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Kommt ein Ochs ins Fremde Land, wird er doch als Rind erkannt.

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(Bernhard Vriedank)

Einige Menschen behaupten, Reisen bildet.

Na klar doch: Bei mir bilden sich höchstens bösartige Magengeschwüre, vor allem, wenn ich mit einem Flieger unterwegs bin, der von einer launischen Vampir-Zwergin und ihrem haarigen Kompagnon geflogen wird. Schon mal, wenn man gerade seinen ersten suborbitalen Raumflug hinter sich hat, der einen dermaßen flasht, dass man bei der Landung am liebsten vor Erleichterung den heiligen Erdboden küssen will. Jetzt verstehe ich auch den Sinn des Sprichworts: »Die Welt ist ein Dorf«, denn groß sieht sie von dort oben nun wirklich nicht aus.

Versteht mich nicht falsch. Ich fürchte mich nicht vorm Fliegen, eigentlich fürchte ich rein gar nichts. Nur habe ich es nicht gern, wenn ich mich in einem Gefährt befinde und keinerlei Einfluss darauf nehmen kann, wohin es mich bringt. Der einzige Vorteil dieses rasanten Fluges lag darin, relativ schnell am Einsatzort zu sein. Ansonsten kann ich gerne auf Erfahrungen dieser Art verzichten. Ich fahre lieber selbst mit dem Auto. Nur war es in diesem Fall definitiv nicht möglich.

Am Zielort erwartete mich nicht nur mein Dienstwagen, den die Zwergin eigenwillig mit meinem Gepäck belud, um mir anschließend wortlos die Schlüssel zuzuwerfen, in ihr Raumschiff zu steigen und wieder loszubrausen.

Vor Ort stand bereits das Begrüßungskomitee bei Fuß, in Form einer attraktiven Brünetten im Businesskostüm und eines blonden Kerls, bekleidet mit dem typischen, schwarzen Agentenanzug. Daneben parkte ein Jeep, an dessen Steuer ein geduldig wartender Soldat saß.

Da ich mich im Flieger bereits umgezogen hatte, konnte ich mit dem vorherrschen Dresscode locker mithalten.

Wir befanden uns in Kentucky, nahe Louisville, auf einem Militärstützpunkt der dort stationierten Einheiten der ersten US Infanteriedivision und dem IBCT, des Infantry Brigade Combat Teams, so wie eines ansässigen Logistikkommandos.

Vor uns ragte der markante, zweistöckige, weiße, quadratische Bau auf, der von Weitem ein wenig an eine gigantische Geburtstagstorte gemahnt: Fort Knox.

Ganz eindeutig die wohl wertvollste Torte der Welt. Gewissermaßen das Taj Mahal des Goldes. Und offensichtlich hatte hier wirklich jemand eine exorbitant ausgefallene Party gefeiert, ansonsten wäre ich nicht hier.

Todernst zückten Männlein und Weiblein ihre Ausweise und stellten sich vor. Da sie wussten, wen sie erwarteten, nahm ich mir Zeit, einen Blick darauf zu werfen.

»Chief Warrent Officer des ICIS (Infantry Criminal Investigation Service), Isla Nowak (wird Eila ausgesprochen)«, stellte sich die langbeinige Dame vor.

»Special Agent Stuart Dent, United States Department of Homeland Security (Ministerium für Innere Sicherheit der Vereinigten Staaten). Kannst mich Stu nennen. Wenn ich bitten darf, steig doch ein«, nickte der blonde Kerl knapp und öffnete für mich die Tür des Militärfahrzeugs, das uns durch die Sicherheitskontrolle und damit zum eigentlichen Ziel bringen sollte.

Während der kurzen Fahrt sprach niemand ein Wort. Schweigend gab mir Agent Dent meinen Besucherausweis, den ich mir gut sichtbar ans Revers heftete.

Wir passierten den schwer bewaffneten Eingang zum Gelände. Am Gebäudeeingang warteten, flankiert von bewaffneten Soldaten, die Mitarbeiter des United States Bullion Depository (Schatzamt der Vereinigten Staaten).

