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Zehnte Woche

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Dieses Wochenende war ich mit zwei Freundinnen verabredet, ehemaligen Kolleginnen aus meiner ersten Firma, bei der wir alle gleichzeitig angefangen hatten. Wir trafen uns in einer Kellergeschoss-Kneipe in Hibiya.

Hinter der dünnen Wand, die uns vom Nachbartisch trennte, saß eine Gruppe Männer, etwa im Alter meines Vaters. Ihre lauten Stimmen drangen zusammen mit dem Rauch ihrer Zigaretten zu uns herüber, sodass ich unweigerlich ihrem Gespräch über Erinnerungen an das Studium, große Geschäftsessen in den guten alten Zeiten und Investitionen in Parkplätze lauschen musste, während ich gleichzeitig Teil einer Unterhaltung war, die fließend zwischen Gesundheit, Pflegeprodukten und allerlei anderem hin und her sprang. Momoi erzählte, sie habe in letzter Zeit Beschwerden nach der Menstruation und versuche, mit traditioneller chinesischer Medizin etwas dagegen zu tun.

»Also ich war letztens mit meinem Mann unterwegs«, sagte Yukino, und ich wusste, dass sie nicht auf das vorangegangene Gesprächsthema eingehen würde. Das war immer so, wenn Yukino einen Satz mit »Also ich« anfing. Ich kaute auf einem Stück Tintenfisch, das innen noch eiskalt war. Es war anscheinend direkt aus der Tiefkühltruhe gekommen.

»Wir waren in einem Kunst-Aquarium mit riesigen beleuchteten Fischbecken, für das mein Mann über die Arbeit Karten geschenkt bekommen hatte«, erzählte Yukino. »An sich war es schön, aber ihr glaubt nicht, was da für ein Pärchen vor uns war, Studenten, vermute ich. Und der Junge hat doch wirklich zu seiner Freundin gesagt: ›Selbst, wenn du dir die Welt zur Feindin machst, werde ich immer zu dir halten.‹ Mit so einem Quatsch kann ich überhaupt nichts anfangen.«

»Ja, es gibt wirklich Leute, die derart geschwollen daherreden«, pflichtete ihr Momoi bei, während sie angestrengt die Getränkekarte betrachtete. Sie berührte sie fast mit der Nase, so schlecht schien sie die Schrift in dem etwas zu dunkel gehaltenen Laden ausmachen zu können.

»Das auch, aber«, setzte Yukino an, ohne den Satz zu Ende zu führen.

»Aber was?«, hakte Momoi nach.

»Ich meinte eher, dass der Kerl gar nicht erst zulassen sollte, dass sich seine Freundin die Welt zur Feindin macht. Wann passiert so etwas denn schon? Ehrlich gesagt hätte sie dann sowieso keine Chance. Wenn er sie wirklich liebt, sollte er sie stoppen, bevor sie sich in so eine Situation begibt.«

Yukino nahm einen Schluck ihres Getränks, in dem eine Kugel Eis schwamm. Beim Trinken blubberte die Kohlensäure und ich fragte mich, ob es vielleicht ein Whisky-Highball mit Eiscreme war, wenn es so etwas überhaupt gab. Kurz spielte ich mit dem Gedanken, das Getränk auf der Karte ausfindig zu machen, gab aber auf, als ich sah, dass Momoi immer noch mit zusammengekniffenen Augen darin herumblätterte.

Von uns dreien war Yukino schon immer die Vorreiterin gewesen. Sie hatte als Erste den Job gewechselt und als Erste geheiratet, und als wir vor einiger Zeit zu dritt eine Thermalquelle besucht hatten und nach dem Abschminken bemerkten, dass Yukinos Augen immer noch dunkel umrandet waren, erfuhren wir, dass sie sich als Erste ein Permanent-Make-up hatte machen lassen. »Ich kann euch sagen, es tut richtig weh«, begann sie ihre Geschichte über das Eyeliner-Tattoo, während wir in der heißen Quelle badeten. Im Folgenden quälte sie Momoi und mich mit einer Beschreibung der schmerzhaften Prozedur.

