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1 Wetten gegen Europa Hintergründe der Eurokrise Politik gegen Europa 17. März 2011 - Moody‘s stuft Griechenland herab
ОглавлениеSage niemand, die Rating-Agenturen seien neutrale Markt-Beobachter. Die brutale Herabstufung der Bonität Griechenlands durch die US-Agentur Moody‘s beweist das Gegenteil. Kurz vor dem Eurozonen-Gipfel am Freitag hat Moody‘s das Land mal so eben um drei Punkte auf Ramsch-Niveau abgewertet - sogar noch tiefer als das postrevolutionäre Tunesien. Und das, obwohl keine neuen Negativ-Meldungen vorliegen und die Regierung in Athen alle EU-Vorgaben erfüllt.
Griechenland ist laut Moody's nur noch drei Punkte vom Zahlungsausfall entfernt. Dabei wird der griechische Schuldendienst bis 2013 von der EU garantiert. Das Ziel dieser krassen Fehlbewertung ist klar: Moody‘s will Griechen und Europäer zwingen, Farbe zu bekennen. Entweder greift die EU dem Land endlich beherzt unter die Arme, indem sie die Zinsen für die EU-Hilfen senkt und griechische Anleihen aufkauft, oder es wird Zeit für eine Umschuldung.
Doch für beides gibt es bisher in Europa keine Mehrheit, das weiß man auch in Washington. Die Herabstufung verfolgt daher - ob bewusst oder unbewusst, sei dahingestellt - noch ein weiteres Ziel: Die Handlungsfähigkeit der EU zu testen. Letztlich geht es gar nicht mehr um ein rationale ökonomische Analyse der Kreditwürdigkeit eines Landes, sondern um eine sachlich kaum fundierte Meinung, mit der Politik gemacht werden soll und wird - zu Lasten Europas.
Man könnte sogar noch weiter gehen und ein anti-europäisches Ressentiment vermuten. Schließlich stand schon zu Beginn der Schuldenkrise ein solches Ressentiment. Angelsächsische Analysten prägten das Kunstwort von den „PIGS“-Staaten, um die Kreditwürdigkeit Portugals, Italiens, Griechenlands und Spaniens in Zweifel zu ziehen und die europäischen „Schweine“ (die wie zufällig fast alle sozialistisch regiert wurden) herabzuwürdigen.
Seither werden die „PIGS“ systematisch fertiggemacht. Obwohl Portugal und Spanien ihre Schulden noch locker bedienen können, werden sie durch Gerüchte und Downgradings immer tiefer in den Trudel der so genannten Eurokrise gezogen (die in Wahrheit eine Bankenkrise ist).
Obwohl Irland und Griechenland immer noch besser dastehen als mancher US-Bundesstaat (und natürlich auch als Tunesien), senken die Analysten den Daumen immer tiefer. Selbst wenn sie genau jene Reformen umsetzen, nach denen die Analysten rufen, droht eine Herabstufung - denn damit verschlechtern sich ja die Wachstumsaussichten...
Möglich wird dieser Teufelskreis allerdings nur, weil die Europäer es versäumt haben, die Macht der Märkte zu begrenzen. Sie haben es nicht nur unterlassen, Analysten, Tradern und Ratingagenturen wirksame Fesseln anzulegen.
Einige EU-Länder wie Deutschland haben die Märkte sogar noch regelrecht ermutigt, höhere Risikoprämien für so genannte Schuldenländer zu nehmen, um diese für ihre verfehlte Finanzpolitik zu bestrafen. Gleichzeitig wehren sie sich mit Händen und Füssen gegen die Einführung von Eurobonds, die mehr Liquidität schaffen und den Markt beruhigen würden.
Das Ergebnis lässt sich nun besichtigen: Nicht mehr die Politiker bestimmen die EU-Agenda, sondern die Märkte machen Politik - im Zweifel auch gegen Europa.