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Kapitel 5

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Tom gähnte. Seit dem Vortag hatte sich die Station weiter geleert. Dafür waren fast sämtliche Patienten pflegebedürftig.

Er durchforstete gerade die Flurschränke und sammelte die Materialien zusammen, die er für eine Patientenwaschung benötigte. Leider fand er sich noch nicht so gut zurecht und Monika war bereits bei einem anderen Patienten zugange, die wollte er jetzt nicht stören. Auch von den zwei Kollegen auf der hinteren Seite des Flurs sah er kaum etwas, nur Carola werkelte hinter der Glasscheibe des Dienstzimmers.

Eben hatte er alles beisammen und in die leere Waschschüssel geworfen, als er einen Alarm hörte. Das durchdringende Geräusch kam aus einem Zweibettzimmer neben ihm. Einer der Männer darin war in der Nacht notoperiert worden und hatte einen schlechten Allgemeinzustand. Aus diesem Grund hatte die Nachtschwester ihn an einen Überwachungsmonitor angeschlossen, der ständig Puls, Blutdruck, Sauerstoffsättigung des Blutes und EKG überwachte. Auf der Intensivstation wäre der Patient besser aufgehoben gewesen, aber der zuständige Arzt hatte dagegen entschieden. Wahrscheinlich ein Kostenfaktor.

In der Annahme, eine EKG-Elektrode oder der Sauerstoffsensor hätte sich gelöst, öffnete Tom die Zimmertür. Beim Blick auf den Monitor erschrak er jedoch. Im Takt zum Alarmgeräusch blinkten zwei Werte. Der Blutdruck betrug nur 70/30 und der Puls ganze 210 Schläge pro Minute. Jetzt begann auch die Anzeige der Sauerstoffsättigung zu blinken, während sie unter 90% sank.

Der Patient lag unbeweglich in seinem Bett, eine Leichenblässe überzog das Gesicht.

»Herr Schwertfeger! Hallo! Hören sie mich?« Tom rüttelte den Mann, doch vergebens. Durch die offene Zimmertür rief er: »Ich brauche hier sofort Hilfe!«

Der andere Patient im Zimmer schaute zunächst irritiert, dann mit einer Mischung aus Neugier und Besorgnis.

Monika kam als Erste herein und sah ihn fragend an.

»Herr Schwertfeger hat einen Schock! Blutdruck 70/30!«

Sie warf nur einen kurzen Blick auf den Überwachungsmonitor und rannte wortlos davon.

Als Nächste kam Carola hineingelaufen. Im Schlepptau hatte sie eine spanische Wand, die sie innerhalb weniger Sekunden zwischen die beiden Patientenbetten gestellt hatte. »Monika ruft den Arzt an!«, informierte sie Tom.

Der Monitor alarmierte wieder. Als Tom den Alarm wegdrückte, sah er, dass die Atemfrequenz auf null und die Sauerstoffsättigung auf 35% stand. »Atemstillstand!«

Die Stationsschwester rannte zum Schrank, während Tom überprüfte, ob die Atmung tatsächlich ausgesetzt hatte, oder ob es ein Messfehler war. Es stimmte jedoch. Carola hatte jetzt einen Beatmungsbeutel in der Hand und drückte ihn dem Patienten aufs Gesicht. Der Alarm ging erneut los und der Bildschirm zeigte beim EKG nur noch eine durchgehende zittrige Linie. Die Pulsanzeige bestand aus einem blinkenden Fragezeichen.

Monika kam mit einem tragbaren Telefon ins Zimmer. »Kreislaufstillstand!«, rief Carola ihr zu. Tom begann mit einer Herzdruckmassage, während seine Kollegin die Notfallnummer eintippte und mit dem Hörer am Ohr zum orangefarbenen Reanimationsbrett im Flur sprintete. Sie riss es von der Wand und kehrte zurück zum Bett, um es zwischen den Patienten und die Matratze zu schieben.

