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Erstes Kapitel 1

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Dass eine Armeepatrouille weniger als eine Meile von seinem Bungalow entfernt einer Terroristenbande aufgelauert hatte, dass fünf Monate später Girija Krishnan, sein indischer Sekretär, ihm gemeldet hatte, von den Trockenplätzen seien drei Zeltplanen verschwunden, und dass drei Jahre danach irgendjemand von einem alten Roller, der einem seiner Kinder gehörte, die Räder abmontiert hatte – das war alles, was Mr. Wright, der Manager der Gummiplantage, jemals von der Angelegenheit erfuhr. Da es ihm nie in den Sinn kam, einen möglichen Zusammenhang zwischen diesen drei Vorkommnissen zu vermuten, musste er ihm auch verborgen bleiben. Es gab damals in Malaya wichtigere Dinge, über die man sich den Kopf zerbrach und die man sich zusammenzureimen versuchte. Gestohlene Zeltplanen und fehlende Räder an einem Kinderroller waren belanglose Rätsel. Und der erste Vorfall blieb nicht so sehr deswegen im Gedächtnis, weil er ungewöhnlich war, sondern vielmehr, weil er sich in so unmittelbarer Nähe abgespielt hatte.

Mr. und Mrs. Wright saßen gerade beim Frühstück, als sie die Schüsse hörten. Es fing mit ein paar Maschinengewehrsalven an und dauerte, die Pausen mitgerechnet, etwa zwei Minuten.

Der Lastwagen, der die Plantagenarbeiter zu ihren Arbeitsplätzen hinausbringen sollte, hatte das Lager noch nicht verlassen. Und obwohl es viel Geschrei und Aufregung gegeben hatte, war nur leichte Verwirrung und keine Panik entstanden. Noch bevor die Schüsse aufgehört hatten, waren die Stacheldrahtbarrikaden errichtet und die inneren Verteidigungsposten bezogen worden. Während der anhaltenden Stille, die dann eintrat, beruhigte Mrs. Wright die Hausangestellten und bestellte frischen Toast und Tee nach, damit sie und ihr Mann das Frühstück beenden konnten.

Um halb neun erschien die Patrouille: fünfzehn malaiische Infanteristen unter dem Kommando eines britischen Leutnants, sowie zwei Funker der Royal Air Force. Sie waren wochenlang im Dschungel gewesen und konnten damit rechnen, dass man ihnen nach dem heutigen Erfolg eine Ruhepause gönnen würde. Sie lachten und schwatzten, als sie den steilen Pfad zum Lager hinaufstapften.

Kurz nach ihrem Eintreffen wurde Girija zum Bungalow gerufen. Als er die Stufen zur Veranda hinaufging, sah er, dass der Offizier, auf dessen dschungelgrünes Buschhemd die Schwingen der Fallschirmjäger genäht waren, ein milchgesichtiger blauäugiger Engländer war. Mrs. Wright schenkte ihm eine Tasse Tee ein.

»Alles Chinesen. Sieht so aus, als hätten sie vorgehabt, die Hauptstraße zu verminen«, sagte er. »Wir haben die Bande gefasst.«

»Gut gemacht«, bemerkte Mr. Wright.

»Hätte besser sein können, Sir.« Der junge Offizier grinste. »Sind alle draufgegangen dabei. Tote kann man nicht nach ihren Verbündeten fragen.«

Mr. Wright lachte in sich hinein. Dann sah er seinen Sekretär draußen auf der Veranda warten und winkte ihn herein.

»Girija, hier ist Leutnant Haynes. Er hat gerade eine Bande von Terroristen erledigt. Ich habe ihm ein paar Männer zugesagt, die ihm beim Beerdigen helfen sollen. Wollen Sie das übernehmen?«

»Selbstverständlich, Sir.« Girija wandte sich mit einer leichten Verbeugung an den Offizier.

Leutnant Haynes lächelte leutselig. »Ich habe zwei Mann dort als Wache zurückgelassen«, sagte er. »Sie werden Ihren Leuten zur Hand gehen, wenn Sie ein paar Spaten mehr mitschicken. Ich glaube, der Boden ist ziemlich locker. Wird nicht lange dauern. Wenden Sie sich an meinen Sergeanten, damit er Ihnen einen Führer mitgibt.«

»Danke, Sir. Ich werde alles Nötige veranlassen.«

Das Lächeln des Offiziers wurde schwächer. »Schon viele tote Terroristen in dieser Gegend gesehen?«, fragte er.

