Читать книгу Wir retten die Falschen - Eric Bonse - Страница 7
Tabu Marktversagen 26. Mai 2011 - Wer hat Schuld an steigenden Spreads?
ОглавлениеDie Stimmen zur Schuldenkrise in Griechenland werden immer schriller. Die griechische EU-Kommissarin Damanaki fürchtet die Rückkehr ihres Landes zur Drachme, Bundesfinanzminister Schäuble warnt vor einem globalen Kollaps à la Lehman Brothers. Aus lauter Verzweiflung tischen die EU-Politiker fast täglich neue Lösungsvorschläge auf. Nur ein Thema sprechen sie nie an: das eklatante Marktversagen in der Eurozone.
Für Damanaki ist es ein Kampf um Sein oder Nichtsein: Entweder verschärfe die Regierung in Athen ihren Sparkurs nochmals, oder Griechenland müsse die wichtigste Errungenschaft nach dem Krieg, den Euro, aufgeben. Noch dramatischer klingt es bei Schäuble: Entweder erhalte Griechenland mehr Zeit für die Budgetsanierung (hört, hört!), oder es komme zu einer Umschuldung, die dann die globalen Finanzmärkte erschüttern könnte.
Warum die Märkte so sensibel auf die Schuldenkrise in einem kleinen und – seien wir doch mal ehrlich – selbst für die Eurozone unbedeutenden Land reagieren, können jedoch weder Schäuble noch Damanaki erklären. Seit Monaten steigen die Spreads, also die Zinsdifferenzen zwischen deutschen und griechischen Staatsanleihen. Nach einer kurzen Erholung im Mai 2010, als das erste Rettungspaket aufgelegt wurde, ging es wieder stramm aufwärts.
Bereits seit Anfang 2011 sind die Risikoaufschläge wieder auf Rekordniveau. Aktuell verlangen Investoren 14 Prozent mehr Rendite für zehnjährige griechische Staatsanleihen als für deutsche Bundesanleihen. Auf diesem Niveau ist eine Rückkehr an die Märkte, die eigentlich für 2012 geplant war, illusorisch, zumal die Tendenz weiter nach oben geht.
Eigentlich hätten die Spreads aber sinken müssen, schließlich ist die Refinanzierung der griechischen Schulden ja nun gesichert. Zu Jahresbeginn gab es auch noch keine Welle von schlechten Nachrichten, wie derzeit, im Gegenteil: in den letzten Monaten stellten die Griechen sogar einen Sparrekord auf, wie die OECD jetzt feststellte.
Noch eklatanter ist das Marktversagen bei Irland und Portugal, wo die Zinsen auch ständig steigen – und zwar meist als Reaktion auf schlechtere Ratings, die aber selten durch neue Entwicklungen begründet sind. Auch die Probleme in Athen, die nichts mit den Sorgen in Dublin und Lissabon zu tun haben, sorgen für steigende Refinanzierungskosten.
Es sind aber just diese willkürlichen Ratings und erratischen Spreads, die die Refinanzierungskosten für überschuldete Staaten massiv erhöhen und damit die Krise weiter verschärfen. Seit Beginn dieses Jahres ist in der Eurozone ein Teufelskreis zustande gekommen, der umso absurder wirkt, als ebenso oder höher verschuldete Länder wie die USA, Japan oder selbst Großbritannien von den Märkten mit Nachsicht behandelt werden.
Wie schon oft in diesem Blog beschrieben, handeln die Marktakteure nicht rational, sondern folgen Vorgaben – meist aus den USA – und Erwartungen, die zum Beispiel mit dem Scheitern der so genannten PIGS-Staaten beschrieben werden. Griechenland ist in dieser Vorstellungswelt nur der Türöffner für lukrative Geschäfte gegen Irland, Portugal, Spanien – oder eben auch Italien und Belgien, die nun ebenfalls ins Visier der Spekulanten geraten sind.
Warum wagt es niemand in Brüssel oder Berlin, dieses zentrale Problem anzusprechen? Wenn es zum Super-Gau kommt und sich Griechenland tatsächlich zu einem zweiten Lehman Brothers entwickelt, ist es definitiv zu spät…