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Retterin in der Not

Zwischen Stockmarknes und Skjervøy

Ein Klopfen ließ Zoe in ihrem Sessel zusammenzucken. Sie erhob sich und rieb mit der rechten Hand über ihr Gesicht. Sie gähnte, bevor sie die Tür öffnete. Der „Ausflug“ ins Krankenhaus hatte sie mehr Kraft gekostet als gedacht. Vor ihr stand eine quicklebendige Malin. Die Energie, die sie versprühte, ließ Zoe ein paar Schritte zurückweichen. Malin hinderte die Tür mit der Hand daran zuzufallen. „Darf ich eintreten?“

„Aber natürlich. Entschuldige bitte, ich muss gerade eingenickt sein.“

„Das wundert mich nicht nach all dem, was dir heute passiert ist.“

Malin schien sehr einfühlsam zu sein, denn die Tür fiel nicht mit einem lauten Geräusch in die Angel, sondern wurde sanft geschlossen, so dass kaum ein „Click“ zu hören war.

„Nimm doch bitte Platz.“ Zoe zeigte auf die Sitzecke. „Ich koche uns eben einen Darjeeling. Ich hoffe, du magst ihn.“

Als von Malin keine Zustimmung kam, drehte Zoe sich um und sah eine Frau mit offenem Mund die Suite begutachten. Durch ihre offensichtliche Sprachlosigkeit schien Zoes Frage ungehört an ihr vorbei geplätschert zu sein. Zoe überraschte das nicht. Sie selbst hatte zweimal blinzeln müssen, nachdem sie die Suite zum ersten Mal mit Verstand betreten hatte. Ungläubig war sie von einem Highlight in dem recht großen Raum zum anderen gestürmt. Gegenüber der Sitzecke befand sich ein Mini-Schreibtisch. Rechts davon konnte sie einen Blick auf das Badezimmer werfen. Darin befand sich eine Badewanne mit Duschabtrennung. Trat sie aus dem Bad heraus, konnte sie sich gemütlich in das riesige Doppelbett fallen lassen. Das Bett mit seiner harten Matratze, durch ein bis zur Decke reichendes Regal von der Sitzecke abgetrennt, stellte sich als äußerst bequem heraus. Von allen Sitzgelegenheiten aus eröffnete sich ein fantastischer Blick nach draußen durch die riesigen Glastüren, die auf den Balkon führten. Zoe wohnte in einer Luxussuite, dennoch dem Anlass vollkommen angemessen. Von hier aus konnte sie die bestmöglichen Traumfotos schießen, die die Reederei sich wünschte.

Das Wasser kochte, und Zoe bereitete den Tee zu. Er sollte zwei Minuten ziehen. Sie stellte die Stoppuhr an ihrer Armbanduhr auf zwei Minuten ein – eins der wenigen Dinge, die ihr problemlos gelangen. Den wunderbar duftenden Tee servierte sie am Tisch zwischen Sofa und Sessel. Malin saß derweil in der Sitzecke und sah fasziniert durch die Glastüren auf das Wasser. Eine ruhige Fjordlandschaft zog in Zeitlupe vorbei. Die Ruhe, die Zoe bei diesem Anblick stets ergriff, schien auf Malin überzugehen. Sie wirkte tiefenentspannt.

„Wollen wir draußen sitzen?“, fragte Zoe. „Der Blick auf den Fjord von dort aus ist atemberaubend.“

Malin nickte. Sie erhob sich, übernahm die Teetasse, die Zoe ihr reichte, und öffnete die Tür zu dem kleinen Balkon. Zoe folgte ihr. Schweigend ließen sie die Landschaft an sich vorübergleiten.

Den Blick fest auf die an ihr vorbeigleitenden Felsen des Fjords gerichtet, durchbrach Malin die Stille: „Der Tee schmeckt sehr lecker.“

Zoe und Malin schwiegen ehrfürchtig in Betrachtung einer schroffen Landschaft, die sich mit gefälligeren Passagen abwechselte, jede eine dampfende Tasse aromatischen Darjeeling Tees genießend.

Zoe brannte eine Frage auf den Lippen: „Hast du dir die Suiten auf dem Schiff, auf dem du arbeitest, noch nie angesehen?“ Malins überraschtem Blick zufolge schien Zoe die Frage durchaus berechtigt zu sein.

Malin schien sich von dem Ausblick der Zeitlupenlandschaft regelrecht losreißen zu müssen, sah Zoe in die Augen und schüttelte den Kopf. „Zumindest habe ich sie noch nie aus der Innenperspektive gesehen“, flüsterte sie. Das Blau ihrer Augen leuchtete. Zoe musste sich abwenden, sonst hätte sie sich darin verloren und wäre nicht mehr in der Lage gewesen, Malin die für ihre Existenz wichtigste Frage zu stellen. Sie räusperte sich.