»Immer noch Atemstillstand!«, kommentierte die Stationsschwester überflüssigerweise und machte sich daran, den Mann mit dem Beutel zu beatmen.

»Ich habe das Rea-Team gerufen«, sagte Monika, als der Stationsarzt Dr. Heiko Hendrich hereinkam. Er war im Arztzimmer dabei gewesen, die Visite vorzubereiten.

»Was ist los?« Verblüfft starrte er auf das Chaos. Keiner antwortete ihm, der Überwachungsmonitor und die Tätigkeiten am Bett verrieten eigentlich alles. Auf dem Flur hörte man jetzt die schnellen Schritte mehrerer Personen. Monika stieß die Tür auf. »Hier! Zimmer 5!«

Zwei blau gekleidete Anästhesiepfleger und ein weiterer Arzt im Schlepptau stürmten herein. Einer schob einen Notfallwagen mit Defibrillator, der andere schleppte ein mobiles Beatmungsgerät. Dr. Hendrich stand in der Ecke und schien sich fehl am Platz zu fühlen. Der Anästhesist warf nur einen kurzen Blick auf den Monitor. »Was ist passiert?«

»Äh ... Er kam gestern Abend mit Verdacht Mesenterialinfarkt.« Der Chirurg war augenscheinlich froh, etwas sagen zu dürfen. »Ich habe ihn in der Nacht operiert. Wir fanden einen Verschluss im Truncus coeliacus und ...«

»Defi! Kammerflimmern! Und 1 mg Suprarenin!«

Einer der Pfleger rollte den Defibrillator heran, Tom zog dem Patienten derweil das Krankenhausnachthemd aus. Der Anästhesist griff die Paddles und verteilte Kontaktgel darauf. Der Anästhesiepfleger schaltete das Gerät ein, sein Kollege klebte zusätzliche Elektroden auf den Patienten, die er an den Apparat anschloss. Dann zog er ein Medikament aus einer Glasampulle auf.

»Achtung, laden!« Der Arzt drückte die Kontakte auf den Brustkorb des Mannes, vergewisserte sich, dass keiner das Bett berührte und rief: »Schock!«

Herr Schwertfegers Körper zuckte kräftig zusammen. Die zitternde Linie des EKG schlug kurz aus und lief unverändert weiter.

»Thoraxkompression!«, bellte der Anästhesist, nachdem er den Patienten intubiert hatte. Tom setzte die Herzdruckmassage fort. Der Anästhesiepfleger schloss das mobile Beatmungsgerät an.

»Wiederholen!« Der Arzt schockte erneut. Nach dem dritten Versuch rief er dem anderen Pfleger zu: »300 mg Cordarex!« Der Angesprochene kam sofort mit einer Spritze herbei und verabreichte das Medikament über den venösen Zugang. Es schien alles nichts zu bewirken. Die Defibrillation wurde wiederholt, ohne Ergebnis.

»Scheiße hier, verdammte!«

Carola schüttelte den Kopf und trat hinter die spanische Wand, um nach dem zweiten Patienten zu schauen. Der Anästhesist schockte erneut. »Asystolie«, kommentierte einer der Anästhesiepfleger. Der Arzt schmiss die Paddles auf den Boden, drängte Tom zur Seite und setzte selbst die Herzdruckmassage fort.

»Das wird nichts mehr«, warf Dr. Hendrich schließlich ein. »Kann ich jetzt Visite machen?«

Sein ärztlicher Kollege sah auf den Monitor. Statt der Vitalparameter blinkten überall nur Fragezeichen. Die EKG-Linie hatte aufgehört, zu zittern und war ganz verschwunden. Einen Moment lang standen alle, bis auf den Chirurgen, wie versteinert da. Dann hörten sie die Stimme des anderen Patienten: »Könnte ich noch eine Tasse Tee bekommen?«

Das Klinikum

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