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Achte Woche

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Seit nunmehr einer Woche machte ich zwischen dem Abendessen und dem Baden Dehnübungen. Den Anlass dafür hatte eine Kollegin aus einer anderen Abteilung gegeben, die plötzlich an meinem Schreibtisch erschienen war und mir eine Kopie aus einer alten Zeitschrift mit Dehnübungen für die erste Schwangerschaftsphase in die Hände gedrückt hatte. »Achten Sie gut auf Ihren Körper«, hatte sie gesagt.

Ein weibliches Model mit auffällig dünnen Augenbrauen und schon lange aus der Mode gekommener, weiter Sportkleidung machte die Bewegungen vor. Unter dem Foto eines Mediziners standen Erklärungen, doch genau dieser Abschnitt war in der Kopie verschwommen. Ich hatte die Übungen trotzdem ausprobiert, Zeit hatte ich ja genug, und festgestellt, dass sie die Verspannung in meinen Schultern linderten, weshalb ich sie jetzt regelmäßig machte.

Einen Kräutertee mit hohem Folsäuregehalt, den ein befreundeter Gymnastiktrainer meiner Kollegin zubereitete, hatte ich auch noch geschenkt bekommen. Zwar rochen die strahlend grünen Blätter leicht nach Schwefel, aber der Tee daraus schmeckte wirklich gut. Heute hatte ich ihn für mehrere Stunden in kaltem Wasser ziehen lassen und nun sickerte die kühle Flüssigkeit langsam in meinen unbewohnten Bauch.

Außer der Frau mit den Dehnübungen, meinen direkten Sitznachbarn am Arbeitsplatz und dem Mitarbeiter aus der Personalabteilung sprach mich zunächst niemand auf die Schwangerschaft an.

Seit am Monatsende aber bei unserer Abteilungsversammlung bekanntgegeben worden war, dass ich im Frühling in Mutterschutz gehen und ab Jahresbeginn schrittweise meine Aufgaben übergeben würde, erkundigte man sich regelmäßig nach meinem körperlichen Befinden.

Bei jeder Bewegung, ob ich nun kurz stehenblieb oder von meinem Platz aufstand, konnte ich mir eines besorgten »Alles in Ordnung?« sicher sein. Die Frage, ob es ein Junge oder Mädchen werde, oder gar Glückwünsche blieben dagegen weitestgehend aus. Das lag sicher daran, dass ich nicht verheiratet war. Und diesem empörenden Umstand war es wohl auch geschuldet, dass fast die gesamte Belegschaft unserer kleinen Papierrollenfertigungsfirma über meine Situation Bescheid zu wissen schien, obwohl offiziell nur meine Abteilung in Kenntnis gesetzt worden war.

Wenn ich im Fahrstuhl oder am Kopiergerät stand, bemerkte ich verstohlene Blicke auf meinen Bauch. Und als ich mir letztens am Automaten ein Getränk hatte ziehen wollen, war die Unterhaltung in der Sekunde verstummt, als ich den Aufenthaltsraum betreten hatte. Irgendein Thema war abrupt peinlich berührtem Schweigen gewichen. In solchen Momenten hatte ich mir angewöhnt, meine Hand auf den leeren Bauch zu legen und ihn liebevoll zu streicheln.

Ich musste nur überzeugend genug auftreten, sagte ich mir, der Rest käme wie von selbst.

Einer der wenigen, der aktiv das Gespräch suchte, war Herr Higashinakano auf dem Platz neben mir. Er hatte mich sofort nach der offiziellen Verkündung meiner Schwangerschaft abgepasst.

»Haben Sie schon einen Namen?«, hatte er sich erkundigt.

»Ich weiß noch nicht einmal, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird.«

»Ah, verstehe.«

Daraufhin zählte er etwas an seinen Fingern ab, nickte mehrmals gewichtig und ging davon. Bei jeder Bewegung seines Kopfes regnete es weiße Flöckchen. Schuppen.

Ab diesem Zeitpunkt fragte mich Herr Higashinakano täglich, wie es mir gehe. Sobald ich mir eine Jacke überzog, wollte er wissen, ob ich fröre, und beim kleinsten Hüsteln drängte er mich zu einem Arztbesuch. Letztens hatte ich mitbekommen, wie der Abteilungsleiter Herrn Higashinakano wegen eines mangelhaften Berichts abmahnte. Hochkonzentriert tippte er danach etwas in seinen Computer. Natürlich hatte ich angenommen, er korrigiere seine Fehler, als ich plötzlich meinen Namen hörte. »Frau Shibata«, flüsterte Herr Higashinakano und drückte mir eine Liste mit der Überschrift »Nahrungsmittel in der Schwangerschaft: Das ist zu beachten« in die Hand. Einer der Einträge war in besonders großer Schrift hervorgehoben: »Hijiki-Seealgen: Dürfen verzehrt werden, aber nur zwei Portionen pro Woche«.

Herr Higashinakano roch immer nach Kleber. Genauer gesagt nach dem Flüssigkleber, den ich früher als Kind benutzt hatte. Es war kein Gestank, aber auch kein besonders guter Geruch. Kleber eben. Und das Seltsame daran war, dass ich ihn in dem ganzen Jahr, seit wir nebeneinandersaßen, kein einziges Mal mit Kleber in der Hand gesehen hatte.

Frau Shibatas geniale Idee

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