»Nein, Sir. Hatte bisher noch nicht das Vergnügen.«

»Nun gut. Sehen Sie zu, dass Sie die Neuigkeit unter die Leute bringen.«

»Ich verstehe, Sir. Zwei Mann aus jedem Kampong?«

»Recht so. Und sagen Sie ihnen, sie würden noch viele Tote sehen, bevor wir uns geschlagen geben.«

Girija lächelte höflich und trat ab, um den Beerdigungstrupp zusammenzutrommeln.

Über die Hintergründe war er sich im klaren. Seit langem hatten die Behörden die Bewohner der umliegenden malaiischen Dörfer im Verdacht, dass sie den kommunistischen Guerillas Verpflegung und Unterkunft gewährten. Nicht dass die Dorfbewohner mit den Eindringlingen sympathisierten: aber jede Weigerung, ihnen zu helfen, konnte grausame Vergeltungsmaßnahmen nach sich ziehen, die sie mehr einschüchterten als die Möglichkeit, von den Engländern zu Geldbußen oder anderen Kollektivstrafen verurteilt zu werden. Sie waren kein kriegerisches Volk, ihre Dörfer lagen meist abseits; die britischen Streitkräfte waren dünn gesät. Zu oft schon war offiziell versichert worden, die Polizei und die Armee würden nun die Oberhand gewinnen und seien durchaus in der Lage, die abseits gelegenen Gebiete zu schützen, und zu oft hatten sich derartige Zusicherungen als falsch erwiesen. Die Dorfbewohner glaubten jetzt nur noch das, was sie mit eigenen Augen gesehen oder was ihre eigenen Leute zu berichten hatten. Tote Terroristen zählten nur, wenn ihre Leichen vorgezeigt wurden. Das Beerdigungsunternehmen war also eine Art moralischer Aufrüstung, ein Kunstgriff der Meinungssteuerung.

Girija machte den Vorarbeiter ausfindig und erklärte ihm, was benötigt wurde: je zwei Mann aus den vier benachbarten Dörfern sowie Hacken und Schaufeln. Dann ging er zu dem malaiischen Sergeanten und ließ sich einen Führer geben. Binnen zwanzig Minuten war die Gruppe zum Abmarsch bereit. Offensichtlich hatte der Vorarbeiter gehofft, mitkommen zu dürfen, aber Girija schickte ihn und die restlichen Leute mit dem Lastwagen zur Arbeitsstelle zurück. Er hatte beschlossen, die Leitung des Beerdigungskommandos selber zu übernehmen.

Die Kampfhandlung hatte in einem tiefen Graben stattgefunden, der vom Monsunregen aus dem roten Gestein des Hügelabhangs herausgewaschen worden war. An seinen Rändern wuchsen Bambusgestrüpp, Farnbäume und dichtes Krotonunterholz. Auf diesem unzugänglichen Hügelabhang war der Graben so etwas wie eine natürliche Straße und bot sich für einen Überfall aus dem Hinterhalt geradezu an.

Zehn Tote lagen dort; vier nur wenige Meter voneinander entfernt und die übrigen in Abständen von etwa fünfundzwanzig Metern über die ganze Länge des Grabens verteilt. Was sich abgespielt hatte, war offensichtlich. Die Patrouille hatte im Unterholz zu beiden Seiten des Grabens in Deckung gelegen und konnte direktes Feuer eröffnen, ohne dabei befürchten zu müssen, die eigenen Leute zu treffen oder den Feind unten im Graben zu verfehlen. Die Körperhaltung von einigen Toten ließ erahnen, dass die Betreffenden verzweifelt versucht hatten, blitzschnell hinter dem Wurzelwerk eines umgestürzten Baumes Deckung zu suchen. Einer war in den Rücken getroffen worden, als er davonrennen wollte. Der am weitesten abseits Liegende hatte noch versucht, das Feuer der Patrouille zu erwidern. Leere Patronenhülsen lagen um ihn verstreut; aber er war tot wie alle anderen. Die Patrouille hatte keine Verluste gehabt.

Die beiden malaiischen Soldaten, die als Wache zurückgeblieben waren, hockten vor einem Spirituskocher, rauchten und kochten Tee. Vom Beerdigungstrupp nahmen sie keine Notiz. Auf einer Zeltplane neben ihnen waren die Waffen und Ausrüstungsgegenstände aufgestapelt, die man den Toten abgenommen hatte: Maschinenpistolen, Kisten mit Munition und Straßenminen, Leinengürtel, in deren Taschen Granaten steckten.