„Du hast gesagt, dass du morgen von Bord gehst und drei Wochen frei hast?“

„Das stimmt. Ich freue mich sehr darauf, einige Zeit mit meiner Familie zu verbringen.“

„Das kann ich mir gut vorstellen“, sagte Zoe. „Ich habe mit einer deiner Kolleginnen an Bord gesprochen. Sie hat neben dem Service noch zwei weitere Jobs auf dem Schiff. Gilt das auch für dich als Krankenschwester?“

„Normalerweise bin ich davon befreit, weil ich jederzeit für die Passagiere da sein sollte.“ Malin nahm einen Schluck aus ihrer Tasse. „Aber wenn der Baum brennt, helfe ich überall dort aus, wo Not an der Frau ist. Und eigentlich wird immer irgendwo eine helfende Hand benötigt. Die drei Wochen sind das Minimum an Freizeitausgleich.“

„Das unterschreibe ich sofort.“ Erst, wenn Zoe einen Auftrag beendet hatte, gönnte sie sich selbst eine ausreichende Pause, um für den nächsten Auftrag Energie zu tanken.

„Du hast nicht neben diesem wunderbaren Ausblick nach draußen zufällig einen Blick nach oben geworfen?“

Malin legte ihren Kopf, die Tasse in der Hand, in den Nacken. Mit großen Augen betrachtete sie eine Kamera, die an der Ecke sichtbar wurde. Fragend sah sie Zoe an.

„Ich bin Fotografin von Beruf“, erklärte sie. „Im vorletzten Jahr habe ich für die Postbudruten die Antarktis mit der MS Antarctica fotografisch erkundet.“

„Das Antarktis-Handbuch ist von dir?“, unterbrach Malin. Ihre Überraschung und Bewunderung waren nicht zu überhören. Zoe nickte.

„Ein toller Bildband mit so guten Texten, dass ich mir überlegt habe, auf dem Schiff anzuheuern, um in den Genuss der wunderbaren Landschaft zu kommen und all die Abenteuer zu erleben, die die Fotografin in Wort und Bild festgehalten hat.“

Ein unverhohlen bewundernder Blick traf Zoe. Sie lächelte. Malins Lob tat ihr gut. „Ja, die Mitglieder der Vorstandsriege der Postschiffe kriegten sich vor Begeisterung gar nicht mehr ein. Das hat mich natürlich gefreut. Außerdem bekam ich als Folge der guten Arbeit den Auftrag, das in die Jahre gekommene Postbudruten-Journal in Wort und Bild zu überarbeiten beziehungsweise neu zu gestalten. Und möglicherweise soll zu einem etwas späteren Zeitpunkt auch noch ein Film für die Webseite entstehen, um Lust auf die Reise zu machen.“ Zoe zeigte auf den Camcorder an der Wand über ihr. „Ich habe jedenfalls vorgesorgt.“

„Das war längst fällig. Das mit dem Journal, meine ich. Dieses Journal, das heute noch tausende von Passagieren durchblättern, wird fast gar nicht mehr verkauft. Es ist so altbacken und antiquiert. Man hat fast das Gefühl, die Fotos stammten vom Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie transportieren ein ganz falsches Bild unserer inzwischen ziemlich modernen Schiffe, die technisch auf dem neusten Stand sind. Außerdem bieten wir inzwischen ja auch eine große Palette an unterschiedlichsten Ausflügen an, die es zur Entstehung des ersten Journals noch nicht gegeben hat. Die Darstellung der Postschiffe in dem alten Journal hat rein gar nichts mehr mit der neusten Flotte der Postbudruten zu tun.“

Malins leidenschaftliche Rede deutete an, wie sehr sie sich mit ihrer Arbeitsstelle identifizierte. Vielleicht wäre das ein Ansatzpunkt für Zoes Argumentation, sie zu überzeugen, statt ihrer die Fotos zu machen.

„Ich hab´s gesehen und deshalb ein Konzept erarbeitet, wie ein völlig neues Journal entstehen kann.“

Zoe schaute finster drein, denn mit ihrem gebrochenen Arm würde sie außer den Aufnahmen vom Balkon nichts von dem zustande bringen, was sie sich vorgenommen hatte. Immerhin schmerzte der Arm nicht mehr, seit sie mit einem Gips herumlief und ein paar Schmerztabletten eingenommen hatte. Auf eine ganz andere Art schmerzte allerdings der Gedanke daran, ihren Beruf aufgeben zu müssen, wenn sie es nicht schaffte, Malin für ihr Projekt zu gewinnen.

