Читать книгу Skyle - Esther Bertram - Страница 10
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ОглавлениеDas Klirren der Fensterscheiben ließ ihn hochschrecken. Unten auf der Straße rumpelte eine Panzerkolonne vorbei, ihre eisernen Gleisketten knirschten gefährlich auf den Pflastersteinen. Verwirrt blickte Wolf sich um. Die Öllampe neben ihm war verloschen. Das Zwielicht des frühen Morgens erfüllte sein Zimmer, wo er die ganze Nacht über den Berechnungen für den Rumpf des neuen Schiffes gebrütet hatte. Er sah sich seine vollgekritzelten, mit Tinte verschmierten Notizen an. Wie immer würde er der Einzige sein, der sie entziffern konnte. Ihm war es egal, solange die Zeichnungen und Zahlen stimmten.
Gähnend streckte Wolf sich auf dem harten Holzstuhl und rieb sich müde die Augen. Es war zu spät, um noch etwas Neues anzufangen. Am besten, er machte sich auf den Weg zur Werft. So hätte er genug Zeit, um bei den Werkstätten im Tiegel vorbeizuschauen.
Die Aussicht darauf, das Schiff bald fertiggebaut zu haben, entlockte Wolf ein fröhliches Lächeln. Gut gelaunt sammelte er aus der verstreuten Kleidung in seinem Zimmer halbwegs frische zusammen und zog sich um. Er warf einen prüfenden Blick auf eine Strähne seines langen Haares, ehe er es im Nacken zu einem losen Zopf zusammenfasste. Das Braungrau würde nicht mehr lange so dunkel bleiben, an einigen Stellen sah man bereits das natürliche Sonnengelb durchscheinen. Er würde es bald nachfärben müssen.
Gedankenverloren ging er in die Küche und suchte nach der Kaffeedose. Sie war leer. Nach einem Frühstück brauchte er gar nicht erst zu schauen, er war seit Tagen nicht mehr einkaufen gewesen. Zurück in seinem Arbeitszimmer sammelte er seine Papiere und sein Werkzeug zusammen. Wenige Minuten später verließ er die Wohnung.
Die schmale Stiege, die zum Hof hinunterführte, knarzte vertraut. Wolf durchquerte den kleinen Innenhof und trat durch die Durchfahrt auf die Straße. Die Straßenlaterne davor flackerte und verlosch mit einem leisen Zischen, als er sich auf den Weg durch die noch schlafende Stadt machte. Gerade verfärbte sich der Himmel über den schieferblauen Dächern rosa und gelb, doch hier unten war es noch dunkel und still. Die Dämmerung hielt sich lange zwischen den Häusern.
Während er durch die Straßen lief, erwachte die Stadt allmählich zum Leben.
»Guten Morgen«, begrüßte ihn die Bäckerin fröhlich, als er ihren Laden betrat.
»Guten Morgen«, erwiderte Wolf lächelnd.
»Was darf es sein?«
»Drei Madeleines.« Der Kaffee würde warten müssen. Er zahlte für sein Frühstück und hielt einem älteren Herrn die Tür auf, dann schlenderte er Richtung Tiegel. Er dachte über ihr aktuelles Bauprojekt nach. Wenn die bestellten Ösen heute ankämen, könnten sie das Schiff endlich fertigstellen und mit den Reparaturen am nächsten beginnen. Das Gewitterkupfer musste ausgetauscht werden. Es war bereits am Vortag aus den Werkstätten der Alchemisten geliefert worden. So würden sie den Auftrag schnell erledigen können.
Wolf stopfte sich das letzte Stück Madeleine in den Mund und hob die Nase in den Wind.
Dort, wo er jetzt hinwollte, konnte ihn sein Geruchssinn ebenso gut führen wie sein Gehör. Der Tiegel war eine laute, stinkende Ansammlung aus Läden, Werkstätten und Laboren. Die ätzenden Beizen, Farben und die merkwürdigen Gebräue konnte man, wenn der Wind ungünstig stand, in der ganzen Stadt riechen. Die Hammerschläge, das Zischen der Maschinen und das Rauschen der Blasebälge hörte man schon von weitem. Er musste sich also nur auf Nase und Ohren verlassen, um seinen Weg durch Autonne Gale zu finden.
Das Licht der Zwillingssonnen ergoss sich über die Dächer der Stadt, die Straßen füllten sich mit Leben. Die verschiedenen Gerüche, die ihn umgaben, und der steigende Lärmpegel erschwerten es Wolf, sich richtig zu orientieren. Im Tiegel begrüßten ihn die Gerüche von kaltem Metall und heißem Kaffee. Er folgte ihnen und blieb vor einer offenen Schmiede stehen. An der Werkbank war der Schmied gerade damit beschäftigt, filigrane Verzierungen für ein kunstvolles Eisentor zu fertigen. Bestimmt war es für eine der Villen oberhalb der Stadt gedacht. Der Schmied begrüßte ihn mit einem Nicken, ohne seine Arbeit zu unterbrechen. Wolf beobachtete gespannt, wie er Blüten und Blätter aus dem heißen Metall formte.
Die Zwillingssonnen standen bereits hoch am Himmel, als Wolf schließlich seinen Weg fortsetzte. