Читать книгу Liebe im Fokus - Emma zur Nieden - Страница 11
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Das Telefongespräch mit Frau Johansen als stellvertretender Geschäftsführerin verlief in Zoes Sinne. Es stellte weder ein Problem dar, Malin das Fotografieren übernehmen zu lassen, noch deren Übernachtung in Zoes Suite zu arrangieren. Frida Johansen zeigte Verständnis für Zoes Situation und trug ihr auf, Malin für ihre Bereitschaft zu danken, einen Teil ihres wohlverdienten Urlaubs dafür einzusetzen, Zoes Arbeit weiterzuführen. Zoe wünschte sie gute Besserung.
Darüber hinaus stellte die stellvertretende Geschäftsführerin eine schriftliche Mitteilung über die Ergebnisse der getroffenen Vereinbarungen in Aussicht, die sie auf die Polarsirkel faxen wollte, damit für alle Seiten Klarheit herrschte. Den Kapitän würde sie selbst in Kenntnis setzen. Sie zeigte sich ausgesprochen entgegenkommend und drückte Zoe gegenüber ihr Mitgefühl über die Situation aus.
Frau Johansens Fax traf bereits wenige Minuten nach ihrem Gespräch ein. Der Kapitän schickte einen Mitarbeiter in Zoes Suite, um ihr die nötigen Unterlagen auszuhändigen. Frau Johansen hatte sogar einen Ausdruck für Essensmarken in ausreichender Zahl beigefügt. Malin und sie konnten also ohne ein schlechtes Gewissen gemeinsam den Speisesaal aufsuchen.
Frida Johansen sagte sogar Versicherungsschutz für den Rest der Reise für Malin zu. Besser hätte das Gespräch mit der stellvertretenden Geschäftsführerin gar nicht laufen können. Darüber hinaus ließ Frau Johansen eine Bescheinigung ausstellen, die es Malin erlaubte, sich in Zoes Kabine aufzuhalten und von Bord zu gehen. Das Telefonat hatte Zoe ins Schwitzen gebracht. Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn. Das Glück schien ihr trotz des gebrochenen Arms hold zu sein. Zoe fiel ein Stein vom Herzen, denn nun stand Malins Einzug in ihre Suite sowie ihrer Hilfe beim Fotografieren nichts mehr im Weg.
Zoe saß draußen auf dem Balkon mit halbem Ohr an der Tür, damit sie Malins Ankunft nicht verpasste. Malins lautes Klopfen war nicht zu überhören. Zoe eilte durch die Suite, öffnete die Tür und ließ Malin mit einem dick aufgeblähten Seesack eintreten, den diese vor dem Bett absetzte.
„Ich muss noch telefonieren, damit ich in Svolvær meinen zweiten Seesack mit frischen Klamotten in Empfang nehmen kann.“ Malin zog ihr Handy aus der Hosentasche und tippte eine Nummer ein. Mit wem sie sprach, konnte Zoe aus Malins Worten nicht heraushören. Sie verstand mal wieder kein einziges Wort. Die norwegische Sprache würde ihr auf ewig verborgen bleiben – von den üblichen Floskeln wie „Bitte“, „Danke“, „Guten Morgen“ und Ähnlichem einmal abgesehen.
Malin beendete ihr Telefonat. „Meine ganze Familie kommt zum Anleger am Hafen von Svolvær, um mir den Seesack mit frischer Wäsche zu bringen und mich für die kurze Zeit des Aufenthaltes zu sehen. Sie würden dich gerne kennenlernen.“
„Ich fürchte, das müssen wir auf später verschieben.“ Voller Schuldgefühle richtete sich Zoes Blick auf den Boden. „Postbudruten hat mir einen privaten Guide gebucht, der mich an die entlegensten Stellen der Lofoten bringt, damit ich überall exklusive Fotos schießen kann. Das Schiff nimmt uns an einem Hafen auf der anderen Seite der Insel pünktlich zum Ablegen um kurz vor zehn am Abend wieder auf. Es tut mir leid, aber dir wird nicht viel Zeit für eine Verabschiedung von deiner Familie bleiben.“ Zoe hob und senkte ihre Schultern voller Schuldbewusstsein.
Malin setzte ein Gesicht auf, das wohl so etwas wie „Das darf doch wohl nicht wahr sein!“ ausdrücken sollte. Zoe tat es wirklich leid, dass Malin außer ein paar Minuten nicht mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen konnte. Aber zu ihrem Deal gehörte eben auch, dass Malin sofort zur Verfügung stand. Außerdem durfte Zoe nicht noch weitere Zeit verlieren. So gnadenlos das Schiff seinem Fahrplan folgte, so gnadenlos zogen die zu fotografierenden Highlights an Zoe vorbei. Höchste Zeit, endlich die Arbeit fortzusetzen.
