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Vorwort
ОглавлениеNach der erfolgreichen Kleinen Geschichte Frankens von Anna Schiener erscheint nun im selben Verlag eine in drei Bände aufgeteilte „Kleine Geschichte“ aller drei fränkischen Regierungsbezirke respektive ihrer Vorgänger. Es ist sicher nicht alleine die Vielzahl historischer Ereignisse und der mit Franken zu verbindenden kulturellen Höhepunkte, die nach einem solchen Schritt verlangt – die Zahl der Druckseiten hätte ein engagierter Lektor ohne Zweifel kürzen können. Eher wird man die geringe Schnittmenge an Verbindendem in der Geschichte der drei fränkischen Bezirke mindestens vor 1803 anführen können: Das Bistum Bamberg ist im Hochmittelalter aus dem Diözesangebiet des Bistums Würzburg heraus gegründet worden und gerade in der Barockzeit wurden beide Bistümer immer wieder von einem Fürstbischof regiert. Was aber haben die beiden Markgrafschaften ober und unter dem „Gebürg“ in Bayreuth und Ansbach mit Würzburg und Bamberg zu tun? Ist es alleine der über Jahrhunderte währende Streit um die Würde eines Herzogs in Franken? Noch schwieriger wird es, wenn man das Gemeinsame mit den Reichsstädten, allen voran mit dem in einer anderen Liga spielenden Nürnberg, sucht. An Größe und wirtschaftlicher Bedeutung war diese Stadt allen anderen in Franken stets weit überlegen. Dass sie im 19. Jh. nicht so etwas wie eine fränkische Hauptstadt oder doch wenigstens Sitz der Regierung von Mittelfranken wurde, hat der bayerische König verhindert. Vielleicht aber hatten oder haben die drei Bezirke gar kein Interesse an einer fränkischen Metropolregion mit Sitz in Nürnberg? Dessen ungeachtet kamen in jüngster Zeit zwei bayerische Ministerpräsidenten aus der Noris. Im Zuge der Gemeindegebietsreform der 1970er-Jahre wurde Eichstätt von Franken abgetrennt. Noch unschärfer wird die Eingrenzung Frankens, will man die Städte und Regionen im südlichen Thüringen, an der Tauber oder im hällisch-fränkischen Grenzgebiet, in denen fränkisch gesprochen wird, berücksichtigen. Am Ende steckt wohl auch etwas von dem dahinter, was man mit „fränkischem Separatismus“ umschrieben hat, das sich dagegen sperrt, die Geschichte ganz Frankens zwischen lediglich zwei Buchdeckel zu pressen.
Dabei macht die Beschränkung auf Unterfranken – respektive Ober- und Mittelfranken – das Vorhaben nicht einfacher. Genauso, wie sich die Frage danach, was denn Franken sei, nur annähernd beantworten lässt, verhält es sich mit dem politischen Gebilde Unterfranken bzw. den Gebietskörperschaften, aus denen es entstanden ist. „Unterfranken“ gibt es erst seit dem 9. April 1946. Es löste den am 1. Juni 1938 von den Nationalsozialisten eingeführten, räumlich annähernd identischen Gau „Mainfranken“ ab. Dafür fiel 1946 der bis 1938 gepflegte Zusatz „und Aschaffenburg“ einfach weg. Davor hatte die Region etwas mehr als 100 Jahre den Namen „Unterfranken und Aschaffenburg“ mit Würzburg als Hauptstadt getragen. Die in dieser etwas sperrigen Wortschöpfung sich äußernde Unterscheidung ergab Sinn, als das am unteren Main gelegene Aschaffenburg bis zum Ende des Alten Reiches zum Erzstift Mainz gehört hat. Sprachlich sind die „Aschebercher“ keine Unterfranken. Bei Schollbrunn verläuft nämlich die Grenze zwischen dem rheinfränkischen und dem mainfränkischen Dialekt, der sogenannte „Äppeläquator“: Dort lässt der Rheinfranke das „f“ in Äpfel nämlich weg. Wem das zu kompliziert wird, der sei daran erinnert, dass das heutige Unterfranken im Rahmen der Gründung des Königreichs Bayern seit dem 2. Februar 1817 rund elf Jahre lang Untermainkreis hieß, in Analogie zum Obermainkreis, dem jetzigen Oberfranken.
Hervorgegangen war dieser Untermainkreis aus dem Großherzogtum Würzburg und aus Aschaffenburg. Während Aschaffenburg bis 1803 zum Erzstift Mainz, dann auch zum Großherzogtum für Dalberg gehörte, war das Würzburger Gebiet davor Teil des gleichnamigen Hochstifts und ein souveräner Staat im Alten Reich. Die Würzburger Fürstbischöfe hatten nämlich aus der im Jahr 1168 von Kaiser Friedrich I. Barbarossa an Bischof Herold verliehenen „Güldenen Freiheit“ einseitig das Recht abgeleitet, den Titel eines Herzogs von ganz Franken zu tragen. Damit konnten sie sich bis 1803 jedoch nie völlig durchsetzen. Allerdings erfuhren sie im Nachhinein so etwas wie Genugtuung, weil der fränkische Rechen als Teil ihres hochstiftischen Wappens durch die königlich bayerische Verwaltung wie selbstverständlich zum Symbol für ganz Franken gemacht worden ist (und nicht das in Silber und Schwarz gevierte Wappen der fränkischen Hohenzollern). Wenn dann sogar der fränkische Rechen heute über der Nürnberger Kaiserburg weht, dann freut das den Unterfranken sogar noch ein klein wenig mehr.
Weiter sollen die hier in groben Zügen skizzierten komplizierten politischen Verhältnisse nicht aufgeschlüsselt werden. Es muss aber daran erinnert werden, dass vor 1803 eine Vielzahl von selbstständigen oder nach Selbstständigkeit strebenden Herrschaften des Adels, der Reichsritter, der Klöster oder der Reichsstädte die politische Landschaft in Unterfranken in die sprichwörtlichen Duodez-Fürstentümer fast zerstückelt haben. Das wirkt bis in die Gegenwart nach. Waren es 1818 etwas mehr als 500.000 Einwohner, so stieg deren Zahl im Laufe des 19. Jhs. gegen 1860 auf über 600.000, um dann in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg mehr als 1.000.000 Menschen zu zählen. Ihren Höhepunkt erreichte die Zahl der Unterfranken zu Beginn des 21. Jhs. mit etwa 1,35 Mio., um in den folgenden zehn Jahren stetig auf rund 1,25 Mio. Einwohner abzuschmelzen; Tendenz weiter fallend.
Dieses Büchlein ist von einem Kunsthistoriker und Museumsmann verfasst worden. Deshalb wird das darin angesprochene historische Geschehen nicht alleine aus den Schriftquellen destilliert, sondern es werden häufiger auch Sachzeugnisse als Belege herangezogen. Die Publikation fußt selbstverständlich auf der von zahlreichen Autorinnen und Autoren vor mir erarbeiteten wissenschaftlichen Literatur. Einen Generalüberblick bietet die zwischen 1989 und 2002 von Peter Kolb und Ernst-Günther Krenig mit Unterstützung zahlreicher weiterer Fachkollegen im Auftrag des Bezirks Unterfranken in fünf Bänden herausgegebene Unterfränkische Geschichte. Da der Verlag in der Reihe, in der diese Arbeit erscheint, keine Fußnoten vorgesehen hat, muss ich hinsichtlich der verwendeten Literatur auf die knappen Angaben am Ende verweisen. Da sich die hier vorgelegte Kleine Geschichte Unterfrankens nicht als bloßes Kondensat der bisherigen Literatur versteht, danke ich zahlreichen Gesprächspartner*innen, dass sie ihr Wissen mit mir geteilt und mich in Einzelfragen beraten, ja häufig genug verbessert oder vor Fehlern bewahrt haben: Namentlich nenne ich die Herren Prof. Dr. Klaus Arnold (Kitzingen), Dr. Peter Kolb (Würzburg) sowie Dr. Hans Steidle (Würzburg) und nicht zuletzt auch die sensible Lektorin des Pustet-Verlags, Frau Christiane Tomasi, die sich der Mühe des kritischen Korrekturlesens unterzogen haben.
Würzburg, im Sommer 2020 | Erich Schneider |