Читать книгу Als meine Fehler laufen lernten - Erma Bombeck - Страница 10

Wer kocht denn heute noch Hausmannskost?

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Rückblickend komme ich zu dem Schluß, daß es nur noch eine Frage der Zeit ist, wann die gemeinsame Essensstunde der Familie zum historischen Relikt wird und Schnellgerichte die Oberhand bekommen.

Daß die Tage der Hausmannskost gezählt werden, merkte ich in dem Moment, in dem unser Jüngster mir mit der Gabel den Mund aufsperrte und hineinschrie: »Ich möcht’n Cheeseburger und zwei Pommes-frites und zwar richtige.«

Mein Schmorbraten wich der Pizza, die mit einem runden Hütchen und einem Spazierstöckchen serviert wird. Meine hausgemachten Frikadellen konnten nicht mehr mithalten mit den stets wechselnden Erfolgszahlen verkaufter Hamburger unter den goldenen Torbögen der »Hamburgerfabriken«. Ich verstand ja nicht einmal Huhn »richtig« zuzubereiten.

So sah ich denn meine Familie Tag für Tag auswärts essen gehen, dorthin, wo man keinen Tisch decken und sich nicht vorher die Hände waschen mußte und wo Gemüse verpönt war. Die warmen Düfte aus Mutters Küche waren out. In war ein unbequemer Platz in einem Restaurantwagen voller Reklamefähnchen vom Supermarkt, Reklameschildern für Chemische Reinigungen, Schulbüchern, Verlängerungskabeln und Hundehaaren.

Da die alten Regeln für das Essen daheim (Sitz gerade! Kau ordentlich! Lach nicht mit Quark im Mund!) nicht mehr in dieses neue Ambiente passen, entstanden neue.

Bestell nie vom Rücksitz eines Wagens aus so, daß du dem Papi dabei ins Ohr brüllst. Warte schweigend, bis man dich nach deinen Wünschen fragt. Sag anschließend danke.

Bestelle nie mehr, als du zwischen den Knien balancieren kannst. Denke immer daran, daß zwischen deinen Beinen schmelzendes Eis in mehr als einem Sinne eine bedripste Atmophäre schafft. Bekommst du zufällig ein Sandwich, das dir nicht gehört, spuck nicht drauf und wirf es auf den Boden. Gib es einfach dem Fahrer des Wagens zurück und sage ihm, es sei ein Irrtum.

Wenn du die Wahl hast: Es ißt sich besser auf dem Beifahrersitz. Das Armaturenbrett bietet Raum für das Abstellen von Getränken. Doch sind die Frontsitze für Eltern reserviert, denn sie sind rang-älter.

Die Unterhaltung beim Essen in einem Wagen sollte sich auf Vorkommnisse in der Schule, künftige gesellschaftliche Ereignisse und den höflichen Austausch von konventionellen Meinungen beschränken. Es ist total unpassend, sich darüber zu verbreiten, woran einen die merkwürdig aussehende Sauce erinnert.

Iß immer nur mit geschlossenen Beinen. Wenn die Wagenfenster nicht getönt sind, sollte es zwischen den Speisenden auf den Rücksitzen zu keinerlei Körperkontakten kommen.

Denk daran: De facto ißt du in der Öffentlichkeit. Das bedeutet: Es dürfen dir keine Pommes-frites von der Nase hängen. Wenige Esser finden das ulkig. Obwohl der Raum in einem Wagen sehr begrenzt ist, besteht kein Grund, warum es darin aussehen sollte wie in einem mittleren Saustall.

Anschließend sollte jeder einzelne sich um seinen/ihren Abfall kümmern und ihn in einer Tüte versenken. Zwei Wochen alte Zwiebelringe im Aschenbecher sind kein hübscher Anblick. Warum nur ist das häusliche Essen ausgestorben? Vielleicht war es reif zum Untergang? Ich war schon so weit, daß ich die Familie nicht einmal mehr zum gleichen Zeitpunkt an den Tisch bekam. Rief ich: »Eeesssen!« machte die ganze Familie eine komplette Drehung wie die Lippizaner in Wien während einer Vorführung. Mein Mann verschwand ohne sichtlichen Grund mit zwei Bänden über Churchill im Bad, ein Kind hob den Telefonhörer ab und wählte irgendeine Nummer, ein anderes griff sich den Korbball, ging hinaus und übte Schüsse und ein anderes bestieg den Autobus irgendwohin.

