Читать книгу 4 Portraits (Pauli, Einstein, Planck und Heisenberg) - Ernst Peter Fischer - Страница 18

Der „Entdecker“ Einsteins

Оглавление

Ich möchte jetzt den größten Schatz, den Planck uns hinterlassen hat, nämlich das berühmte „Quantum der Wirkung“, doch noch kurz vorstellen. Eigentlich ist es eine etwas schwierige, raffinierte Geschichte. Es geht dabei, wie ich schon angedeutet habe, um die Farben, die von einem Körper ausgehen, der erwärmt wird. Das klingt zunächst einmal nach einem albernen Problem. Aber Planck wusste aus der Tradition des 19. Jahrhunderts, dass sich da ein universales Gesetz verbergen musste. Er hat die großen Physiker der Berliner Universität zu sich nach Hause eingeladen, um die genauesten Messdaten zu bekommen.

Es gab merkwürdigerweise zwei Theorien für das Licht, das ausgesendet wird. Eine Theorie konnte erklären, was bei kurzen Wellenlängen passiert, und eine Theorie konnte erklären, was bei langen Wellenlängen geschieht. Aber beide Theorien vertrugen sich nicht.

Es zeigte sich eine merkwürdige Messkurve, die nur an den Flanken erklärt werden konnte. Aber der Mittelteil war nicht hinzubekommen. Planck musste jetzt irgendeine Annahme machen. Die Annahme, die er machte war, dass er eine mathematische, unstetige Größe einführte. Das ist dieses „Quantum der Wirkung“.

Er führte es zunächst einmal als eine mathematische Größe ein, in der Annahme, in der Hoffnung, dass es sich dabei nicht um Physik handele, sondern nur um einen mathematischen Trick. Am Schluss wollte er diese mathematische Konstante gegen Null gehen lassen, um sie gewissermaßen als Hilfsgröße in die Theorien einzuführen.

Vielleicht erinnern sich einige von Ihnen noch an die Schulzeit, in der man Integralrechnung gelernt hat. Man hat eine Kurve und versucht, die Fläche unter der Kurve zu messen. Dabei teilt man die eigentliche Linie, über die die Kurve sich entlang windet, in kleine Stücke ein und zerlegt die ganze Fläche in kleine Rechtecke. Man hat dann kleine Seitenlängen dieser Rechtecke. Zum Schluss setzt man den Grenzübergang dieser Seitenlängen gegen Null und bekommt aus der Summe aller Rechtecke das Integral, das die Fläche angibt.

Das ist ein schöner mathematischer Trick, der aus dem 19. Jahrhundert stammt und mit dem man auch tatsächlich mathematisch elegante Lösungen liefern kann. Planck wollte so etwas Ähnliches tun. Tatsächlich erwies sich das jedoch als unmöglich.

Derjenige, der gezeigt hat, dass das nicht möglich ist, war Albert Einstein. Er hat das aber erst im Jahre 1905 getan. Als Einstein seine Arbeit publizierte, hat zunächst niemand besonders hingehört.

Der Einzige, der den ersten Publikationen Albert Einsteins wirklich Aufmerksamkeit geschenkt hat, war Max Planck. Deshalb heißt es manchmal, Max Planck habe zwei Entdekkungen gemacht, nämlich das „Quantum der Wirkung“ und

„Albert Einstein“. Denn Einstein war bei der Publikation seiner Arbeit nur ein unbekannter Angestellter in einem kleinen Patentamt im schweizerischen Bern und kein großer Physiker an einer großen Universität in der Hauptstadt Berlin.

Aber der große Planck liest die Arbeit dieses Einstein und sagt: „Das ist wichtig“. Dadurch ist Einstein plötzlich ein akzeptierter Physiker. Es ist ein kleines Rätsel, warum Planck so begeistert war von Einsteins Arbeiten, weil dieser doch eigentlich gezeigt hat, dass das, was Planck als mathematische Hilfsgröße eingeführt hatte, nämlich das „Quantum der Wirkung“, physikalische Wirklichkeit ist, was Planck eigentlich nie wollte. Warum also war Planck trotzdem von Einstein so begeistert?

