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8.
ОглавлениеEs kamen noch einige schöne Tage am Ende der Woche. Am Donnerstag hatte es geregnet, aber der Freitag wurde warm mit niederschlagsfreiem Wetter und dünnen Wolken, die sich nach dem Mittagessen auflösten. Birgitta hatte um drei Uhr Schluss, im Lagerbüro des Kaufhauses Åhléns, wo sie in der Buchhaltung arbeitete, galt die Sommerarbeitszeit.
Sie dachte immer noch oft an den Mord. Vielleicht nicht die ganze Zeit, wie sie es in den ersten Tagen getan hatte. Da war sie oft aufgewacht, zu den Jungen hinein geschlichen und hatte sich wieder hingelegt, aber doch nicht wieder einschlafen können, war wieder aufgestanden und hatte die Tür überprüft. Jetzt kam die Unruhe nur noch hier und da, wie in Wellen, und es waren immer die Jungen, an die sie dachte. Nur die Jungen.
Jemand in Älvsjö hatte von der Polizei gehört, dass der Mörder vermutlich nicht aus der näheren Umgebung kam, das glaubten sie jedenfalls nicht. Derjenige, der getötet worden war, wohnte wohl nicht dort. Warum der Mord in ihrer Umgebung geschehen war, wusste die Polizei offenbar nicht, es war vielleicht einfach nur Zufall.
Birgitta versuchte sich einzureden, dass es wohl so war. Und sie hatte in der Zeitung gelesen, dass der Mörder absolut nicht pädophil war. Es war ein Experte, der das gesagt hatte, einer von diesen Typen, die immer etwas zu sagen hatten, wenn es um Mord ging.
Birgitta hoffte, dass es so war, doch, sie fühlte sich fast sicher.
Viertel vor fünf war sie zu Hause in Älvsjö. Bengt war schon wieder da, dabei hatte sie ihn erst gegen sechs erwartet.
Er saß auf dem Balkon, sagte aber nichts, als sie die Tür öffnete. Sie sah nicht einmal seine Jacke, da er sie anbehalten hatte. Erst, als sie die Einkäufe auf der Arbeitsplatte in der Küche abstellte, sah sie die verschüttete Bierlache und begriff.
»Bist du zu Hause?«, rief sie und ging dabei hastig zur Balkontür.
Er las eine Zeitung, nahm einen Schluck aus dem Bierglas, sah auf, verstand nicht, warum sie so zu ihm hastete.
»Du bist ja wieder spät«, sagte er.
»Es gab überall nur lange Schlangen.«
»Mmh, sollen wir noch eine Kleinigkeit essen, bevor wir aufbrechen?«
»Ein Brot vielleicht, ich kann schnell welche machen, willst du etwas Besonderes drauf?«
»Na ja, ich weiß nicht, ist egal.«
Er war wieder zu seiner Zeitung zurückgekehrt. Birgitta war schon auf dem Weg zurück in die Küche, als sie anhielt.
»Schreiben sie was?«, fragte sie.
Es war der Mord, den sie meinte. Aber Bengt las den Sportteil, Hammarby hatte Örebro zwei zu eins geschlagen. Er hörte Birgittas Frage, verstand sie aber nicht und gab keine Antwort.
Als sie Brotlaib, Butter und Belag zurechtlegte, dachte sie immer noch an den Mord und an die Jungen, aber eine andere Sorge gewann die Oberhand:
Wie würde der Abend werden? Sie wusste es noch nicht, es war noch zu früh, aber vielleicht würde es ja gut gehen. Sie hoffte es. Sie wusste es nicht, aber sie hatte gelernt, dass das Blatt sich schnell wenden konnte. Aber sie hoffte immer.
Sie aßen die Brote in der Küche. Bengt öffnete noch ein Bier, sagte, dass er es ruhig angehen lassen wolle, es mache nichts, wenn sie erst gegen acht kämen. Sie könnten ja das Auto nehmen, und Birgitta könnte später zurückfahren.