„Das ist großartig.“ Malins Augen leuchteten vor Freude über die Neuauflage des Journals. „Und wie ich beim Lesen des Antarktis-Handbuchs feststellen durfte, bist du nicht nur eine Fotografin, die ihr Handwerk versteht. Du setzt ein Objekt so fantastisch in Szene, dass ich dachte, es sei das einzige auf der Welt. Außerdem haben mich deine Texte dazu sehr berührt.“ Malin schloss die Augen.

„Danke für deine Begeisterung und das große Lob. Doch dank meines kleinen Unfalls hier“, Zoe hob den Gipsarm in die Höhe, soweit es schmerzlos möglich war, „kann ich den Auftrag nicht erledigen und die Arbeit am Bildband nicht zu Ende führen.“

„Dann verschiebst du die Reise einfach, bis dein Arm wieder einsetzbar ist“, zog Malin den naheliegendsten Schluss. „Das ist doch eine Art höhere Gewalt.“

„Tja, wenn es so einfach wäre.“ Zoe machte ein Gesicht, als hätte sie auf eine Zitrone gebissen. Vor ihrem geistigen Auge sah sie sich bereits ihr Atelier aufgeben und ihre gesamte Kameraausrüstung verkaufen. Von diesem Auftrag, der zudem Folgeaufträge nach sich ziehen würde, hing alles ab.

„Dein Arbeitgeber macht knallharte Verträge“, konstatierte Zoe. „Wenn das Manuskript nicht vor Weihnachten druckfertig auf ihrem Tisch liegt, bekomme ich kein Geld. Ich gehe mit allem in Vorleistung. Deshalb musste ich sogar einen Kredit aufnehmen.“

„Echt?“ Zoe nickte. „Aber bis Weihnachten hört sich doch nicht so schlimm an. Wir haben Mai. Das kannst du doch locker schaffen, oder? Du musst nur die Strecke noch einmal fahren, sobald dein Arm wieder einsatzbereit ist.“

„Leider ist das keine Lösung. Zum einen ist der Termin vor Weihnachten knapp bemessen, weil ich das Material sichten muss, das sich auf der Reise ansammelt. Und da wird einiges zusammen kommen, wie ich aus Erfahrung weiß. Zum anderen muss aus den tausenden von Fotos eine Auswahl getroffen werden. Unter Umständen werde ich einzelne Aufnahmen bearbeiten. Und drittens soll ja auch noch ein Text entstehen. Alle Arbeitsschritte zusammengenommen sind enorm zeitaufwändig. Dazu kommt, dass diese Traumsuite mit Balkon“ Zoe zeigte mit ihrem rechten Arm auf den Raum „nur für diesen einen begrenzen Zeitraum für mich zur Verfügung steht, damit ich optimale Bedingungen zum Fotografieren vorfinde. Eine zweite Reise müsste ich selbst bezahlen. Das kann ich mir im Moment überhaupt nicht leisten. Mal abgesehen davon, dass ich in diesem Fall den Termin bis Weihnachten nicht mehr einhalten könnte.“

„Hast du keinen Mitarbeiter?“

„Ich musste all meinen Mitarbeitern kündigen, weil ich ihnen kein Gehalt mehr überweisen konnte. Mir steht das Wasser bis zum Hals. Wenn ich diesen Auftrag vermassele, war´s das mit meinem Geschäft und meinem Lebenstraum. Wenn dieser Auftrag den Bach runtergeht, bin ich pleite und die längste Zeit Fotografin gewesen.“

Zoe schluckte trocken. Tränen drängten nach außen. Sie wollte um Himmels willen nicht vor Malin weinen. Endlich auszusprechen, was die ganze Zeit in ihrem Kopf herumgeisterte, gab der Situation eine Endgültigkeit, die sich Zoe bisher nicht mit derartiger Deutlichkeit dargestellt hatte. Sie unterdrückte ein Seufzen und atmete ein paar Mal tief ein und aus.

„Das tut mir aufrichtig leid.“

Ein mitfühlender Blick traf Zoe. Sie drehte sich weg, um nicht doch noch in Tränen auszubrechen.

„Warum erzählst du mir das alles?“, fragte Malin.

„Weil ich hoffe, dass du Verständnis für meine Situation hast.“ Zoe sah fragend zu Malin herüber.