»Ihr versteht euch immer noch gut, du und dein Mann, oder?«, fragte Momoi, die es aufgegeben hatte, die Karte zu entziffern, und stattdessen ein weiteres Bier bestellte. »Wie lange seid ihr jetzt eigentlich schon verheiratet?«

»Sieben oder acht Jahre«, erwiderte Yukino. »Ob wir uns gut verstehen, weiß ich selbst nicht so genau. Zumindest ist es einfach, weil wir keine Kinder haben.«

»Dein Mann hat seine eigene Firma, oder? Vor einiger Zeit habe ich im Netz ein Interview mit ihm gesehen.«

»Ja genau. Wenn es in der Firma gut läuft, ist alles super, wenn nicht, kann er unausstehlich werden. Oh, wenn man vom Teufel spricht … Er ruft gerade an. Das tut er in letzter Zeit ständig. Ich gehe kurz nach draußen.«

Mit dem Handy am Ohr verließ Yukino die Kneipe und Momoi und ich zückten ebenfalls unsere Handys. »Mist«, entfuhr es Momoi. Sie hatte das Picknick mit den Freunden ihrer Kinder vergessen, das für den nächsten Tag geplant war.

»Ich habe keine Ahnung, was ich vorbereiten soll. Nur Tiefkühlessen kann ich kaum mitbringen. Auf dem Rückweg muss ich noch in den Supermarkt.«

»Wie lange ist es her, dass ich Picknicken war«, bemerkte ich. »Es ist sicher viel Arbeit, das alles vorzubereiten.«

»Das Treffen morgen ist zum Glück entspannt, weil ich die Mütter gut kenne. Aber bei Sportfesten im Kindergarten sind immer extrem aufwendige Lunchboxen gefragt. Das ist die Hölle.«

Als Yukino zurückkam, beschlossen wir, uns langsam auf den Heimweg zu machen. Momoi trank das Bier, das der Kellner eben erst gebracht hatte, in einem Zug aus und fragte nach der Rechnung. Draußen wimmelte es von Leuten auf der Suche nach einem geeigneten Lokal und viele Studentinnen waren in Gruppen unterwegs. Yukino und Momoi wollten bis Yurakucho laufen, ich entschied mich für die U-Bahn, die direkt in Hibiya abfuhr. Als ich vor den Ticketschranken in meiner Tasche nach der Monatskarte kramte, entdeckte ich die Mitbringsel von meinem letzten Besuch bei den Eltern, die ich Momoi und Yukino hatte geben wollen.

Samstagabends um kurz nach neun war die Bahn noch ziemlich leer. Ich stieg an meiner Station aus, hatte aber keine Lust, schon nach Hause zu gehen. Hunger hatte ich keinen mehr, also ging ich in den Buchladen vor dem Bahnhof, der erst letztens aufgemacht hatte. Vor dem Zeitschriftenregal direkt am Eingang stand eine Frau in ungefähr meinem Alter. Sie war in ein Magazin für werdende Mütter vertieft. Ihre rosa Handtasche rutschte ihr beim Lesen immer wieder von der Schulter und jedes Mal, wenn sie sie zurechtrückte, baumelte am Griff ein Anhänger hin und her. Ach natürlich, durchfuhr es mich. Ich zückte mein Handy und nach einer schnellen Suche im Internet verließ ich den Laden.

Den Anhänger mit dem Mutter-Kind-Symbol und der Aufschrift »Ich habe ein Baby im Bauch« bekam ich auf Anhieb am Bahnhofsschalter ausgehändigt.

»Bitte schön. Ich wünsche Ihnen alles Gute.«

»Könnte ich vielleicht noch einen zweiten bekommen, als Glücksbringer?«

Den einen Anhänger befestigte ich an meiner Handtasche, den anderen an dem Rucksack, den ich nur mit in die Firma nahm, wenn ich viel zu tragen hatte. Das letzte Mal, dass ich mir etwas an meine Tasche gehängt hatte, war zu Schulzeiten gewesen, als mir meine Großmutter von dem Schrein Yushima Tenmangu einen Glücksbringer für die Aufnahmeprüfung am Gymnasium geschenkt hatte.

Frau Shibatas geniale Idee

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