»Natürlich«, antwortete sie, »ich fahre.«
Bengt pflegte selten im Voraus zu sagen, dass sie ja nach Hause fahren könnte, wenn sie eingeladen waren, aber es war meistens der Fall, da er gerne trank und sie sich zurückhielt. Aber jetzt sagte er es, und sie fragte sich, warum.
Nein, sie fragte sich wohl nicht, sie hatte es verstanden. Er wollte ausspannen, er hatte sicherlich die ganze Zeit an das Abendessen gedacht, sich darauf gefreut, seinen Bruder und seine Schwägerin zu treffen, mit ihnen essen und trinken zu können.
Leila kam, bevor sie fuhren. Sie hatte eine Flasche Wein dabei, sie hatte versprochen, nach den Jungen zu sehen, sie ins Bett zu bringen und bei ihnen zu bleiben, bis sie eingeschlafen waren, vielleicht eine Weile zu sich nach Hause zu gehen, dann aber wieder hineinzuschauen, und sie würde anrufen, wenn etwas sein sollte.
Leila Nurmes wohnte im Aufgang nebenan, sie hatte ihren Schlüssel.
Als sie sich von Leila verabschiedeten, dachte Birgitta, dass sie lieber mit ihrer Freundin zu Hause geblieben wäre, Wein getrunken und geredet, die Zeit hätte vergehen lassen. Und sie fühlte, dass Leila genauso dachte. Sie mochten sich, sie hatten immer eine Menge zu bereden. »Ein anderes Mal«, sagte Leila, als ob sie Birgittas Gedanken gelesen hätte.
Sie lächelten einander an, als sie sich verabschiedeten.
Bengt fuhr, obwohl er schon einige Starkbiere getrunken hatte. Er saß stumm hinter dem Steuer. Birgitta versuchte, über die Jungen zu sprechen, über Dinge, die sie auf der Arbeit getan hatte, über eine Fernsehsendung, die sie gesehen hatte, gab aber auf, als sie keine Antwort bekam. Erst als sie vom Nynäsväg nach Tyresö abbogen, murmelte Bengt etwas, das Birgitta nicht verstehen konnte.
»Wie bitte?«, fragte sie.
»Wie bitte?«, äffte Bengt sie nach.
»Es tut mir leid, ich habe dich nicht verstanden.«
»Ich sagte, du wärst vielleicht lieber zu Hause geblieben.«
»Nein, nein, ich finde es schön, Ann-Charlotte und Lasse zu sehen, wirklich.«
Bengt sagte nichts mehr. Das letzte Stück bis zum Zentrum von Tyresö fuhr er unnötig schnell, fand Birgitta.
Sie waren sieben Leute am Tisch, die beiden Gastgeber, ihre Nachbarn und ein Norweger in den Sechzigern, ein neuer Arbeitskollege von Bengts Bruder Lasse.
Der Norweger hieß Einar, und er hatte eine missgebildete rechte Hand. Er war der einzige in der Runde, der nicht rauchte. Er begrüßte alle mit der linken Hand, ergriff die ihm entgegengestreckte Hand mit einem umgekehrten Griff, schüttelte sie recht kräftig, lächelte lange, sah demjenigen, dem er vorgestellt wurde, in die Augen, wiederholte den Namen.
»Birgitta«, sagte er, »nett, dich kennen lernen zu dürfen.« Birgitta lächelte zurück, sagte aber nichts.
»Bengt«, fuhr der Norweger fort, »sehr schön, dich kennen zu lernen.«
Er hatte allem Anschein nach auch die anderen so lächelnd und umständlich begrüßt, bevor Birgitta und Bengt kamen.
»Mit dieser Hand wurde ich geboren«, sagte er. »Ich meine, wir werden natürlich alle mit unseren Händen geboren, aber diese Hand wollte einfach nicht mitwachsen, so bin ich also mit genau dieser geboren.«
Mehr wurde über die verkrüppelte Hand des Norwegers nicht gesagt. Aber er hatte mit seiner Freundlichkeit, seinem Lächeln und dem Interesse an seinem Gegenüber den Ton vorgegeben.
Der Abend wurde sehr nett, vielleicht war es das Verdienst des Norwegers. Bengt stieß oft mit seinem Bruder an, der Norweger nippte nur am Glas. Bengt trank aus und füllte sich selbst nach. Er war hier ja fast zu Hause.