„Weißt du eigentlich, dass du die meisten Dinge auch auf der Rückfahrt fotografieren kannst?“, fragte Malin mit hängenden Schultern und einer Spur von Resignation in der Stimme. „Du machst doch die ganze Reise mit, oder?“
Zoe nickte. „Leider sind nicht so viele der Häfen auf der Rückfahrt bei Tageslicht zu sehen. Deshalb hätte ich gern schon alles im Kasten, was geht.“
„Du fotografierst noch mittels der Methode der Daguerreotypie?“ Malin grinste.
„Nein. Natürlich fotografiere ich nicht mehr mit Platten. Zu viel Aufwand, zu viel Gewicht, zu viel Gift – obwohl diese Art der Fotografie sicher sehr reizvoll wäre.“ Sie grinste ebenfalls. „Aber du wirst es nicht glauben: Eine meiner Kameras ist eine Agfa Billy Record 7,7 Klappkamera aus dem Jahr 1956 mit einem Rollfilm 6 x 9 Zentimeter. Ich habe eine ganze Reihe der Filmrollen eingepackt.“
„Ist nicht dein Ernst.“ Malin riss die Augen auf. „Werden die heute überhaupt noch hergestellt? Ich kenne niemanden, der mit Filmen arbeitet, die erst entwickelt werden müssen. Viel zu umständlich.“
Zoe lachte. „Ich mache mir diese Mühe auch nur berufsbedingt. Es gibt genügend Freaks wie mich, für die es sich lohnt, solche Filme herzustellen. Ich beziehe sie von einer Firma, die sich auf die Formate alter Kameras spezialisiert hat. Es werden sogar Original Agfa Filme angeboten. Eine meiner Leidenschaften neben solchen Auftragsarbeiten hier …“ Zoe deutete mit ihrem gesunden Arm nach draußen, „… ist die Schwarz-Weiß-Fotografie.“
„Ich wusste gar nicht, dass es einen Markt für Schwarz-Weiß-Aufnahmen gibt. Kann man damit wirklich Geld verdienen?“
„Ich kann. Es gibt einen sehr kreativen Markt dafür.“ Zoe wurde ernst. „Ich nehme die Billy Record mit zu Auftragsarbeiten und erhoffe mir die eine geniale Aufnahme mit ihr. Eine einzige Aufnahme kann leicht einen vierstelligen Betrag erzielen. Mit Rahmen versteht sich.“ Sie sah in die Ferne, als sähe sie dort das nächste geniale Bild. „Das kann ich in diesem Fall leider vergessen. Ich kann noch nicht einmal den Film dafür einlegen.“
„Das könnte ich übernehmen“, bot Malin an. „Das Einlegen und das Fotografieren.“
„Das ist wirklich nett von dir, aber unsere Ausrüstung auf Ausflügen wird ohnehin schwer genug sein. Da ist die Billy Record nur im Weg. Doch wie ich mich kenne, werde ich das ein oder andere Mal nicht widerstehen können, sie doch mitzunehmen.“
Malin stutzte. „Was heißt schwer? Eine Kamera wird schon nicht so viel Gewicht haben.“
„Leider irrst du in dem Punkt, Malin.“ Zoe kramte ihre nahezu vollständige Fotoausrüstung hervor. Sie befand sich in einem wuchtigen Koffer, für den beim Fliegen stets zusätzliche Kosten anfielen, weil es sich um Sondergepäck handelte, das tatsächlich eine Sonderbehandlung erfuhr. Wenn der Koffer auch nur ein einziges Mal geworfen werden würde, wäre die Ausrüstung ruiniert. Einige wenige Airlines garantierten den sicheren Transport solchen Sondergepäcks. Zoe öffnete den Koffer, um Malin zu demonstrieren, welches Gewicht sie demnächst mitnehmen und tragen würden.
„Wie viel Übergepäck bezahlst du dafür?“ Mit weit aufgerissenen Augen starrte Malin auf das Monstrum von Koffer und seinen Inhalt.
„Ein Vermögen.“
„Und du bist wirklich allein unterwegs?“ Malin starrte regelrecht in den Koffer mit der Ausrüstung.
„Bin ich. Habe ich dir ja schon erzählt.“
„Stimmt.“ Malin tippte sich an die Stirn.
„Ich stelle gleich erst einmal das Nötigste zusammen. Den Rest teilen wir unter uns beim Tragen auf. Zum Glück habe ich zwei Rücksäcke dabei. Damit ist der Transport zu einem interessanten Objekt leichter.“
„Puh.“ Malin zappelte mit der rechten Hand hin und her. „Noch einmal davongekommen. Die Ausrüstung auf dem Rücken zu transportieren hört sich machbar an.“
Zoe nickte.