Nach der obligatorischen Begrüßung sichtete ich das Grundstück. Wie die Täter es angestellt hatten, blieb mir vorerst ein Rätsel. Zumindest mussten sie fixer als das menschliche Auge agiert haben. An jeder Ecke des Gebäudes befindet sich ein Wachturm, auf dem Bewaffnete ihren Dienst leisten. Und so sah die Situation aus: Vier Wachtürme, dazu hochauflösende Kameras, Bewegungsmelder, die an einen Infrarot-Wärmemesser gekoppelt sind. Mit anderen Worten: Technik ohne Ende, und das nur vom Feinsten. Summa summarum handelt es sich um eines der strengst bewachten Gebäude der Welt.

Die Mitarbeiter des Schatzamtes gaben, jeder einzeln und nacheinander, einen Teil des Zahlencodes ein. Kein einziger Mensch kennt den gesamten, vollständigen Code allein. Fazit: Um diese sechzig Zentimeter dicke und zwanzig Tonnen schwere, legierte Stahltür zu öffnen, braucht man definitiv das Wissen mehrerer. Im Geiste machte ich mir eine Notiz, den Herren später etwas genauer auf den Zahn zu fühlen.

»Zuerst gestatte mir eine Frage, Special Agent Dent. Wieso die Heimatschutzbehörde?«, fragte ich salopp.

»Stu, nennen mich Stu… Ganz einfach, wir werten das, was hier passierte, eindeutig als Form des Terrorismus. Dieser Akt ist ein klarer Angriff auf unser Land, mit der Absicht, unsere Wirtschaft zu schwächen.«

»Gut, das beantwortet meine Frage. Und da wir gerade beim Fragen sind: Gibt es jemand, der, außer den anwesenden Herren, Wissen von der Zahlenkombination besitzt?«, hielt ich mich weiter an Agent Dent. »Und noch eins: Existiert ein weiterer Zugang zum Gebäude?«

»Nein, diese Herren sind die absoluten Vertrauensträger. Nur sie haben das Wissen von der Zahlenkombination«

CWO Nowak verzog belustigt das Gesicht. »Ein weiterer Zugang? Angeblich gibt es einen Notausgang, der geflutet werden kann. Selbst wenn jemand unterirdisch eingedrungen wäre, könnte es den Sicherheitssystemen niemals entgehen. Die Sensoren registrieren im Inneren minimale Erschütterungen. Niemand ist durch den Tunnel gekommen, davon kannst du dich selbst überzeugen. Gehen wir rein!«, bahnte sie sich den Weg durch die Herren vom Schatzamt, die ihr willig Platz machten. Sie waren sichtlich bemüht, nicht allzu großes Aufsehen zu erregen, denn niemand sollte erfahren, was in der Nacht zuvor vorgefallen war. Wenn die Presse, und damit die Öffentlichkeit, Wind von dieser Sache bekäme, wäre der Teufel los. Unauffällig folgten uns die Verantwortlichen in einen Raum, der für die Ermittlungen vorerst keine Rolle spielte.

Nach und nach inspizierte ich die achtundzwanzig leeren Abteilungen in denen zuvor die Goldreserven eingelagert waren. Nicht ein einziger Krümel Gold war davon übriggeblieben.

Genaustens untersuchte ich die Umgebung: »Und niemand hat dieses Gebäude verlassen?«, hakte ich nach. »Immerhin müsste es definitiv auffallen, wenn tonnenweise Gold vor den Nasen der Wachhabenden herausgetragen wird. Wie viele Tonnen Feinunzen Gold waren eingelagert?«, las ich im Bericht nach. »4580? Im Werte von 180 Milliarden Dollar?« Ich blickte auf: » Womit soll man eine dermaßen riesige Menge transportieren? Mit einem Containerzug? Einem Schwertransporter?«

Es wäre gelogen, wenn ich nicht vor einem nahezu unlösbaren Rätsel gestanden hätte.

Nowak bemerkte: »Wie in den Akten vermerkt, hat niemand das Gebäude verlassen, jedenfalls nicht mit dem Gold. Wie und wohin es verschwunden ist, ist uns nach wie vor ein Rätsel.«