Sie brachen um halb eins auf. Bengt schlief im Auto ein. Birgitta ließ ihn schlafen, hielt ihn unter einem Arm fest, als sie das letzte Stück zum Haus gingen, in den Eingang kamen, mit dem Fahrstuhl hochfuhren.
Leila war noch da, Bengt ging zur Toilette. Leila erzählte, dass alles ruhig gewesen war. Nein, sie wollte nicht bleiben, sie wollte nach Hause und schlafen.
Sie umarmten sich.
Birgitta hatte gehofft, dass Bengt richtig müde war und sofort ins Bett gehen würde. Aber er wollte noch aufbleiben und bat sie, noch etwas zu trinken zu holen und sich mit ihm aufs Sofa zu setzen.
Sie holte eine Flasche Wein und zwei Gläser.
Sie rauchten, sagten nichts, tranken die Gläser recht schnell leer, füllten sie wieder auf. Jetzt wusste Birgitta, dass etwas passieren würde, und sie entschied sich zu versuchen, so schnell wie möglich betrunken zu werden.
»Er war nett«, sagte Bengt.
»Wen meinst du?«, fragte Birgitta, obwohl sie es wusste.
»Ja, wen zum Teufel glaubst du denn, den ich meine?«
»Meinst du den Norweger?«
»Genau den, der Norweger war so verdammt nett.«
»Na ja, es ging so.«
»Zum Teufel, lüg mir nicht ins Gesicht!«
Bengt sprach langsam mit leiser Stimme, machte kleine Pausen zwischen den letzten Worten im Satz.
»Er war eben ...«, versuchte Birgitta, aber Bengt unterbrach sie und erhob jetzt die Stimme, schrie die letzten Worte:
»Lüg nicht ... zum Teufel!«
Birgitta trank ihr Glas aus, füllte nach, die Flasche war leer. Sie sehnte sich nach mehr Alkohol, erhob sich mit dem leeren Glas in der Hand, ging hinaus in die Küche, wusste, dass ihr nur noch wenig Zeit blieb.
Sie fand keinen Wein, goss sich aber einen Schluck Whisky ein, trank ihn aus, füllte nach. Aber die Angst war schon zu groß. Der zunehmende Rausch war nicht ausreichend, der Alkohol würde es nicht schaffen, ihre tiefe Furcht einzuholen.
Widerwillig ging sie zurück ins Zimmer. Bengt empfing sie an der Tür, schlug mit der offenen Hand gegen ihre Wange. Ihr Kopf wurde zurückgeworfen, und sie schwankte, fiel aber nicht. Schnell näherte er sich ihr, und jetzt traf seine geballte Faust ihre Brust, dann folgte ein Schlag in den Bauch. Sie stieß gegen die Wand und sank dann auf den Boden, krümmte sich in Embryonalhaltung zusammen, versuchte, das Gesicht mit den Händen zu schützen. Er beugte sich hinunter, schlug weiter gegen ihren Körper, gegen die Schultern, gegen den Hals, gegen die Brust.
Sie lag ganz still, ließ die Schläge kommen. Und es war, als wäre sie gar nicht mehr richtig anwesend. Er war ein unbekannter Mann, und sie war eine andere Frau. Das Wohnzimmer lag an einem anderen Platz, in einem anderen Land, wo es keine Gefühle gab, keine Gedanken, keine normalen Menschen.
Sie war nicht länger jemand.
Sie kam in dem Augenblick wieder zu sich, als die Jungen im Zimmer standen. Zunächst begriff sie nicht, was geschehen war, dann wusste sie, dass es wieder passiert war. Bengt war weg, er hatte sich wohl hingelegt. Aber ihre beiden Söhne standen direkt vor ihr. Der Jüngere weinte, der Ältere stand da, ohne etwas zu sagen und ohne etwas zu tun.
Als Birgitta versuchte, mit ihnen zu sprechen, hörte sie, dass es seltsam klang. Sie fühlte mit der Hand am Mund nach und merkte, dass irgendetwas mit den Lippen und der Zunge passiert war.