„Warum brauchst du so viele Kameras?“, wollte Malin wissen. „Ich habe im Urlaub nur eine einzige kleine Digitalkamera dabei und habe nicht das Gefühl, damit etwas zu verpassen.“
„Jede Kamera erfüllt einen anderen Zweck“, erklärte Zoe und nahm eine Kamera mit großem Objektiv aus dem Koffer. Mit einer Hand konnte sie sie wegen ihres Gewichts kaum halten. „Die zum Beispiel hat eine Art Mega-Zoom. Sie eignet sich entweder für Ziele, an die wir nicht nah genug herankommen – zum Beispiel an den Globus, wenn wir den Polarkreis überqueren oder wenn wir die Greifvögel bei der Seeadlersafari nah genug erwischen wollen, um spektakuläre Aufnahmen zu erhalten.“
Malin nickte und nahm die Kamera entgegen, die Zoe ihr nun reichte. Sie knickte ein, um das teure Gerät nicht fallen zu lassen. „Ich kann dir jetzt schon sagen, dass ich damit nicht werde fotografieren können. Sie ist wahnsinnig schwer.“ Sie gab die Kamera an Zoe zurück, die sie auf dem Boden absetzte.
„Du musst sie auch gar nicht festhalten.“ Zoe griff sich das Stativ aus dem Koffer. Malin half ihr beim Ausklappen, was mit einer Hand recht schwierig gewesen wäre. Zoe setzte die Kamera mit einem Schwung auf das Stativ. Es ertönte ein „Klack“.
„Jetzt ist die Kamera eingerastet und kann nicht mehr herunterfallen, weil wir die Füße des Stativs breit genug ausgefahren haben. Sie ist in alle Richtungen drehbar, und du kannst das Zielobjekt damit verfolgen und im richtigen Moment abdrücken. Eine der wenigen Aufgaben, die ich mit gebrochenem Arm selbst erledigen könnte, wenn sich das Boot, das uns zur Safari bringt, nicht ständig im Wellengang bewegen würde. Genau deswegen kann ich diese Fotos nicht machen. Ich werde dir zeigen, wie du mit der Kamera das perfekte Foto schießen wirst.“
„Das werden wir noch sehen.“ Eine gehörige Portion Skepsis schwang in Malins Tonfall mit. „Aber ich brauche ja auch Platz zum Fotografieren. Die Seeadlersafari ist fast immer ausgebucht.“
„Wir bekommen ein eigenes Boot an einer anderen Stelle. Wir können also schalten und walten, wie wir wollen, ohne dass uns jemand vor der Linse her tänzelt oder mit seinem Finger vor deiner Linse herumfuchtelt und das Bild ruiniert.“
„Wow, deine Bilder sind ihnen ganz schön was wert.“ Malin schien beeindruckt. Sie zog ihre Augenbrauen nach oben.
Das sieht süß aus. Zoe, reiß dich zusammen. Diese Frau, die dir aus der Patsche hilft, süß zu nennen, ist ja wohl vollkommen daneben. Sie räusperte sich.
„Auf den Ausflug zu den Seeadlern nehmen wir noch eine zweite Kamera mit einem Objektiv mittlerer Brennweite mit. Die Polarsirkel fährt hinter uns her, wenn wir zur Safari aufbrechen. Du wirst ein paar schöne Aufnahmen dieses stattlichen Postschiffes damit machen, bevor du die Adler mit dem Riesenzoom fotografierst.“ Zoe nahm eine Kamera mit einem nicht so großen Objektiv heraus. „Ich fange gleich an, dir die Funktionsfähigkeit der letzten Kamera zu zeigen. Den Umgang damit wirst du auf dem Balkon üben. Dieser Platz eignet sich hervorragend für deine ersten Fotos.“
Zoe folgte Malin auf den Balkon.
„Profis wehren sich gegen so ein ´Hundehalsband`, aber da du keiner bist, lege ich dir den Kameragurt um den Hals. Eine reine Sicherheitsmaßnahme, damit das Gerät nicht irreparabel kaputt ist, sollte es dir aus Versehen aus der Hand fallen. Du solltest dir angewöhnen, ihn anzulegen, sobald du eine Kamera in den Händen hältst.“
Malin nickte. Erleichterung zeigte sich auf ihrem Gesicht, als fiele eine Last von ihr. Allmählich schien sie zu begreifen, welche Verantwortung auf ihr lastete. Zumindest interpretierte Zoe Malins Gesichtsausdruck in dieser Weise.
