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Suppe & Brot

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Am drittschlimmsten Abend meines Lebens habe ich Suppe gekocht. Oder, um es präziser zu formulieren, ich habe eine Suppe aufgewärmt. Den schlimmsten und den zweitschlimmsten Abend habe ich nur noch verschwommen in Erinnerung – das Gehirn hat ja diese angenehme Schutzfunktion, manchmal etwas zu vergessen –, doch den drittschlimmsten Abend meines Lebens habe ich glasklar vor Augen. Und ich kann dir ohne jeden Zweifel sagen, dass mich an diesem drittschlimmsten Abend eine Heinz-Tomatensuppe gerettet hat.

Aus komplizierten Gründen war es ein sehr schwerer Tag für mich gewesen, und ich weinte. Ich hatte seit Tagen nichts Richtiges mehr gegessen und war auch kaum zu Hause gewesen. Ich hatte es satt, übersüßten Designerkaffee zu trinken, statt vernünftig zu Abend zu essen, und lag weinend auf dem Küchenfußboden. Es war die Art von Weinen, bei der man fürchtet, daran zu sterben.

Irgendwie schaffte ich es, in dem Sammelsurium im Badezimmerschränkchen eine halbe Valiumtablette auszugraben – und dann, Wunder über Wunder, in dem Chaos im Küchenschrank eine Dose Heinz-Tomatensuppe zu finden. Ich schluckte das Valium, erhitzte langsam, bei niedriger Temperatur, die Suppe und goss sie in eine Henkeltasse. Mitsamt einem Kanten altem Brot, getoastet und dick mit Butter bestrichen, und der Suppe ging ich ins Bett. Ich hielt die Tasse mit der Suppe in beiden Händen, sah ruhig atmend zu, wie der Dampf aus ihr aufstieg, und nippte immer wieder daran, tunkte das getoastete Brot in die Suppe und kümmerte mich nicht darum, wenn goldgelbe Butter auf die Bettwäsche tropfte. Es war zwei Uhr morgens, ich aß Suppe im Bett und fühlte mich schon besser.

Und so geht es mir eigentlich immer mit Suppe. Suppe aus der Dose, Suppe auf dem Herd, Brot aus dem Supermarkt, Brot vom Bäcker, selbst gebackenes Brot: Suppe baut mich aus Gründen auf, die ich nicht richtig erklären kann, und getoastetes Brot mit Butter ist sowieso das Allergrößte. Der Duft von Brot, das gerade gebacken wird, und köchelnder Suppe ist vielleicht der eindringlichste, beruhigendste und insgesamt angenehmste aller Düfte. Keine Haute Cuisine wirkt so gut gegen Kummer wie ein großer Teller Kürbissuppe mit richtigem Brot und richtiger Butter.

Es ist nicht mehr sehr modern, Brot zu mögen. Ich kann von Glück sagen, dass ich noch nie besonders modern war, denn ich habe Brot schon immer geliebt: Ich liebe es aus ganzem Herzen und mit aller Inbrunst. Manchmal denke ich, es gibt kein Gericht – ganz egal, wie durchdacht oder schön oder köstlich es ist –, das ich nicht gegen einen Toast mit Marmite oder das Endstück eines frisch gebackenen Brotlaibs eintauschen würde.

Brot gehört zu den wenigen Dingen, die meine Mutter meiner Erinnerung nach selbst gemacht hat, als ich klein war. Sie hat Milchbrot gebacken: Der Teig stand zum Gehen hinten auf dem AGA-Herd, und wir durften mit unseren Patschhändchen die Laibe formen, mit einem Buttermesser den weichen Teig einritzen und ein Ei aufschlagen und den Laib damit bestreichen, damit eine goldglänzende Kruste entsteht. Ich liebte den Brotbacktag. Ich liebe ihn heute noch.

Als ich zum ersten Mal in meiner eigenen Wohnung Brot für mich backte, fühlte ich mich erwachsen, als hätte ich eine Art geheime Prüfung bestanden. Ich hatte Mehl und Wasser und Salz und Hefe vermischt, und wie von Zauberhand gab es jetzt Toast und Würstchensandwiches und gebratenes Brot. Das ist häusliche Magie, und ich war schon immer ein Fan geheimer Wissenschaften.

Am besten erwähne ich gleich hier, dass ich die Flüssigkeiten zum Brotbacken immer abwiege, statt sie abzumessen. So wird es präziser, und wenn man die Schüssel direkt auf die Digitalwaage stellen kann, spart man sich auch Abwasch.

Wenn du noch nie Brot gebacken hast, fang mit dem Maslen-Brot an: Es ist unglaublich vielseitig, kinderleicht und eine reine Freude. Das Milchbrot geht auch leicht. Das Challa ist ein bisschen schwieriger, und das Schwarzbrot ist noch ein bisschen schwieriger. Aber im Grunde sind es alles einfache Brotrezepte: Brote, mit und von denen man leben kann.

Die Geschichte beginnt mit einem Huhn

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