Читать книгу Wir retten die Falschen - Eric Bonse - Страница 8
Wetten gegen Europa 16. Juni 2011 - Die Märkte und die Griechenland-Krise
ОглавлениеDie EU verschiebt die Lösung der Schuldenkrise in Griechenland auf die Sommerpause. Man habe sich mit dem IWF darauf geeinigt, erst einmal die im Juli fällige (und bisher blockierte) Tranche der Hilfszahlungen zu zahlen und danach weiter zu sehen, sagte Währungskommissar Rehn in Brüssel. Damit gewinnen die Europäer Zeit, ihren Streit über die deutschen Forderungen nach einer Beteiligung privater Gläubiger beizulegen. Doch eine Lösung ist das nicht.
Denn je länger die Europäer warten, desto größere Kreise zieht die Krise. Schuld daran ist nicht etwa ein griechisches „Virus” oder eine neuartige „Ansteckungsgefahr”, wie es in den Medien immer wieder heißt. Streng genommen hat Griechenland mit der Ausbreitung gar nichts zu tun. Zum Flächenbrand kommt es vielmehr, weil die Märkte verrückt spielen und gegen alles und jedes spekulieren, das dem griechischen Problem in irgendeiner Form ähnelt – genau wie in der Finanzkrise, in der das Problem Lehman Brothers urplötzlich jede noch so solide Bank erfasste.
An den Märkten ist schon jetzt ein regelrechtes Wettfieber ausgebrochen. Investoren setzen nunmehr auf einen „griechischen Unfall“ und erhöhen ihre Einsätze massiv. Zugleich weiten Spekulanten ihre Wetten gegen (noch) stabile Länder wie Italien, Spanien und Belgien aus. Irland und Portugal müssen ohnehin schon seit Wochen für Griechenland und die europäische Entscheidungsschwäche mithaften. Auch die Börse und die Devisenmärkte bleiben von den Attacken nicht verschont; der Euro erleidet einen neuen Schwächeanfall.
Eigentlich würde man in einer solchen Situation ein entschiedenes Gegensteuern erwarten, zum Beispiel vom Eurogruppenchef Juncker, EZB-Präsident Trichet oder Kommissionschef Barroso. Die ersten beiden nennen sich ja gern „Mister Euro”, Barroso präsentiert sich wo immer möglich als „Monsieur Europe”. Doch die sonst so beredsamen Herren schweigen. Offenbar sind sie um eine Antwort verlegen. Alles starrt auf das Treffen von Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Staatschef Sarkozy in Berlin, von dem ein Durchbruch erhofft wird.
Immerhin hat Sarkozy angekündigt, den Euro gegen alle Angriffe zu verteidigen. Dies sei „die Pflicht“ aller EU-Politiker, sagte er. Der nächste Hilfsplan für Griechenland, der bis zu 120 Mrd. Euro umfassen soll, sei so gut wie sicher. Berlin und Paris stritten nur noch um die Form. In Wahrheit hängt der Haussegen zwischen beiden Länder jedoch schief. Sarkozy wirft Merkel vor, sie engagiere sich zu wenig für Europa und interessiere sich nicht mehr für Frankreich. Fest steht, dass Merkel ihre Umschuldungs-Pläne nicht – wie früher üblich – mit Sarkozy abgesprochen hat.
Insgesamt gibt die EU ein desolates Bild ab. Obwohl die Eurozone sturmreif geschossen wird und Griechenland in Chaos und Anarchie versinkt, scheint niemand mehr in der Lage, Entscheidungen zu treffen und das Blatt zu wenden. Die Chefin der US-Finanzaufsicht, Blair, warnt schon vor einem Crash in Europa. Sie sei tief besorgt wegen der Kreditqualität einer Reihe von Ländern und des Engagements einiger Banken dort, sagte sie. Die US-Expertin wäre allerdings besser beraten, sich mit ihren Kollegen aus Europa zusammenzusetzen, um das globale Kasino zu bändigen und die gefährlichen Wetten gegen Europa zu beenden, bevor es zu spät ist…