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Der Euro, die Macht und der Markt 10. Januar 2012 - Lob für Anleger und Spekulanten
ОглавлениеEs ist schon merkwürdig: Während Kanzlerin Merkel in der Eurokrise knallharte Machtpolitik betreibt, preisen Ex-Außenminister Fischer und Zeit-Herausgeber Joffe die „segnende“ Kraft der Märkte. Fischer behauptet sogar, nicht Merkel, sondern die Märkte hätten „europäische Fortschritte“ herbeigeführt – was für ein Irrtum!
Gestern haben die Märkte – also Banken, Versicherungen und andere Anleger – Deutschland erstmals Geld dafür geschenkt, dass es sich weiter verschuldet. Gleichzeitig ist der italienische Spread wieder auf Rekordniveau angestiegen. Dies zeigt, welche Macht die Investoren haben: Deutschland wird gestärkt, Italien an den Rand des Staatsbankrotts gebracht – ohne dass Merkel oder Italiens Premier Monti auch nur einen Finger gekrümmt hätten.
Für mich sind diese Launen der Investoren irrational und gefährlich. Sie widerlegen nicht nur das deutsche Dogma der regelgeleiteten Finanzpolitik, sondern treiben auch einen Keil zwischen die Länder der Eurozone. Deutschland steht auf der Gewinner-, Italien auf der Verliererseite – egal, ob nun der Multimillionär Berlusconi oder der Goldman-Sachs-Experte Monti regieren.
Man sollte erwarten, dass die Politik gegensteuert – und alles daran setzt, die Spreads zu senken und die Spaltung zu vermeiden. Doch das Gegenteil ist der Fall. Merkel stützt sich auf die Märkte, um die deutsche Dominanz in Europa zu festigen. Alle Vorschläge, das Problem an der Wurzel zu packen – durch Eurobonds oder entschiedene Interventionen an den Anleihemärkten – lehnt sie ab. Macht und Märkte gehen so eine Allianz ein, Merkel nützt die Angst vor dem Eurocrash zu ihren Gunsten.
Unsere grünen und liberalen „Experten“ sehen dies aber ganz anders. Joffe behauptet, Deutschland sei zum „guten Hegemon“ berufen, die Macht sei Merkel sozusagen in den Schoß gefallen. „Es rollten keine Panzer, sondern nur deutsche Euro. Die schärfsten Waffen im Arsenal der Kanzlerin? Mal das gestrenge Wort, mal der offene Geldbeutel – und dazwischen die unermüdliche Diplomatie.“
Der deutsche Euro rollt? Erstens ist der Euro nicht deutsch, und zweitens sind die Finanzhilfen keine Geschenke, sondern Darlehen, die es nur gegen knallharte Auflagen gibt und die mit Zins und Zinseszins zurückzuzahlen sind. In den Auflagen, die Griechenland gerade ins Desaster führen, steckt die Macht, und in den Zinsen der Markt. Und an wen gehen die Zinsen? An den Bund und an die deutschen, französischen u.a. Banken, die Griechenland Geld geliehen haben. Die Griechen sehen davon so gut wie nichts, der Bund profitiert.
Das ist der Mechanismus, der Europa seit zwei Jahren kaputt macht.
Doch bei Ex-Außenminister Fischer wird daraus – Achtung, Dialektik! – eine wunderbare List der Vernunft, die nicht etwa hinter dem Rücken der Politik, sondern durch die unsichtbare ordnende Hand der Märkte wirkt. Ihn interessiert natürlich nicht Griechenland, wo Macht und Markt besonders schlimm wüten, sondern Italien, wo sein Lieblingsfeind Berlusconi endlich weg vom Fenster ist: „Es war nicht die Politik, die Berlusconi gestürzt hat, das taten die Märkte. Und es war auch nicht die Politik, welche die Tür zur Fiskal- und danach zur politischen Union geöffnet hat, auch hier waren die Märkte am Werk.”
Das ist wirklich starker Tobak. Mag sein, dass „die Märkte“ Berlusconi gestürzt haben, wie der Ex-Grüne behauptet (ich denke, Merkel hatte auch ihre Finger im Spiel, so schreibt es z.B. das „Wall Street Journal“). Aber dieselben Märkte machen eben auch Monti das Leben schwer – und das, obwohl dieser angeblich die Märkte versteht und alles richtig macht.
Und die Fiskalunion, die Fischer als „Stabilitäts- und Haftungsunion“ preist (warum, bleibt schleierhaft), wurde nun wirklich nicht von Ackermann & Co. konzipiert. Sie kommt aus dem Kanzleramt und dient einzig und allein dem Zweck, Europa eine Fiskaldisziplin aufzuoktroyieren, die Deutschland offenbar selbst nicht einhalten kann .
Früher hatte Fischer mal den Ruf, ein knallharter Machtpolitiker zu sein. Auf seine alten Tage versucht er sich nun – ähnlich wie Joffe – als philosophierender Historiker. Da Ergebnis überzeugt mich nicht nicht…