilen musst. Hm, und was die Hygiene betrifft... Benutze einfach das Katzenklo«, schlug ich vor. »Und lass deinen Müll nicht herumliegen, das ist asozial!«

»Kein Problem, Meister. Ich schrecke nicht mal vor Katzenfutter zurück, bin hart im Nehmen. Jawoll, Sir! Ich werde selbstredend alles tipptopp sauber halten, Ehrenwort«, salutierte er stramm. »Ich hoffe nur, hier wohnen keine Kellerwichtel!«

»Kellerwichtel habe ich bisher nicht gesehen. Sind sie etwa ein Problem für dich?«, fragte ich misstrauisch.

»Nö, nicht für mich. Jedoch könnte der Lärm oben stören, wenn ich diese Sau-Kerle verdresche!«, kicherte Detlef. »Ich habe nichts übrig für Winzlinge, die den Sinn ihres Lebens darin sehen, ständig mit Hammer und Säge an unnützen Sachen herumzuwerkeln. Meine Ruhe ist mir heilig, das ist alles«, winkte er lapidar ab. »Und übrigens, vielen Dank dafür!«, zeigte er auf sein neues Heim. »Das ist mehr, als ich mir erträumt habe.«

»Na prima, dann hoffe ich auf ein gutes Miteinander«, verabschiedete ich mich. »Muss jetzt weitermachen, das Dach reparieren.«

»Ja, man sieht sich!«, winkte der kleine Kerl und setzte sich auf die winzige Couch. Dort öffnete er seinen Koffer und entnahm ihm einen Fernseher, der aussah, als hätte er ihn aus einem alten Handy-Display gedengelt.

Beim Verlassen des Kellers hörte ich, wie Detlef sagte: »Mein Heim ist dort, wo mein Fernseher steht! Gut, dass ich dich noch retten konnte!«

Ein kleiner Schmatz ertönte, als er die Mattscheibe küsste…

Das Wetter war mir hold, es regnete zum Glück nicht mehr. Mit den Ersatzziegeln bewaffnet, kletterte ich durch die Dachluke und prüfte den Zustand des Daches. Glücklicherweise war der Schaden nur halb so schlimm, wie zuvor befürchtet. Das Ersetzen der Dachpfannen ging recht zügig vonstatten. Und während ich eine neue Ziegel in die klaffende Lücke einsetzte, landete genau neben mir ein Rabe, der mich kritisch observierte.

»Interessierst du dich neuerdings für die Tätigkeit des Dachdeckens, Cornelius?«, knirschte ich.

Der Rabe wuchs und nahm die Gestalt eines Mannes mit einer ziemlich wilden, grauen Lockenmähne an. Sportlich bekleidet mit einem grauen Sweatshirt-Troyer, trug er dazu eine verwaschene Blue Jeans und Sneaker. »Sieht professionell aus, wie du dort arbeitest!«, bemerkte er trocken und lächelte einnehmend, was ihn wesentlich jünger aussehen ließ. Cornelius ist der Typ Mann, bei dem man das Alter von dreißig bis fünfzig schätzen kann. Man fragt sich, ob der Dreißigjährige früh gealtert ist, oder ob sich der Fünfzigjährige gut gehalten hat.

Da Cornelius mein Vampirbruder ist, kann ich verraten, dass beides falsch ist. Er ist wesentlich älter. Viel älter.

Belustigt musterte ich ihn: »Was glaubst du denn? Ist ja nicht mein erstes Dach. Nanu? Heute trägt der feine Herr keinen obligatorischen Nadelstreifenanzug?«

»Nein, wohl kaum, wenn ich unterrichte. Dabei trage ich lieber legeres Räuberzivil. War wirklich schlimm, der gestrige Sturm, nicht wahr? Hat mächtig gerappelt. Dauert das noch länger bei dir?«, fragte er amüsiert.

»Sag mal, Connie. Kannst du nicht einfach auf Vampir-Art flüstern, oder dein dämliches Smartphone benutzen? Stattdessen machst du diesen Budenzauber und kommst wie der große Zampano auf mein Dach geflattert!«

Irgendetwas war Ambach, denn der Graue machte ein ernstes Gesicht, das für sich schon Bände sprach. Und ehe er anhob, um sich zu erklären, fiel ich ihm ins Wort.

»… Sag nichts, lass mich raten. Du kommst in der Funktion des Vampir-Ältestenrates, richtig?«, fragte ich gerade heraus.

