Читать книгу Herbst der Vergeltung - Erik Eriksson - Страница 7
3.
ОглавлениеEin leichter Nieselregen war über Älvsjö gekommen, früh am Vormittag. Jetzt war der Himmel nur noch teilweise mit Wolken bedeckt. Es würde vielleicht noch völlig aufklaren.
Verner Lindgren hatte das Geräusch eines Lastwagenmotors gehört, er nahm an, dass es wohl der Müllwagen war, der jede Woche an diesen Tagen zu kommen pflegte. Er hatte gerade geduscht, das kleine Fenster über der Badewanne geöffnet und die Abgase gerochen, ohne irgendein Auto zu sehen. Die Wohnung lag im Erdgeschoss, das Auto hatte, für ihn unsichtbar, um die Ecke des Hauses gestanden.
Nachdem er sich abgetrocknet hatte, ließ er das Handtuch auf dem Boden liegen, strich mit beiden Händen durch das feuchte Haar und ging vom Badezimmer in den Flur, hielt jedoch am Wandspiegel inne. Es ist alles weich und es hängt herunter, dachte er, als er sein Spiegelbild sah.
Er hatte das natürlich auch schon vorher gewusst, die Veränderungen waren langsam gekommen in den letzten Jahren, aber erst jetzt formulierte er den Vorgang, erst als Gedanken und dann in Worten.
»Das bin ich«, sagte er halblaut.
Er drehte sich ein wenig zur Seite, um sich besser betrachten zu können, befand, dass das, was er gesagt hatte, nicht stimmte.
»Das bist du«, sagte er und nickte dem Spiegelbild zu.
Aber auch das klang falsch. Er wusste nicht, wie er sich selbst anreden sollte, den Mann im Spiegel, die schwache Gestalt, die er vor sich hatte. Das war aus ihm geworden. Die Arme waren stark, die Schultern standen etwas vor, der Rücken war ein wenig krumm. Aber am Bauch hing alles, an den Hüften und darüber war alles fett und weich. Verner hob leicht den rechten Arm und betrachtete das weiße Fleisch unterhalb der Achsel. Dann folgte die gleiche Prozedur mit dem linken Arm. Er war sich nicht sicher, ob er sich darüber Gedanken machen sollte, wie er aussah. Vielleicht.
Früher hätte er es nie soweit kommen lassen, er hatte täglich trainiert, hatte seine Liegestütze schon morgens zu Hause gemacht und am Training am Arbeitsplatz teilgenommen. Zu jener Zeit war er stark gewesen, hatte 87 Kilo gewogen, nie zugenommen.
Zu jener Zeit, vor drei Jahren, vielleicht auch vor vier. Mittlerweile machte er sich fast gar keine Gedanken mehr über die Zeit, wollte von den Jahren nichts wissen.
Er zog sich an, trank eine Tasse Kaffee, aß ein Butterbrot mit Molkenkäse und nahm seine Medizin.
Eine halbe Stunde später saß er noch immer am Tisch. Die Tasse war leer, das halbe Butterbrot war noch da. Die braune Käsescheibe war hart und hatte muffig geschmeckt.
Verner versuchte den Tag zu planen. Er musste einige Sachen einkaufen, ein wenig spazieren gehen. Weiter kam er nicht. Das musste fürs Erste reichen.
Als er in den Flur ging, um sich eine Jacke anzuziehen, sah er sich wieder im Spiegel. Das Bild, das er jetzt antraf, war weniger abstoßend, aber das Gesicht war grau. Er dachte, dass das wohl an den Bartstoppeln lag. Er würde sich später rasieren.
Es lagen einige Werbeblätter vor der Tür und ein Versandkatalog. Verner hob ihn auf und sah, dass er Angebote für Werkzeug enthielt. Er blätterte darin, setzte sich auf den Stuhl neben dem Spiegel, betrachtete ein Bild von einer Bohrmaschine und versuchte sich zu erinnern, ob er jemals eine besessen hatte.
An diesem Tag rasierte er sich nicht. Als er mit den Supermarkteinkäufen von seinem Spaziergang zurückkam, legte er sich eine Weile aufs Bett.
Am Abend ging er hinaus. Er kam erst weit nach Mitternacht wieder nach Hause, trank ein Glas Wasser, nahm seine Pillen wie gewöhnlich und schlief nach einer Weile ein.
Gegen fünf wachte er mit einem starken Gefühl einer Bedrohung auf. Er konnte nur schwer atmen. Es war, als ob er geträumt hätte, aber er wusste, dass es kein Traum war, wusste, dass es etwas Reales war, das ihn bedrückte, etwas, das ihm neulich passiert und das noch nicht vorbei war. Er versuchte sich zu erinnern, es gelang ihm jedoch nicht, und das Gefühl von Gefahr und Schuld steigerte sich immer weiter.
Dies war eine Nacht, in der Tabletten wohl nicht helfen konnten. Verner hatte seiner medikamentösen Behandlung lange kritisch gegenüber gestanden, aber langsam gelernt, seine eigenen Einwände abzutun.
Es sollte jetzt eigentlich besser geworden sein.