Special Agent Dent meldete sich zu Wort. »Offiziell stimmen die Daten. Dazu muss ich anmerken, dass der Staat damals, als der James Bond Film Goldfinger in die Kinos kam, und leider keinen Einfluss auf dessen Inhalt nehmen konnte, sah er alarmiert davon ab, weiterhin die gesamten Goldreserven des Schatzamtes an ein und demselben Ort zu verwahren. Immerhin hat der Film allen gezeigt, was passieren könnte, sollte ein Bösewicht, oder eine uns feindlich gesinnte Regierung versuchen, unsere Goldreserven radioaktiv zu verstrahlen. Vor allem glaubten die Verantwortlichen, man habe gewisse Subjekte mit diesem Film auf dumme Gedanken gebracht. Darum entschied sich die Regierung in einer vertraulichen Abstimmung, die Hälfte des Goldes an einen geheimen, ebenso gut gesicherten Ort zu bringen. Nichtsdestotrotz ist es ein Skandal, was hier passierte. Wir können nicht einfach über zwei getötete Soldaten, die in Ausübung ihrer Pflichten fielen, hinwegsehen. Zudem ist der Verlust eines Vermögens von 90 Milliarden Dollar für uns keinesfalls eine Lappalie. Tun Sie mit den Tätern, was getan werden muss. Aber bringen Sie uns das Gold zurück!«, beendete er seine Aussage.

»Und die anderen Goldreserven sind wirklich in Sicherheit?«, fragte ich skeptisch. Denn nachdem, was hier passiert war, schien rein gar nichts mehr sicher zu sein.

»Todsicher«, bestätigte Stu Dent… Hä?... Student?...

Noch einmal ging ich durch die Räume, untersuchte alles gründlich mit meinem Aurenblick, musste allerdings passen, weil ich nichts Außergewöhnliches entdecken konnte.

Ein wenig zu zynisch für meinen Geschmack, fragte Officer Nowak: »Und, McClane? Hattest du inzwischen einen Geistesblitz und weißt, wo das Gold geblieben ist?«

Dieser kiebige Ton gefiel mir überhaupt nicht. »Ist doch ganz logisch:Wenn angeblich niemand damit das Gebäude verlassen hat, müsste es rein theoretisch noch immer hier sein, Schätzchen.«

Wenn Blicke töten könnten, wären zu diesem Anlass alle herzlich zu meiner Beerdigung eingeladen. CWO Nowak schoss eine Handvoll Blitze nach mir, gab aber, um Haltung zu wahren, keinen Protest von sich.

Agent Dent runzelte irritiert die Stirn. »Es ist noch hier? Und wie soll das funktionieren? Alle Depots sind leer!«

»Ich habe eine vage Vermutung, muss jedoch zuerst einen Spezialisten um Rat fragen. In Ordnung, wir sollten zunächst die Herren dort draußen abchecken. Möglicherweise hat einer oder gar mehrere von ihnen in letzter Zeit die Bekanntschaft mit ominösen, unwiderstehlichen Damen gemacht. Oder hat vielleicht jemand eine Schwäche für androgyne Knaben? Wurden eventuell Familienmitglieder entführt? Wie sind die Träume der Herren? Klagte jemand über Albträume, oder machte einen erschöpften Eindruck? All das sollten wir berücksichtigen«, schlug ich meine weitere Vorgehensweise vor.

Dent schüttelte den Kopf. »Das können wir uns sparen. Diese Aufgabe läuft zurzeit auf Hochtouren. Unsere Leute sind bereits darauf angesetzt, jeden nachvollziehbaren Schritt zu überprüfen. Sämtliche Telefonate, E-Mails und Kontobewegungen werden genaustens überprüft und nachverfolgt. Und glaubst du etwa, wir hätten die Herren nicht längst ins Gebet genommen? Ich schlage vor, du siehst dir die vorhandenen Aufnahmen der Sicherheitskameras an. Wir haben dort etwas Seltsames wahrgenommen, allerdings fehlt uns auf diesem Gebiet die Erfahrung, um es richtig zu interpretieren. Danach begleite ich dich zur Leichenschau der beiden getöteten Soldaten.«

Da gab es allerdings etwas, das mich äußerst stutzig machte. Wieso in drei Teufelsnamen sollten die Verbrechergenies, die dermaßen clever, heimlich, still und leise den perfekten Coup durchzogen, eine absolut unlogische Eselei begehen und nach vollbrachter Tat innehalten, um zwei Wachsoldaten zu töten? Das passte überhaupt nicht zusammen. Nun, eventuell wurden die Soldaten auch schon vor der Tat getötet. Dann allerdings hätten die Täter nicht seelenruhig das Depot leeren können, da die Wachsoldaten in den Türmen bemerkt hätten, dass etwas nicht stimmte. Höchste Zeit, mir darüber einen konkreten Überblick zu verschaffen. Waren die Soldaten möglicherweise Mitwisser der Täter; das Ganze für sie ein Insiderjob, weshalb sie daran glauben mussten? Oder waren sie unschuldig und sahen etwas, das sie nicht hätten sehen sollen? Waren einfach nur zur falschen Zeit, am falschen Ort?