Sein Nicken galt als Bestätigung: »Du weißt, dass du nicht einfach so ungeschoren davonkommst. Das hättest du dir vorher überlegen sollen, als du ich erdreistest, den Kater des Magiers Bovis in einen Vampir-Kater zu verwandeln. Nun, es nützt nichts, dir deshalb weiterhin Vorwürfe zu machen. Ich wollte dir persönlich diese Nachricht überbringen. Zudem muss ich dir sagen, dass du dich in dieser bevorstehenden Angelegenheit nicht überschätzen solltest. Das ist mein voller Ernst.«

»Okay, wollen wir das nicht lieber unten besprechen? Ich bin nämlich mit dem Dach fertig und habe keine Lust, mit meinem Gewicht die restlichen Dachziegel zu beschädigen.«

»Wäre mir recht. Ist ein wenig frisch hier oben. Trotzdem, eine tolle Aussicht, nicht wahr?«, zeigte er sich begeistert.

»Ja, du alter Romantiker. Sei hiermit herzlich eingeladen, über mein Dach zu fliegen, falls du deiner Süßen mal etwas Schönes zeigen willst. Sie wird entzückt sein!«, rollte ich mit den Augen. »So, Abmarsch!«, begab ich mich zurück zur Dachluke. Ich verharrte noch einen Augenblick, doch nachdem ich Cornelius nicht mehr wahrnahm, begab ich mich zurück ins Haus.

»Hier sind deine Unterlagen«, erwartete er mich bereits am anderen Ende der Stiege. Zudem trug er plötzlich einen Diplomatenkoffer bei sich und wedelte mit einer Akte.

»Ehrlich?! Was soll der Scheiß?!«, pöbelte ich ungehalten. »Mir ist durchaus bewusst, dass du magisch begabt bist, im Gegensatz zu mir! Musst du ständig dermaßen damit angeben?«, fauchte ich genervt. »Gib her! Worum geht es dabei eigentlich? Ich meine, außer einem bösen Vampir, der Menschen ermordete, und ich ihn deshalb kalt machen soll!«

»So viel sei verraten: Es geht um Gold«, sagte Cornelius vage.

»Echt jetzt? Um schnödes Gold? Ist ein Scherz, oder?«

»Hier geht es nicht nur um Gold, sondern unermesslich viel Gold!«, gab er zu verstehen.

»Wie viel Gold?«

»Sieh selbst«, tippte er auf die Akte, auf deren Deckel ein roter Stempelabdruck prangte, der »Streng geheim«, proklamierte.

»Warum befindet sich eigentlich auf geheimen Akten stets dieser dämliche Vermerk, dass deren Inhalt streng geheim ist?«, fragte ich enerviert. »Wenn´s nicht draufstünde, käme kein Depp auf die Idee, hineinzugucken! Das ist beinahe so, als würde ich ein dickes rotes X auf die Stelle malen, wo sich mein versteckter Wandsafe befindet! Das ist Schwachmatentum!«

»Willst du jetzt mit mir darüber diskutieren?«

»Nö, kam mir nur in den Sinn«, winkte ich ab und schlug die Akte auf und las. »Holla, die Waldfee! Und ich dachte schon, ich hätte einen beschissenen Tag! Da frage ich mich, wie eine einzelne Person das hingekriegt haben soll!«

»Und genau das ist deine Aufgabe. Die Fakten weisen darauf hin, dass unmöglich eine einzige Person am Werk gewesen sein kann. Dass ein Vampir seine Finger im Spiel hatte, belegen die am Tatort zurückgelassenen Spuren. Darum ist es eine Angelegenheit des Vampir-Ältestenrates. Mir ist klar, dass du nicht unbedingt der Teamplayer schlechthin bist. Jedoch besitzt du durch die Arbeit bei Salomons Ring genügend Erfahrung, um die Ermittlungen voranzutreiben; denn du siehst mehr, als ein gewöhnlich Sterblicher«, erläuterte Cornelius geduldig.

»Ja, und was ist mit dem Killen?«, fragte ich, da ich dringend Abwechslung von meinem langweiligen Arbeitsalltag brauchte.

»Du sollst lediglich vor Ort ermitteln, und nichts anderes! Sobald du den Überblick hast, setzt du dich mit uns in Verbindung, damit wir die zur Verfügung stehenden Vindicatoren zusammentrommeln, um das Problem vor Ort gemeinsam in Angriff zu nehmen. Für einen einzigen Vindicator ist diese Sache definitiv zu groß. Zumal du nur ein Aushilfsvindicator bist. Daher warne ich dich eindringlich, nichts Unüberlegtes zu tun!«, plädierte er an meine Einsicht.

