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Fünfzehnte Woche

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Belanglose Phrasen wie »Schon wieder Montag« oder »Kalt geworden, was?« hatte ich noch nie gemocht. Mir fielen darauf nur genauso platte Antworten ein: »Ja, nervig« oder »Heute soll es unter zwei Grad bleiben.«

Doch als mich Yukino, mit der ich im Kino verabredet war, mit einem »Du hast ganz schön zugenommen« begrüßte, wäre beinahe ein ganzer Schwall an Antworten aus mir herausgesprudelt. »Ja, endlich ist meine Schwangerschaftsübelkeit vorbei, in dieser Phase nehmen viele Frauen zu«, hätte ich sagen wollen, schluckte die Worte aber herunter. »Stimmt«, konstatierte ich stattdessen.

Die Verringerung meiner Überstunden hatte bereits bewirkt, dass ich regelmäßiger und somit mehr aß. Als mir dann noch die Schwangerschafts-App mitteilte, ich sei nun in der stabilen Phase und hätte die Schwangerschaftsübelkeit hinter mir gelassen, fühlte ich mich so befreit, dass ich anfing, wie eine Verrückte zu essen. Seit ich den Eintrag in der App gesehen hatte, kannte mein Appetit keine Grenzen mehr.

Morgens, mittags und abends nahm ich normalerweise jeweils eine Mahlzeit bestehend aus einer Suppe, einem Hauptgericht und zwei Beilagen zu mir, doch jetzt konnte ich die Mittagspause kaum abwarten und kaufte mir gegen zehn Uhr im Convenience Store noch einen Donut. Nachmittags knabberte ich während der Arbeit Reiscracker. Herr Higashinakano, der sich Sorgen wegen der Zusatzstoffe machte, schenkte mir Nüsse und getrocknete Fische, doch beides war schneller vertilgt, als ich auch nur die ersten paar Zellen meiner Exceltabelle ausfüllen konnte. Von einem Kollegen, dessen Kunde Süßwaren herstellte, bekam ich eine Riesenladung Koalaschoko und auch die war sofort weg. Als mir bewusst wurde, dass ich die niedlichen Gesichter und Posen der Tiere, die ich als Kind immer genau betrachtet hatte, keines Blickes mehr würdigte und in den Koalas nur noch Nahrung zum Stillen meines Hungers sah, dämmerte es mir, dass es so nicht weitergehen konnte. Ich bekam Angst.

Abends nach dem Baden blickte ich in den Spiegel und sah eine Birne vor mir. Mein Gesicht hatte sich kaum verändert, mein Unterkörper dafür umso mehr. Ich trocknete mich hastig ab und probierte einige Röcke und Hosen an, die alle nicht mehr richtig passten. Der Stoff spannte über Po und Oberschenkeln. Als ich mir meinen Körper von hinten ansah, erschrak ich regelrecht.

Schnell zog ich das einzige Kleid, das ich besaß, aus meinem Schrank und schlüpfte hinein. Es war ein langes Sommerkleid, das ich vor Momois Hochzeit zusammen mit ihr in Bali gekauft hatte. Das bunte Blumenmuster schrie zwar förmlich nach Urlaub, doch zumindest passte es. Mein üppiger Po fiel aber immer noch darin auf, also stopfte ich zum Ausgleich einen dünnen Schal unter das Kleid, um den Bauch größer wirken zu lassen. Und nun sah ich im Spiegel eine waschechte Schwangere.

Während ich mir die Haare trocknete, bestellte ich im Internet gleich mehrere bürotaugliche Kleider. Sie würden in ein paar Tagen eintreffen. Bis dahin trug ich unter meiner Bürojacke das Sommerkleid. Die Menschen um mich herum hatten unterdessen schon ihre Wintermäntel und Pullover ausgepackt. In südländische Blumen aus sattem Pink gehüllt, wandelte ich allein durch eine andere Jahreszeit und einen anderen Ort.

Seit ich nach Ankunft meiner Bestellung dann täglich wechselnde Kleider trug, wirkte ich noch mehr wie eine Schwangere. Kollegen anderer Abteilungen boten mir auf dem Flur nun regelmäßig an, mir die Papierröhrenmuster abzunehmen. In der Schlange vor dem Fahrstuhl wurde ich vorgelassen und vor Kurzem hatte eine alte Dame in der Bahn sogar prophezeit: »Nächste Woche kommt es.«

»Mein Termin ist aber erst nächstes Jahr im Mai.«

»Nein, ich sehe so etwas«, behauptete sie. »Es wird ein gesunder Junge.«

Kurz danach war die Dame ausgestiegen.

Am Freitag kaufte ich wie gewohnt ein und bereitete mein Abendbrot zu: In salzig-süßer Brühe gekochte Scholle, Salat mit frittierten Tofustreifen und jungen Erbsensprossen, Misosuppe mit Lotuswurzel und Lauch, dazu Gemüsereis. Nach dem Essen dehnte ich mich. Meine Kollegin hatte mir eine neue Kopie mit Übungen gegeben. »Die hier sind besonders gut für den Übergang zwischen der ersten und zweiten Schwangerschaftsphase«, hatte sie gesagt. Wieder war das Foto des Arztes verschwommen und wieder versetzten mich die dünn gezupften Augenbrauen des Models, die an schmale Hängebrücken erinnerten, in eine andere Zeit. Doch auch diese Übungen halfen unglaublich gut gegen meine Rückenschmerzen.

»Legen Sie sich auf den Rücken und heben Sie den Po, sodass Schultern, Hüfte und Knie eine Linie bilden«, las ich. Als ich meinen Körper wenige Zentimeter vom kühlen Boden hob, musste ich an die Worte der Kollegin denken.

»Es kommt Ihnen vielleicht noch unwirklich vor, aber es ist ein schöner Gedanke, dass in Ihrem Körper ein Leben heranwächst, nicht wahr?«

Sie hatte es mit stolzer Überzeugung gesagt.

1, 2, 3, 4 …

Ich zählte bis zehn und ging in die Küche. Dort lag noch das Stück Watte, auf dem die Erbsensprossen, die ich zuvor gegessen hatte, gewachsen waren. Ich legte es zurück in den mitgelieferten Plastikbehälter, goss die Wurzeln, kippte ein wenig überschüssiges Wasser wieder aus und stellte den Behälter an einen Platz mit viel Sonneneinfall.

Die kurz geschnittenen Sprossen erinnerten mich an den stoppeligen Rücken unseres Familienhundes, den meine Mutter immer mit wenig Feingefühl geschoren hatte. Sie hatte ihn als Welpen von einer Bekannten bekommen und hartnäckig behauptet, es sei ein Pudel, bis er nach kürzester Zeit so riesig geworden war, dass er die Hundehütte in unserem Garten gesprengt hatte. Ab und zu hatte meine Mutter mit einem Kopfschütteln über die Geschichte gelacht.

Frau Shibatas geniale Idee

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