Der Soldat, der das Beerdigungskommando vom Lager hergeführt hatte, gesellte sich zu seinen Kameraden. Girija wusste, dass sie nur dann beim Schaufeln mithelfen würden, wenn er ihnen sagte, dass Leutnant Haynes es so befohlen hatte; doch die Mühe sparte er sich. Als er sich kurz in dem Graben umsah, machte er zwei kleine Entdeckungen. Sie erweckten seine Neugierde und den Wunsch, mehr über die toten Terroristen zu erfahren. Er ließ das Beerdigungskommando mit der Arbeit anfangen und setzte sich in der Nähe auf die Erde.

Zunächst war ihm die Tatsache aufgefallen, dass keinerlei Kochgerät bei den Toten gefunden worden war, obwohl man sie durchsucht und ihnen alle Waffen und Ausrüstungsgegenstände abgenommen hatte. Man konnte also mit einiger Sicherheit annehmen, dass ihr Lager nicht weiter als einen Tagesmarsch entfernt war. Was wiederum darauf schließen ließ, dass sie wahrscheinlich von einem der vier Dörfer in der Umgebung der Plantage unterstützt wurden. Wenigstens zwei Männer des Begräbniskommandos mussten sie zumindest vom Sehen her kennen.

Die zweite Entdeckung bezog sich auf die Waffen und die übrigen Ausrüstungsgegenstände. Die Maschinenpistolen waren zweifellos neu; nicht unbedingt dem Typ nach neu, aber neu erworben. Sein Vater war Subahdar in der britischen Armee gewesen, und Girija hatte seine Kindheit in Kasernen und Mannschaftsquartieren verbracht. Er wusste, wie neue Waffen aussahen und wie schnell sie durch Gebrauch und regelmäßiges Reinigen eine Art Patina bekamen. Mindestens drei der Maschinenpistolen auf der Zeltplane konnten erst kürzlich ausgepackt worden sein; sie waren so wenig benutzt und gereinigt worden, dass an ihnen noch Spuren von braunem Schutzfett sichtbar waren. Ebenfalls neu waren die Munitionskisten, die Minen und die Granaten. Die Granaten waren zwar alten Typs, aber ihr grauer Farbanstrich war frisch, und die Schrauben blitzten vor Sauberkeit.

Der Graben wurde nur teilweise von den überhängenden Bäumen beschattet, und gegen elf Uhr schien die Sonne direkt hinein. Die Plantagenarbeiter waren Handwerker; sie verstanden sich darauf, die Gummibäume so vorsichtig anzuzapfen, dass sie nicht beschädigt wurden. Gräber schaufeln, und das auf einem Hügel, dessen Boden sich, entgegen den Zusicherungen von Leutnant Haynes, als steinhart erwies, war sichtlich nicht ihre Lieblingsbeschäftigung. Die Erregung über das Ereignis vom Morgen, über den Anblick von zehn blutigen Leichen, hatte sich schnell gelegt. Als das dritte Grab ausgehoben war, hatten die meisten Männer ihre gewohnt gute Stimmung verloren. Kritische Stimmen über die Soldaten wurden laut, die im Schatten hockten und Tee tranken, während die anderen den Dreck wegräumten, den sie verursacht hatten. Einige murrten vernehmlich, der Sekretär des Tuan könnte sich durchaus noch etwas beliebter machen, indem er selber eine Schaufel anpackte und sich an der Arbeit beteiligte.

Girija überging diese unwürdige Zumutung gleichmütig. Die Unzufriedenheit der Plantagenarbeiter interessierte ihn aus ganz anderen Gründen. Er war sich jetzt nahezu sicher, in welcher Gegend die Bande ihr Hauptquartier aufgeschlagen hatte. Nur zwei Männer des Begräbniskommandos waren unverändert guter Dinge geblieben. Im allgemeinen verstanden Malaien ihre Gefühle nur schlecht zu verbergen, und diesen beiden war die Befriedigung über den Gang der Ereignisse und die Art ihrer Tätigkeit anzumerken, obwohl sie sich alle Mühe gaben, eine finstere Miene zu zeigen wie die anderen. Girija sah sie eine der Leichen mit unmissverständlicher Genugtuung in das Erdloch werfen und sich dann schuldbewusst umblicken, weil sie einander zugegrinst hatten.

Die beiden Männer kamen aus Awang, einem Dorf, das drei Meilen weiter westlich an einem Fluss lag. Früher gab es dort in der Gegend Zinnbergwerke, aber die verminderte Ausbeute und die steigenden Kosten hatten die Minen unrentabel gemacht. Seitdem waren die wenigen Arbeitskräfte von Awang von den Gummiplantagen aufgesogen worden.