Als der erste zivilisierte Mensch die ›Essenstunde‹ erfand, war sie als Sammelpunkt für alle Angehörigen gedacht, als Anlaß, miteinander in der Runde zu sitzen und über den Spargel zu scherzen.

Unsere Familie hörte sich, wenn wir zusammenkamen, ungefähr so an wie ein Lynchgericht.

Das Problem war, daß man sich nicht darüber einigen kann, was ein geeignetes Thema für ein Tischgespräch ist.

Kinder neigen dazu, über Dinge zu reden, die einem den Appetit verschlagen, – und die Lebensfreude dazu. Bei einer einzigen Mahlzeit bekam ich zu hören, wie die Unterseite einer Zunge aussieht, ein Gerücht darüber, daß ein sehr beliebtes Gericht Rattennüstern enthielt, woran Erbspüree erinnert, wenn man es von weitem sieht und wie der Stuhl des Hundes beschaffen ist, wenn er übriggebliebenes Huhn gegessen hat.

Männer sprechen lieber über Geld. Binnen Minuten erzeugen sie in einem ein schlechtes Gewissen, weil man zum zweitenmal vom Salz genommen hat. Auch benutzen sie die Gelegenheit, den Kindern eine ihrer berühmten Standpauken zu halten, etwas in der Art, daß die Benzinuhr auf Null bedeutet, daß man tanken muß, daß man nur dann ferne Freunde anrufen darf, wenn der Empfänger den Anruf zahlt. Mein Mann sprach auch gerne über mein Lieblingsthema: »Wieso braucht denn der eine Zahnregulierung, der lächelt ja sowieso nie.«

Mütter benutzen das Zusammensein bei den Mahlzeiten dazu, die seit den Windeln von den Kindern begangenen Sünden durchzuhecheln. (»Es ist noch nie jemand etwas geworden, der das Bett immer nur mit dem Kleiderbügel glattgestrichen hat.«)

Auch in meiner Eigenschaft als Köchin hätte ich die Eßgewohnheiten der Meinen kaum länger ertragen. Ich stellte fest, daß die Kinder desto weniger kauten, je mehr Zähne sie bekamen. Nie aßen sie etwas Grünes, nie etwas aus der Pausen-Tüte, auf der ihr Name stand. Niemals zweimal das gleiche Müsli zum Frühstück und im innersten Herzen glaubten sie, daß der Hund etwas Besseres bekäme als sie.

Schließlich erlagen selbst mein Mann und ich der Verführung des bequemen Auswärtsessens. Daß es mich begeisterte, war weiter kein Wunder. In meinem Leben hatte ich noch nie so viele Leute kennengelernt.

Als wir mit unseren Bekannten vor dem Lokal vorfuhren, öffnete ein Angestellter die Wagentür und sagte: »Guten Tag. Ich bin Hai, ich parke Ihren Wagen für Sie. Viel Vergnügen beim Essen.« Ich sagte: »Vielen Dank, Hai. Ich bin Erma, das hier ist mein Mann Bill und dies sind unsere Freunde Dick und Bernice.«

Als wir dann alle im Restaurant saßen, kam eine junge Frau und sagte: »Guten Abend, ich heiße Wendy, ich bin Ihre Cocktailbedienung. Was darf ich Ihnen heute bringen?«

Ich stellte uns wieder alle vor und orderte etwas von der Bar. Mein Mann neigte sich zu unserem Freund und fragte: »Sag mal, Dick, was soll das?«

Ein Ober brachte einen Korb Brot an unseren Tisch und sagte: »Guten Abend, Leute. Ich heiße Brick und das hier sind unsere speziellen Knoblauchbrötchen mit einem Hauch Parmesan und frischer Petersilie. Wenn Sie mehr wollen, rufen Sie mich. Guten Appetit.«

»Danke, Brick«, sagte mein Mann. »Also, Dick, was soll das alles?«

Da erschien ein anderer Ober und sagte: »Hallo, ich bin Stud und bediene Sie heute abend. Darf ich Sie einmal einen Augenblick unterbrechen und Ihnen die Spezialitäten von heute durchgeben. Der Küchenchef hat Osso bucco vorbereitet. Das wird aus Kalbsknochen, Knoblauch, Hühnersauce, Weißwein, Tomatenmark und feingehackten Anchovisfilets gemacht.

An frischem Fisch haben wir heute geräucherten Dorschrogen, den der Chef zu Tarama salata verarbeitet, mit reichlich schwarzen Oliven, Schlagsahne, Zitrone und Olivenöl.

Die Tagessuppe ist eine allgemein beliebte aus Brunnenkresse und Apfel mit einer Prise Curry. Ich lasse Ihnen eine Minute, um sich zu entscheiden.«

Wie betäubt sahen wir einander an. Sein Monolog hatte länger gedauert als die meisten Ehen.

»Also, Dick, was soll das alles?« begann mein Mann wieder.

Wendy erschien erneut und fragte: »Darf ich noch mal nachschenken?«

Wir schüttelten die Köpfe.

Nach ihr erschien Stud und sagte: »Sind wir soweit? Können wir bestellen?«

Kaum hatten Dick und Bernice sich entschlossen, den Salat zu teilen, da wurde ein Tisch herangerollt und Stud berichtete das Drama der Geburt des Salats Cäsar, als sei er eine Hebamme.

Inzwischen war auch Frank (der Küchenchef) mit einem nackten Fisch erschienen, den er uns zur Inspektion unter die Nase hielt. (Gott sei Dank, daß ich die erwürgte Ente bestellt hatte!) Nach dem Salattisch kam noch ein Tisch, über dem Flammen züngelten, und Stud faszinierte uns mit seinem Kommentar zur Sauce für die marokkanischen Fleischklößchen.

Es erschien Arthur, einen Schlüssel um den Hals und ein Buch in der Hand, das schätzungsweise dreißig Pfund wog, und stellte sich als unser Weinkellner vor. Ich machte ihn mit Bill, Dick und Bernice bekannt.

Als uns das Hauptgericht hingestellt wurde, wagte keiner sein Essen anzurühren, ehe wir das Pfefferritual durchlaufen hatten. Ich behaupte nicht, daß ich begreife, warum Pfeffer so hoch in Ehren gehalten wird wie Weihrauch und Myrrhe, aber so ist es nun mal.

Und da war auch schon Stud mit einer Pfeffermühle so groß wie der Mittelfuß eines Flügels (je größer die Pfeffermühle, desto höher der Rechnungsbetrag) und fragte: »Pfeffer?«

Das Gespräch kam ins Stocken, weil jeder überlegte, was er antworten würde; wenn er an der Reihe war. Ich zögerte sekundenlang und sagte dann: »Ja, bitte.« Stud achtete auf meine Hand und erwartete, daß ich die Menge und den genauen Moment des Innehaltens dirigieren würde.

Das Gespenstische an der Geschichte ist: Es kommt kein einziges Körnchen Pfeffer aus der Mühle. (Ähnlich wie beim ersten Gepäckstück auf dem Laufkarussell im Flughafen. Haben Sie je beobachtet, daß jemand es an sich nimmt? Natürlich nicht. Es gehört nämlich niemand. So ist das!)

Als Brick den Tisch abgedeckt hatte, erschien Stud mit dem Dessert-Wagen, und Wendy schmollte, weil niemand einen Likör wollte. Ich hätte gern einen Kaffee genommen, doch wenn wir noch länger blieben, wäre ich zu alt geworden, um die Tasse zum Munde zu führen.

Wir verabschiedeten uns von Hal, Wendy, Brick, Stud, Frank und Arthur. Wir waren völlig erschöpft.

Möglicherweise kehrt man eines Tages zum gemeinsamen Essen ins eigene Heim zurück. Wann das sein wird? Vielleicht, wenn der Wunschtraum vom Herd mit eingebauter Wasserspülung Wahrheit geworden ist. Wer weiß.

Als neulich einer der Jungen im Kühlschrank kramte, fragte er: »Was ist das denn?«

»Das ist Sellerie und sehr gesund.«

Er sagte: »Wenn’s so großartig ist, wieso wird’s dann nie in einer Tanznummer im Werbefernsehen angepriesen?«

Diese Frage konnte ich nicht beantworten.

Als meine Fehler laufen lernten

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