Okay, vielleicht taten es die Vampire, weil sie es konnten, gewissermaßen, um ihre Überlegenheit zu demonstrieren? Ich gehe mal davon aus, dass es sich dabei um mehrere Täter handelte. Niemand zieht so ein Riesending allein durch. Da mussten mindestens noch ein Mastermind und dessen Handlanger dahinterstecken. Wenn ich Genaueres weiß, werde ich mich diesbezüglich korrigieren. Hm, alles sehr mysteriös. Mein Hirn drohte zu verknoten.

Doch insgesamt machte es recht wenig Sinn, jemanden so derbe auf seine Fährte zu locken. Jeder Vampir weiß, was passiert, wenn er mutwillig einen Menschen tötet... Es sei denn, diese Aktion galt als eine Art Stinkefinger in Richtung des Ältestenrates. Gewissermaßen eine offene Provokation.

Misstrauen regte sich in mir. Da war etwas ganz eindeutig faul im Staate Dänemark.

Wir verließen den Tatort, wobei CWO Isla Nowak vor Ort blieb, um ihrerseits weiter auf dem Stützpunkt zu ermitteln. Sie wollte sich bei den Kameraden der getöteten Soldaten umhören.

Beim Abschied, gab ich den Herren vom Schatzamt meine Visitenkarte mit den Worten: »Sollte euch doch noch etwas Wichtiges einfallen, ruft mich jederzeit an!«

Später, in der Überwachungszentrale, sichteten wir die Kameraaufnahmen des Tatorts. Wir ließen die Videoaufzeichnungen in Einzelbildern ablaufen.

»Da! Genau hier!«, zeigte Stu auf den hochauflösenden Monitor. Und in der Tat, war nur für eine Millisekunde ein nahezu durchsichtiger, verwackelter Schemen zu erkennen, der, nachdem sich die Panzertür lediglich einen kleinen Spalt breit öffnete, darin entfleuchte. Ich ließ die Aufnahmen weiterlaufen, wartete, wartete und wartete. Und während ich mich noch immer auf die Tür konzentrierte, ereignete sich, am Rand des Bildes, erneut dieses Phänomen, diesmal in zweifacher Ausführung, das die beiden Soldaten in Windeseile erledigte. Zuletzt schien einer der Schemen zu verharren, um direkt in die Kamera zu schauen. Ein Prickeln überzog meine Kopfhaut. Mich überfiel der Eindruck, als sei diese Botschaft speziell an mich gerichtet. Ich schaltete die Aufnahme ab.

»Und, Mister McClane? Was sagst du dazu?«

»Sag Ragnor zu mir!«, brummte ich. »Ich kam zu folgender Erkenntnis: Es sind mindestens zwei. Einer von ihnen scheint die Teleportation zu beherrschen, dazu sind alle beide in der Lage, sich in eine Nebelform zu verwandeln. Und sie sind schnell, verdammt schnell, wenn sie mit diesem Affenzahn eine Tür öffnen können, die eine extrem lange Zahlenkombination benötigt.«

»Teleportation?«, echote Dent. »Das bedeutet, jemand kann sich an jeden x-beliebigen Ort befördern?«

»Ja, sofern er einen Durchblick über die Örtlichkeiten besitzt. Ansonsten dürfte es außerordentlich gefährlich für einen Teleportierenden werden. Wenn man sich plötzlich in einer Stahlbetonwand wiederfindet, und lebendig begraben ist. Oder eher untot begraben«, bestätigte ich.

»Und alle Vampire besitzen solche Fähigkeiten?«, wollte er wissen. Dabei wirkte er keinesfalls unsicher, eher neugierig.

»Nicht jeder. Ich habe andere Dunkle Gaben. Es kommt letztendlich darauf an, welche Gabe der Schöpfer des Vampirs seinem Geschöpf bei der Wandlung zukommen lässt. Alte Vampire, solche, die über eine große Macht verfügen, können ihre Geschöpfe mit verschiedenen Gaben ausstatten. Wird allerdings ein Mensch von einem noch nicht so alten, und damit weniger mächtigen Vampir gewandelt, erhält er nahezu die gleiche Dunkle Gabe wie sein Schöpfer«, erklärte ich.

Der blonde Special Agent ließ sich das Gesagte durch den Kopf gehen und sah sich um. Da wir uns allein im abgeschirmten Raum befanden (die Smartphones mussten wir abschalten), warf er seine Zurückhaltung ab. »Und was ist deine Dunkle Gabe, Ragnor?«, fragte Stu, der viel weniger wie ein Agent, sondern eher wie ein recht harmloser Buchhalter aussah.

»Es sind zwei. Telekinese und Pyrokinese«, erklärte ich.

»Diese Telekinese...ist was genau?«, fragte er interessiert.

»Das ist die Gabe, den Geist über die Materie triumphieren zu lassen«, war meine Antwort.

»Wie das denn?«, fragte er verständnislos.

…Okay, da hatte ich die Beschreibung wohl ein wenig zu blumig aufpoliert...

»Mann! Sag bloß nicht, ich soll sie dir wie ein Zirkusäffchen vorführen? Nicht dein Ernst, oder?«

»Wann bekommt man denn schon mal die Gelegenheit, solch eine außergewöhnliche, der Physik widersprechenden Sache zu sehen?«, meinte Dent. »Die Regierung betreibt auf diesem Feld schon seit vielen Jahren ihre Forschungen. Leider erfolglos. Ich weiß ja nicht, ob du vom Projekt Ziege hörtest?«

»Du meinst doch nicht etwa diese absurde Geschichte, die verfilmt wurde? Sollten die Soldaten nicht versuchen, mittels Geisteskräfte Gegenstände, bzw. Lebewesen zu beeinflussen?«, fragte ich jetzt wiederum leicht ungläubig.

»Natürlich sind diese Forschungen in etwa so abgelaufen. Stell dir mal vor, du könntest mittels Gedankenkraft deine Feinde nass regnen lassen, oder gar töten.«

»Dann müsste der Soldat ein Vampir sein, ansonsten funktioniert so etwas nicht«, winkte ich ab.

»Es verstößt gegen das Völkerrecht, Vampire in den Militärdienst aufzunehmen, falls du es noch nicht weißt. Man befürchtet, sie könnten als Supersoldaten missbraucht werden. Vor allem zeigt sich der Vampir-Ältestenrat um die Anonymität der Vampir-Rasse besorgt. Falls die Öffentlichkeit erfährt, dass es Vampire wirklich gibt, kann niemand mehr für die Sicherheit des anderen garantieren. Es wird immer raubeinige Helden geben, die glauben, sie seien zur Vampir-Jagd prädestiniert. Du weißt, dass jeder Amerikaner das Recht auf eine Schusswaffe besitzt? Dabei weiß niemand, welchen Gegner er vor sich hat. Nun, ich hege keine Vorurteile, aber soweit ich weiß, sind Vampire für Menschen nicht zu unterschätzende Gegner. Darum wird nach wie vor dieses Wissen unter Verschluss gehalten.«

»Das wird auf jeden Fall besser sein«, nickte ich. »Glaub mir, ich weiß, wie fatal so etwas enden kann. Viele Menschen halten uns entweder für hirnlose, blutrünstige Wesen, oder schmachtende Glitzertypen, wobei die Filmindustrie nicht gerade unschuldig an diesem Image ist, da sie Haarsträubendes zustande bringt. Gut, dass du keine Vorurteile hegst. Immerhin bin ich noch nicht über dich hergefallen. Also gut, dann mal her mit deinem Kugelschreiber!«

Dent gab einen Ton der Überraschung von sich, als sein Kugelschreiber wie magnetisch in meine Finger sauste. »Wow! Ich bin wirklich tief beeindruckt. Diese Fähigkeit erspart dir sicherlich viel Gelaufe. Unglaublich. Und das sage ich, der schon sehr viel gesehen hat!«

»Du hast ja gar keine Ahnung!«, winkte ich ab.