„Ich habe schon Verständnis für deine Lage, aber mir ist nicht klar, was du mir damit sagen willst.“

Lag es nicht auf der Hand, was Zoe wollte? Ganz offensichtlich erschloss sich Malin nicht, dass sie es war, die Zoe aus der Patsche helfen könnte. Zoe musste anscheinend deutlicher werden. Ihr Herz pumpte heftig. Ängstlich wartete sie auf Malins Antwort, die mit einer Ablehnung ihres Vorschlags Zoes Leben zerstören könnte. Aber es wäre ungerecht, Malin für etwas die Schuld in die Schuhe zu schieben, für das sie keine Verantwortung trug. Um den heißen Brei herumzueiern ergab überhaupt keinen Sinn. Zoe nahm all ihren Mut zusammen und stellte die alles entscheidende Frage: „Du hast ab morgen frei, wie du gesagt hast. Und ich brauche jemanden, der mir hilft, die Kameras nicht nur auf dem Schiff, sondern auch auf den Ausflügen zu bedienen. Könntest du dir vorstellen, diese Aufgabe zu übernehmen?“

„Du meinst, ich soll meine freien Tage opfern, um deine Arbeit zu erledigen?“ Malin klang regelrecht sarkastisch. „Ich brauche diese Tage, um mich für die nächste Schicht zu erholen und wieder fit zu sein. Einmal abgesehen davon, dass ich keine Lust habe, für den Rest der Fahrt in dieser Besenkammer von Kabine zu schlafen, in der sich meine Koje befindet. Zudem übernimmt die Kollegin sie morgen. Ohne Fenster wohlgemerkt. Mir stünde gar keine eigene Koje mehr zu.“ Malin verschränkte die Arme vor der Brust. „Das kommt überhaupt nicht in Frage, so leid es mir tut. Nein!“

Trotz Malins deutlich ablehnender Haltung sah Zoe einen Hoffnungsschimmer am Horizont, weil sie glaubte, ein kurzes Flackern von Interesse in Malins Augen gesehen zu haben. Für den Hauch eines Augenblicks, für ein Tausendstel einer Sekunde. Zoe müsste nur die richtigen Argumente finden, den entscheidenden Auslöser drücken. Hoffte sie.

„Nachdem die Reise beendet ist, bleibt dir noch mehr als eine Woche zum Ausruhen.“ Dieses Argument schien nicht den richtigen Nerv zu treffen. Malin gab ihre Abwehrhaltung nicht auf, zog gar ihre Arme noch näher zusammen.

„Du würdest mir dabei helfen, meine Existenz zu retten.“

Dieser Aspekt schien Malin schon eher zu beeindrucken, denn sie löste die Arme vor der Brust ein wenig.

„Und übernachten könntest du bei mir. Wie du gesehen hast, ist das Bett groß genug.“

„Du meinst, ich soll hier mit dir in einem Bett schlafen?“ Malin kniff die Augen zusammen, als wollte sie sagen, Zoe hätte nicht alle Latten am Zaun. „Mit einer wildfremden Frau?“

„Ich schlafe auf dem Boden“, bot Zoe an.

Malin löste nun doch die Abwehrhaltung auf und schien mit Amüsement Zoes Vorschlag zu verfolgen.

„Du hättest das Bett nur für dich.“

„Ach, und ich helfe dir beim Hinlegen und Aufstehen. Das kannst du nicht allein mit dem Gipsarm.“ Malins Augen lächelten, und ihre Mundwinkel zuckten, als stellte sie sich gerade vor, wie Zoe versuchte, sich mit einem Arm hinzulegen und aufzustehen.

Zoe erhob sich, stellte ihre Tasse auf die Ablage und eilte ins Wohnzimmer. „Komm mit, ich zeig´s dir.“

Aus dem Augenwinkel konnte sie Malins verschmitztes Lächeln sehen. Ihre Arme baumelten neben ihren Hüften. Ihre Haltung lockerte sich vollständig. Jetzt musste Zoe sich nur noch auf den Boden setzen und es schaffen, ohne Hilfe aufzustehen. Sie überkreuzte ihre Füße. Eine fließende Bewegung katapultierte sie mit einem nach vorn gestreckten Arm in die Hocke. Ein stechender Schmerz durchzuckte den Arm mit dem Gips. Zoe verzog keine Miene. Und nun das Ganze rückwärts, um wieder aufzustehen. Sie musste noch nicht einmal ihre gesunde Hand zum Abstützen benutzen. Das ging ganz einfach. Zumindest hoffte sie, dass es nach außen vollkommen unangestrengt wirkte.

„Wow, ich bin beeindruckt.“ Malins Lächeln verflüchtigte sich. „Dafür brauchst du starke Muskeln in den Oberschenkeln.“ Es lag eine Spur von Bewunderung in ihrer Stimme, als hätte sie Zoe eine kräftige Beinmuskulatur nicht zugetraut.

