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Kapitel 3

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Lukas stellte das Fahrrad in den großen Fahrradständer vor dem Krankenhaus und hetzte zum Haupteingang. 11:30 Uhr, viel zu spät dran. Eigentlich fing jetzt sein Dienst an. Und er war noch nicht einmal umgezogen.

Auf dem Weg zum Eingang kam er an einer Glastür vorbei, hinter der eine Treppe lag.

Rein theoretisch müsste er schneller in der Notaufnahme sein, wenn er durch die Tür flitzte und dann ein Stockwerk hinauflief, überlegte Lukas. Damit sparte er den Weg bis zum Haupteingang vor und den langen Gang bis zum Notaufnahmebereich wieder zurück.

Er probierte und fand die Tür offen vor. So schlüpfte er hindurch und stand in einem schummrig beleuchteten Treppenhaus. Eilig hetzte er die Stufen hinauf zur nächsten Etage und verließ die Treppe über eine weiße Metalltür. Dort stellte er fest, dass er nicht im Flur vor der Notaufnahme war, wie er gedacht hatte. Echt blöd!

Er befand sich in einem spärlich erleuchteten Korridor, der wie eine Baustelle aussah. Lose Kabel hingen aus den rohen Betonwänden und überall lagen Eimer und irgendwelche Arbeitsgeräte herum. Baustrahler in den Ecken spendeten kümmerliches Licht.

Das musste der Flügel des Krankenhauses sein, der gerade saniert wurde. Danach wollte man hier noch einige Stationen und einen zusätzlichen OP einrichten. Bloß, wo waren die Bauarbeiter? In der Mittagspause?

Irritiert versuchte er, sich zu orientieren und schlug dann die Richtung ein, von der er glaubte, dass sie in den regulären Abschnitt des Klinikums und zur Notaufnahme führte. Er umrundete Eimer und Leitern, bog um die Ecke, durchwanderte einen langen Gang und stand endlich vor einer Wand aus einer milchig-durchsichtigen Kunststoffplane.

Aha! Hier war die Grenze zum öffentlichen Krankenhausabschnitt. Die Folie sollte verhindern, dass Staub die Baustelle verließ. Lukas hob sie an und kroch darunter hindurch. Dahinter fand er eine breite Glastür, die einen Spalt offenstand. Dann kam eine weitere Plane. Nachdem er auch dieses Hindernis überwunden hatte, erkannte er den Flur, der direkt zum Foyer führte. Jetzt wusste er wieder, wo er sich befand und hetzte schnell zu seinem Arbeitsplatz. Die Uhr verriet ihm, dass er bereits 10 Minuten Verspätung hatte. Der olle Hausdrache, der die Notaufnahme leitete, würde ihm den Kopf abreißen!

Tom saß im Dienstzimmer der Station und schrieb Pflegeberichte in die Kurven. Neben ihm hämmerte Carola auf der Computertastatur herum. Hämmern war in der Tat das richtige Wort, denn sie malträtierte die Tasten so sehr, dass er befürchtete, gleich die Tastatur in Stücke fliegen zu sehen.

In einem Nebenraum bereitete Monika Antibiotika-Infusionen für die Mittagszeit vor. Sie war eine junge Krankenschwester mit einem ständigen Lächeln und freundlichen, schwarzen Augen, die nach Toms Meinung gut zu ihren schwarzen Haaren passten. Von allen Kollegen auf der Station, die er bereits kennengelernt hatte, fand er sie am sympathischsten. Wahrscheinlich war sie spanischer Abstammung. Zumindest ließen die Augenfarbe und der Nachname - Cuartero – ihn das vermuten.

Als das Telefon klingelte, griffen Carola und Tom gleichzeitig danach, er war jedoch schneller. »Station 13, Pfleger Tom!«

Der Aufwachraum war dran, sie konnten einen Patienten abholen. Er stand auf und rief Monika zu: »Wir können Herr Radel holen! Kommst du mit?«

Sie stellte die vorbereiteten Infusionen auf ein Tablett und nickte. Gemeinsam verließen sie die Station und schlugen den Weg Richtung OP ein.

»Wie lange wird denn noch gebaut?«, fragte Tom.