Ein paarmal war Girija im Dorf gewesen, um Krankengelder an Familien auszuzahlen, deren Männer im Hospital lagen; aber gut kannte er das Dorf nicht. Es lag am Ende einer Nebenstraße, die in den letzten Jahren so heruntergekommen war, dass man sie praktisch nur noch mit dem Fahrrad benutzen konnte. Hinter den alten Zinnbergwerken erstreckten sich die dschungelbedeckten Hügel bis hin zur Grenze nach Thailand. In dieser üppigen Wildnis konnten kleine Gruppen guttrainierter Männer, die sich körperlich und seelisch auf ihre Umgebung eingestellt hatten, sozusagen ungehindert leben und mobil bleiben. Es war damals ebenso wenig möglich, diese Gegend polizeilich zu kontrollieren, wie den Strom chinesischer Guerillakämpfer aufzuhalten, der vom Norden her in die Halbinsel eindrang. Dörfer wie Awang wurden zu Stützpunkten für Terroristengruppen, die sich vorsichtig nach Süden in die politisch gefährdeteren Gebiete von Selangor, Negri Sembilan, Malakka und Johore vorarbeiteten. Wahrscheinlich hatten die Männer, die jetzt verscharrt wurden, nicht weiter als eine Meile von Awang entfernt ihr Lager aufgeschlagen; heute Nacht wären sie dorthin zurückgekehrt, hätten Verpflegung empfangen, Nachrichten gesammelt, den Dorfältesten eingeschüchtert und Freiwillige geworben.

Girija ging zu den beiden Plantagenarbeitern hinüber und beobachtete sie beim Zuschaufeln des Grabes. Als er sich ihnen näherte, verstummten sie. Nach einer Weile trat er an sie heran.

»Eine gute Tagesleistung«, bemerkte er.

Sie blickten ihn misstrauisch an.

Er lächelte. »Das Vergangene begräbt sich selbst.«

Das bewirkte ein blödes Grinsen.

»Und ehrliche Leute sind wieder frei«, fügte er hinzu.

Sie arbeiteten weiter. Die Leiche war jetzt mit Erde bedeckt.

»Der Tuan war froh«, sagte Girija nachdenklich, »froh, dass keines dieser Schweine von hier ist. Für ihn war es ein Beweis für die Treue und den Mut unserer Leute.«

Wieder sahen sie ihn an. Einer der beiden brummte: »Der Tuan ist wie ein Vater zu uns.«

»Schade, dass der Tuan Leutnant nicht seiner Meinung ist«, fuhr Girija fort.

Sie sahen ihn bestürzt an.

Girija zuckte mit den Schultern. »Er sagte, dass die Bande erst kürzlich in diese Gegend gekommen sei. Er meinte, eine Woche sei zu kurz für einen Treuebeweis.«

Jetzt hatte er sie bei ihrer Ehre gepackt. Ihre Bestürzung wurde von Empörung abgelöst. Der, der schon vorher gesprochen hatte, ergriff jetzt wieder das Wort. »Der Tuan hat recht«, sagte er bestimmt. »Der Tuan Leutnant sagt nicht die Wahrheit.«

Wieder zuckte Girija mit den Schultern. »Es ist ja auch nicht wichtig.«

»Der Tuan Leutnant hat unrecht«, beharrte der Mann. »Es waren viele Wochen.«

Girija grunzte zustimmend.

»Viele Wochen«, wiederholte der andere Mann mit Nachdruck.

Girija streckte abwehrend die Hände aus. »Mich geht es nichts an. Vielleicht solltet ihr das dem Tuan Leutnant melden.« Er bemerkte die plötzliche Angst in ihren Augen und fuhr beschwichtigend fort: »Ich selbst halte es allerdings nicht für nötig oder angebracht. Die Schweine sind tot. Am besten, man redet nicht mehr davon.«

»Ja, ja. Das ist das Beste. Wir wollen es vergessen.«

Girija lächelte wohlwollend und ging weiter. Er wusste, dass sie ihm ängstlich nachblickten und sich fragten, ob er sie an den Leutnant verraten würde. Er hatte nicht die Absicht, das zu tun; aber es war sinnlos, sie beruhigen zu wollen; sie würden ihm doch nicht glauben. Sein Ziel hatte er jedenfalls erreicht, was er wissen wollte, hatte er herausgefunden.

Waffenschmuggel

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