„In meiner Freizeit klettere ich sowohl in der Halle als auch draußen an ´echten´ Felsen.“ Zoe malte Anführungszeichen mit einer Hand in die Luft. „Da braucht man viel Kraft in den Beinen.“ Sie lächelte.

„Und was bekomme ich dafür, sollte ich in Erwägung ziehen, dir zu helfen?“, wollte Malin wissen.

Zoe ballte innerlich die Faust, als hätte sie diesen Sieg schon errungen. Das klang nicht mehr nach überzeugter Ablehnung. Natürlich wollte Malin eine angemessene Entlohnung für ihre Arbeit und für die Zeit, die sie investierte. Zoe musste vorsichtig mit einem Vorschlag sein. „Ich nehme mal an, dass ich dich nicht mit Geld beeindrucken kann?“

„Du vermutest richtig. Wahrscheinlich brauchst du sowieso jeden Öre, um deine Firma zu retten.“

„Das stimmt.“ Zoe nickte.

„Dann denk dir mal was aus, das mich vom Stuhl haut.“ Malin sah sie herausfordernd an und verschränkte die Arme abermals vor der Brust. Dieses Mal sollte die Geste wohl eher so etwas wie Herausforderung symbolisieren. Zoe dachte einen Moment über eine ausgefallene Idee nach. Sie lächelte von einem Ohr zum anderen, weil ihr etwas im Kopf herumschwirrte. Das könnte die Lösung sein. Malin würde nicht ablehnen können. Zumindest glaubte Zoe inständig daran.

„Mir scheint, du bist eine Freundin der guten Fotografie“, leitete Zoe ein. Ihren Bildband von der Antarktis zumindest hatte Malin vorhin in den höchsten Tönen gelobt. Dass sie sich den Band gekauft hatte, schien ein unverbrüchliches Zeichen ihrer Affinität zu wunderschönen Aufnahmen zu sein.

„Ich liebe die Fotografie“, schwärmte Malin, löste die Arme vor der Brust wieder und wartete offensichtlich gespannt auf Zoes Offerte.

Sehr gut. „Nachdem die Arbeit vor Ort abgeschlossen ist, treffe ich eine Vorauswahl der Fotos für das neu zu gestaltende Journal. Ich biete dir an, die erste Durchsicht vorzunehmen und dir das beste Foto auszusuchen. Ich werde ein Unikat in der von dir gewünschten Größe von einem dieser Motive anfertigen. Auf Leinwand mit oder ohne Rahmen, als Poster, auf Acrylglas oder auf Holz. Hintergrundbeleuchtung ist auch möglich. Ich kann dir Beispiele in meinem Atelier zeigen, damit du die Wirkung beurteilen kannst, die ein Bild auf dem jeweiligen Hintergrund entwickelt. Du suchst dir das Material aus, auf dem das Foto in einer für dich passenden Größe aufgebracht werden soll. Ich verwende das Bild kein zweites Mal und überlasse dir also ein Unikat. Alle Rechte dafür übertrage ich auf dich. Du erhältst eine Art Einzigartigkeits-Urkunde von mir.“ Zoe konnte Malins Gesichtsausdruck nicht deuten. „Wie findest du den Vorschlag?“

Endlich hellten sich Malins Züge auf. „Das würdest du wirklich tun?“

Zoe nickte. Sie sah die kleinen Falten auf Malins Stirn arbeiten.

„Dafür mache ich es. Und du schläfst auf dem Boden.“ Das hörte sich an wie ein Befehl. „Und du klärst mit meinem Boss, ob ich während meiner freien Zeit für dich arbeiten und in deiner Suite nächtigen darf. Ich möchte deinetwegen keinen Ärger bekommen oder gar meine Stelle auf dem Schiff verlieren. Ich liebe meine Arbeit nämlich, weißt du.“

„Wie ich meine.“ Zoe flüsterte. „Ich werde das gleich mit Frau Johansen am Telefon besprechen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie etwas dagegen hat, wenn sie von meinem Missgeschick erfährt.“ Zoe hielt ihren Gipsarm in die Höhe und grinste. „Ihr wird klar sein, dass ich mit einem derartigen Handicap den Auftrag nicht ohne Hilfe zu Ende führen kann.“

Aus der Ferne erklang ein Schiffshorn. Malin hechtete auf den Balkon, um den heftig winkenden Passagieren auf dem entgegen kommenden Schiff der Postbudruten zurückzuwinken. Währenddessen fand wildes Hupen statt, mit dem die Schiffe sich abwechselten, um die Freude des Treffens auszudrücken.

Liebe im Fokus

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