»Was ich brauche, sind Herausforderungen, und du gibst mir zu verstehen, dass du mich von vornherein ausbremsen willst? Aushilfsvindicator?! Glaubst du mich damit zu demütigen?«

Cornelius machte eine bittere Miene. »Denk doch mal an deine Familie! Sollen deine Kinder auch noch ihren Vater zu Grabe tragen, worin bereits Amanda liegt? Denn mir ist es persönlich gar nicht recht, ausgerechnet dich - du, mit deiner Schwäche zur Impulskontrolle - mit dieser Mission zu betrauen. Leider wurde ich von den Ratsmitgliedern überstimmt, die mich daran gemahnten, dass du die ausstehende Schuld abzutragen hast. Hör mir genau zu! Solltest du dich uneinsichtig zeigen und stattdessen vorhaben, auf eigene Faust loszumarschieren, sehe ich mich gezwungen, dir einen Anstandswauwau mitzugeben. In dieser Hinsicht habe ich die Sache bereits mit Ambrosius Pistillum abgeklärt, da sich sowohl die Kompetenzen des Vampir-Rates, als auch die von Salomons Ring hinreichend überschneiden. Jedoch appelliere ich an deine Vernunft, als verantwortungsvolles Mitglied unserer Gesellschaft, wie an den Familienvater, der du bist, keinen Unfug anzustellen und deine Kompetenzen nicht zu überschreiten. Haben wir uns verstanden? Dies sage ich nicht als dein Blutsbruder, sondern als ein Mitglied des Vampir-Ältestenrates.«

»Na gut«, grummelte ich, was so viel heißen sollte, wie: »Na, das werde ich dann wohl selbst beurteilen können!«

Eine Frage stand noch offen: »Wann soll´s losgehen?«

»Packe am besten sofort deine Siebensachen. Annie ist bereits über deine Abreise verständigt. Im Aktenkoffer ist alles, was du für deine Arbeit benötigst. Laptop, Geld usw. Und hier sind deine Papiere«, überreichte er mir die Pässe.

»Was zum Geier… Diplomatenpässe?«, runzelte ich die Stirn, als ich einen Blick hineinwarf.

»Wundere dich nicht. Du wirst als Ermittler in der Funktion eines Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen reisen, deshalb der Diplomatenpass. Du genießt Immunität. Vor allem, damit du nicht wieder im Knast landest, falls du gedenken solltest, über die Stränge zu schlagen. Sobald du mit dem Packen fertig bist, wirst du dich mit mir in Verbindung setzen. Jemand holt dich dann ab. Und mach keinen Unsinn, Ragnor.«

»Du kannst bereits alles in die Wege leiten, es dauert nicht lange bei mir«, winkte ich als gut trainierter Kofferpacker ab.

»Ach ja, und nimm mindestens einen ansehnlichen Anzug mit, denn ich will keine Beschwerden hören, du seist unangemessen gekleidet aufgetaucht. Es reicht schon, wenn du mit dieser Barbarenfrisur auf der Bildfläche erscheinst«, teilte er mal wieder heftig gegen meine Dreadlocks aus.

»Ha! Frisuren-Polizei, wie? Gerade du hast es nötig, meine Frise zu bemängeln. Wenigstens sehe ich nicht wie ein aufgeplatztes Sofakissen aus!«, feuerte ich zurück.

»Sei einfach nur brav, und mach mir keine Schande!«, lächelte Cornelius amüsiert und entblößte dabei die Lücke zwischen seinen Schneidezähnen, die ihn sofort für jedermann sympathisch machte. Möglicherweise liegt es daran, weil sie zeigt, dass er auch nicht gerade perfekt ist.

»Connie! Sprich nicht mit mir, als sei ich ein geistig minderbemitteltes Kleinkind!«, knurrte ich angefressen.

»Sag nicht immerzu Connie zu mir, das ist ein Mädchenname! Ernsthaft? Dann benimm dich nicht wie eines, klar? Ach ja, Ragnor… Viel Glück und eine angenehme Reise. Und gedenke meiner Worte!«, sagte er zum Abschied.

»Hey, Connie! Apropos… Vergiss nicht, dem Chauffeur Bescheid zu geben«, rief ich ihm hinterher.

»Chauffeur? Es wird keinen geben. Lass dich überraschen«, lachte er herzhaft. »Mach´s gut! Du meldest dich, sobald du etwas Wichtiges in Erfahrung gebracht hast!«, rief er nach oben und verschwand daraufhin.

»Kein Chauffeur? Wie soll das funktionieren?«, fragte ich irritiert. Da mir darauf keine Antwort einfiel, ging ich lieber packen. Immerhin musste ich mich noch von meiner Familie verabschieden.

*

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