CWO Isla Nowak kam herein und hörte wohl den ein oder anderen Wortfetzen, verdrehte die Augen und sagte: »Kerle! Seid ihr jetzt fertig mit dem Pimmelfechten?«

»Dent winkte ab: »Mach mal halblang. Ragnor und ich haben uns ganz normal unterhalten. Hast du etwas Erhellendes bei der Befragung der Kameraden herausgefunden, Isla?«

»Ragnor? Das klingt wirklich sehr nordisch«, bemerkte sie beiläufig, nahm ihren Notizblock und las daraus vor. »Laut Aussage, waren beide Soldaten hochdekorierte Veteranen, die hier eigentlich nur eine ruhige Kugel schieben wollten. Einer von ihnen, Sergeant Steven Roberts, war Familienvater und hinterlässt seine Frau und zwei Kinder. Der andere, Sergeant William Forbes, ist geschieden. Nichts Auffälliges, keinerlei Schulden. Den befragten Kameraden fiel nichts Außergewöhnliches auf. Sie meinten, beide hätten sich völlig normal gegeben. Vorläufig müssen wir davon ausgehen, dass sie nicht an dieser Aktion beteiligt waren«, klappte Isla Nowak den Notizblock zu.

»Sieht so aus, als würden wir wieder mal auf der Stelle treten«, sagte Stu. »Gut, wir sind hier fertig, und sollten nun in die Pathologie fahren«, schlug er vor.

Selbst als Untoter, fühle ich mich in der Pathologie unwohl. Dieses grelle Licht, die Schilder an den kalten Füßen der Toten, der blanke Stahl, die niedrige Raumtemperatur. All das wirkt ziemlich deprimierend. Zudem war mein letztes Erlebnis in der Pathologie alles andere als erhebend. Damals musste ich den toten Körper meiner Frau Amanda identifizieren. Solcherlei Erfahrung wünsche ich niemanden.

Zusätzlich fragte ich mich, weshalb die meisten Pathologen von der Art her eher dazu neigten, Frohnaturen zu sein. Möglicherweise retten sich Menschen durch schwarzen Humor vor dem Wahnsinn. Der Typ, der uns zu den Leichen der toten Soldaten brachte, sagte Folgendes zur Begrüßung: »Dr. James Ingram. Meine Herrschaften, zuerst heiße ich euch willkommen im Hause der Verschiedenen. Klingt seltsam, nicht wahr? Denn alle die hier liegen, sind nicht verschieden, sondern gleichermaßen tot! Ha, ha, ha!«

Wir drei sahen den Pathologen ohne jede Regung an.

»Äh... ja, folgt mir bitte«, sprach´s und führte uns durch einen Gang. Wir betraten einen Kühlraum. Dort öffnete er zwei Schubfachtüren und zog die beiden toten Körper heraus. »Hier sind die beiden«, merkte er an. »Links Steven Roberts, rechts Billy Forbes. Beide, bis auf die zerfetzten Kehlen, gut in Form. Muss Kannibalismus gewesen sein. Hierbei handelt es sich eindeutig um menschliche Bisse. Wahrscheinlich trugen die Täter Prothesen mit Reißzähnen. Niemand kann mir erzählen, es gäbe Vampire! Ha, ha, ha!« lachte die Frohnatur.

Interessiert musterte ich die Halswunden. Roberts und Forbes waren nicht durch normale Vampirbisse getötet worden. Stattdessen waren ihre Kehlen aggressiv zerfetzt, wie nach einem wilden Tierangriff. Roberts´ Kehlkopf lag sogar herausgerissen neben ihm. Dies zeugte für einen reinen, brutalen Tötungsakt. Beide Männer starben am starken Blutverlust.

Stu wurde eine Spur käsiger um die Nase, was meinen Verdacht erhärtete, er arbeite noch nicht allzu lange im Außendienst. Offenbar erblickte er bisher nicht viele Tote in natura. Wer weiß, an welchem Schreibtisch in Washington er jetzt fehlte. »Irgendwelche Spuren am Körper, oder Fingernägeln? Faser-Anhaftungen an der Kleidung?«, fragte er mit belegter Stimme, woraufhin er sich heftig räusperte.

»Keine fremde, menschliche Haut unter den Fingernägeln, wenn du das meinst. Allerdings habe ich bei Forbes eine interessante Entdeckung gemacht, als ich seine Kleidung untersuchte. Ich fand ein menschliches Haar«, berichtete Dr. Ingram.

»Ja, und? Was ist daran so besonders?«, fragte ich.

Der Pathologe grinste: »Eine gute Frage. Laut Massenspektrometrie ist dieses Haar über dreihundert Jahre alt. Na, wenn das nichts Besonderes ist, fresse ich einen Besen!«

*

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