»Das dauert eine Weile. Es entsteht ein komplett neuer Krankenhausabschnitt, sogar mit eigenem OP. Und danach werden noch einige der Nebengebäude renoviert.«

Neben dem Hauptgebäude bestand das Klinikum aus mindestens einem Dutzend kleineren Gebäuden, die alle durch unterirdische Flure miteinander verbunden waren. Dort hatte man ausgelagerte Stationen und Abteilungen wie die Physiotherapie untergebracht. Außerdem gab es auf dem weitläufigen Gelände ein paar denkmalgeschützte Ruinen von alten Krankenhausanlagen aus dem 20. Jahrhundert. Das hatte er aus dem Internet erfahren, als er sich im Vorfeld über seinen neuen Arbeitgeber informiert hatte.

Sie kamen zum Aufwachraum, der direkt neben dem Zentral-OP lag. Auf einem Tastenfeld tippte Monika eine Zahlenkombination ein. Die Edelstahltür glitt beiseite und die beiden traten ein. Tom sah einen langgezogenen, fensterlosen Raum mit etwa 15 Betten und ebenso vielen Überwachungsmonitoren. Eine blau gekleidete Krankenschwester, die an einem alten Mann zugange war, blickte auf.

»Hi Karolin«, rief Monika. »Wir nehmen Herr Radel mit!«

Karolin nickte Richtung eines anderen Bettes. Darin lag der Patient, den sie einige Stunden zuvor in den OP zu einer Gallenoperation gebracht hatten.

Die Anästhesieschwester blätterte in ein paar Papieren. »Die OP ist glatt verlaufen, er ist wach und ansprechbar. Keine besonderen Vorkommnisse. Bis jetzt keine Schmerzangabe, aber in seiner Infusion ist auch eine Ampulle Novamin drin. Der Wunddrain hat bisher nicht viel gefördert.«

Monika lächelte den Mann an. »Alles klar, Herr Radel?« Der Angesprochene nickte schläfrig.

»Wir bringen Sie auf Station zurück!« Sie begann, die EKG-Elektroden und die Blutdruckmanschette abzubauen, die ihn mit dem Überwachungsmonitor verbanden. Karolin blätterte wieder in den Papieren und hielt Monika einen Zettel hin, den diese unterschrieb. Dann verabschiedeten sie sich und schoben das Bett aus dem Aufwachraum.

Lukas irrte durch das Krankenhaus. Wo war er bloß?

Die leitende Notaufnahmeschwester hatte ihn zur Apotheke geschickt, ein Karton mit Medikamenten holen, die kurzfristig benötigt wurden. Doch er arbeitete ja erst einige Tage hier und kannte sich noch nicht so gut aus. Schwester Sybille, Leiterin der Notaufnahme, hatte ihm den Weg zwar erklärt, aber er fand es sehr verwirrend. Zuerst ging er eine Treppe hinunter und bog rechts in den Flur ein. Dann stand er jedoch vor dem Zugang zur Baustelle. Die schien ja fast die Hälfte des Hauptgebäudes einzunehmen!

Die Apotheke befand sich in einem der Nebengebäude, soviel wusste er. Im Treppenhaus hing ein Wegweiser, doch der war nicht aktuell. Viele Pfeile wiesen in Richtung der Baustelle zu irgendeiner Abteilung, die inzwischen behelfsmäßig woanders untergebracht war.

Zu den Nebengebäuden musste er entweder über das Krankenhausgelände oder durch einen der unterirdischen Flure laufen, überlegte er. Verdammt, warum konnten die nur die Medikamente nicht mit der Rohrpost schicken?

Lukas lief zurück zur Treppe. Er hätte auf seinen Freund Freddy hören und den Zivildienst in der Jugendherberge leisten sollen. Aber von der Notaufnahme hatte er sich spannende Erlebnisse erhofft. Naja, vielleicht kam das ja noch.

Er ging eine weitere Treppe in den Keller hinunter. Da es draußen regnete, hatte er vor, durch den unterirdischen Flur zur Apotheke zu gehen.

Unten sah er sich um. Mehrere staubige Gänge mit bröckelndem Putz führten in verschiedene Richtungen. Nichts als schummrige Beleuchtung. Gegenüber dem Treppenhaus hing vor kurzem scheinbar noch ein Wegweiser, das sah man an einem sauberen Abdruck in der Wand. Vermutlich hatte man im Zuge der Bau- und Renovierungsarbeiten auch hier alles entfernt.

Sowas darf man bestimmt nur mit Zivis machen!, dachte Lukas wütend und schlug aufs Geratewohl einen Korridor ein.

Zwei Stockwerke über ihm pulsierte das Krankenhausleben. Wahrscheinlich füllten sich die Flure allmählich mit den Nachmittagsbesuchern oder Patienten auf dem Weg in die Cafeteria. Den Krankenhauspark würde bei dem Regen niemand nutzen.

Das Klinikum

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