„Alle Kameras haben einen Autofocus und automatische Blendeneinstellungen. Ich benutze beides in der Regel manuell. Dir das zu erklären, halte ich für viel zu kompliziert. Deshalb stelle ich überall die Automatik ein. Darf ich?“ Zoe kam Malin näher. Ein herber Duft stieg ihr in die Nase. Mh, riecht das gut! Zoe, mehr Konzentration, bitte! Es ging hier nicht um irgendwelche herrlichen Düfte, sondern um ihre Existenz. Eilig nahm sie die manuellen Einstellungen wieder heraus und stellte auf Automatik um. „Jetzt schau doch bitte einmal durch den Sucher.“
Zoe zeigte auf das kleine gläserne Rechteck. Sie vermutete, Malin kannte nur die großen Displays, auf denen der Bildausschnitt einer kleinen Digitalkamera zu sehen war.
„Vielen Dank auch. Ich bin ja keine Idiotin. So einen Sucher hat meine Lumix auch!“
„Sorry! Die meisten Menschen wissen nicht mehr, was ein Sucher ist. Es sollte nicht so klingen, als würde ich dich für doof halten“, sagte Zoe mit einem schiefen Lächeln. „Und schon gar nicht wollte ich besserwisserisch klingen.“
„Ist schon gut!“ Malin übernahm die Kamera, schlang den Gurt um ihren Hals und hob sie an, damit ihr rechtes Auge durch den Sucher sehen konnte.
„Am rechten oberen Rand befindet sich der Auslöser. Wenn du ihn vorsichtig herunterdrückst erscheinen eine Menge Zahlen im Sucher. Das kennst du sicher von der Lumix.“
„Hmhm!“ Malins konzentrierten Gesichtsausdruck kannte Zoe schon. Sie konnte also die Zahlen sehen.
„Du ignorierst sie einfach. Suche dir ein Motiv und achte darauf, dass es scharf zu sehen ist. Dann drückst du den Zeigefinger komplett herunter.“
Ein lautes „Klick“ erklang. „Dein erstes Foto mit einem Teleobjektiv, vermute ich.“
„Diesmal vermutest du richtig. Aber die Kamera mit dem Tele funktioniert ja genau wie deine anderen Spiegelreflexkameras, außer dass diese hier megaschwer ist. “
„Das hast du vollkommen richtig beobachtet. Die Ausrüstung in meinem Koffer bringt mich regelmäßig an den Rand meiner Leistungsfähigkeit, wenn es ans Tragen geht. Außerdem hat mich der Kauf der Ausrüstung damals ein Vermögen gekostet.“ Zoe lächelte. „Die Kameras funktionieren alle ähnlich. Und wenn du einmal das Prinzip kapiert hast, ist es ein Kinderspiel, damit umzugehen.“
Zoe nahm Malin die Kamera aus der Hand, um sich das Foto anzusehen. „Schau! Das Foto ist dir gut gelungen. Mach noch ein paar und suche dir so viele Motive wie möglich.“ Sie reichte Malin die Kamera ein zweites Mal.
Zoe setzte sich auf einen der Liegestühle. Sie spürte die Anstrengung, Kameras zu heben und zu halten sowie deren Handhabung zu erklären. Außerdem schmerzte der linke Arm etwas und erinnerte sie daran, dass sie ihn ruhig halten sollte. „Ich werde sicher ab und an für ein unbewegliches Ziel die Einstellungen manuell verändern. Wir probieren einfach verschiedenes aus.“
„Klingt gut.“
Zoe sah Malin die Kamera auf Augenhöhe heben und hörte sie in kurzen Abständen auf den Auslöser drücken. Voller Enthusiasmus und Ernsthaftigkeit, wie Zoe zu beobachten glaubte. Dabei zeigte sich immer wieder Malins Zunge im rechten Mundwinkel. Niedlich. Zoe schloss die Augen, um sich von dieser mimischen Niedlichkeit ihrer Aushilfs-Fotografin nicht aus dem Konzept bringen zu lassen.
„Ach, übrigens“, Zoe versuchte, beiläufig zu klingen, als Malin nach einer erklecklichen Zahl von Fotos die Kamera aus der Hand legte – allesamt mit einem Blick fürs Wesentliche, wie Zoe bei der Durchsicht feststellte. „Ich habe vorhin ein Fax von Frau Johansen bekommen. Sie hat sämtliche Gesprächsvereinbarungen bestätigt und dir Versicherungsschutz garantiert.“
„Wow“, zeigte Malin sich beeindruckt. „Das neue Journal muss der Chefetage wirklich wichtig sein, sonst hätten sie nicht die meiner Meinung nach beste Fotografin der Welt engagiert und auch noch ihrer dilettantischen Helferin Versicherungsschutz gewährt.“
Zoe spürte die Röte vom Hals an aufsteigen und ihr Gesicht überfluten. „Was ich nur recht und billig finde. Und ob du tatsächlich dilettantisch bist, werden wir erst noch sehen.“