Ich glaube, dass man dazu eine andere Dimension der Physik anschauen muss. Eine der spannendsten Fragen, um die es im 19. Jahrhundert ging. Es klingt jetzt sehr einfach und albern, wenn ich das sage, aber es war mal eine spannende Frage. Wir könnten uns ja auch einmal überlegen, welche spannenden Fragen wir heute nicht beantworten können, die aber in 100 Jahren beantwortet werden können, wenn sie problemlos sind.

Die spannende Frage im 19. Jahrhundert war: „Gibt es Atome oder gibt es Atome nicht?“

Besteht Wasser aus Molekülen oder ist es ein Kontinuum, eine einheitliche Substanz, eine Flüssigkeit? Besteht die Luft aus Molekülen oder ist sie ein einheitliches „Gebrasel“? Besteht die Welt aus Atomen oder ist sie ein durchgehendes Ganzes?“

Heute sagen wir: „Klar, die Welt besteht aus Atomen“. Aber damals sagte man: „Man kann Atome nicht sehen, und was ich nicht sehen kann, interessiert mich nicht. Ich betrachte nur die Erscheinungen, die ich messen kann – also die Temperatur eines Gases, den Druck eines Gases, das Volumen eines Gases. Das nennt man Phänomenologie.

Man betrachtet also die Phänomene und versucht, diese Phänomene in einer geeigneten Weise zu ordnen. Die Physiker haben aber überlegt, man müsse doch versuchen, diese Phänomene, also zum Beispiel die Temperatur eines Gases aus den Bestandteilen dieses Gases, zu erklären. Aber was sind die Bestandteile? Und gibt es jetzt Atome oder gibt es sie nicht? Kann man statistische Physik betreiben oder muss man phänomenologische Physik betreiben?

Das waren im 19. Jahrhundert spannende Fragen. Die meisten Physiker hatten sich entschieden. Ernst Mach zum Beispiel war gegen die Atome, Ludwig Boltzmann war für die Atome. Nur Planck schwankte. Planck war mal für die Atome, mal gegen die Atome. Mal hielt er die Atome für wichtig, mal hielt er die Atome für unwichtig. Und eigentlich wusste er es nicht. Als er dann das „Quantum der Wirkung“ 1900 formulierte, machte das nur Sinn, wenn er die Existenz von Atomen voraussetzte. Weil ja dann das Atom einen Quantensprung machte. Nicht die Materie, sondern das einzelne Atom. Und dieses einzelne Atom hatte er jetzt. Er setzte voraus, dass es wirklich Atome gibt. Aber er wusste es nicht. Er war verzweifelt. Es gab keinen Beweis.

Jetzt aber kommt ins Spiel, was Albert Einstein 1905 gemacht hat. Er hat nicht nur etwas über das Licht gesagt, er hat nicht nur die Relativitätstheorie aufgestellt, sondern er hat in einer dritten, vierten Arbeit, die aber nicht so oft zitiert wird, auch bewiesen, dass es Atome wirklich gibt.

Ich glaube, dass Planck einfach erleichtert war. Jetzt hatte er sich auf die richtige Seite gestellt. Er hatte sich zu den Atomen bekannt und Einstein konnte beweisen, dass es sie wirklich gibt. Er war erleichtert, denn an dieser Stelle hatte er keinen Fehler gemacht.

Ich möchte darauf hinweisen, dass in der Physik auch Gefühle eine Rolle spielen. Dass man Ängste haben kann, dass nicht nur eine Rationalität da ist, sondern dass man auch Mut haben muss, sich zu bekennen. Planck hatte den Mut, sich zu den Atomen zu bekennen, aber die Angst, dass dies sich doch als falsch herausstellen könnte. Die Angst konnte ihm Einstein nehmen und seitdem war auch klar, wie jetzt mit der Physik weiter fortzufahren war und wie man die Atomphysik entwickeln konnte, nämlich mit dem Quantum.

Bei diesem Quantum tauchen allerdings eine Menge Probleme auf. Denn wie kann man die Unstetigkeit in den Griff bekommen? Wie kann man das in den Griff bekommen, was da zwischendurch abläuft? Wie der Quantensprung selbst vollzogen wird? Und mit diesen Quantensprüngen in der Natur taucht auch noch ein ganz neues Problem auf.

4 Portraits (Pauli, Einstein, Planck und Heisenberg)

Подняться наверх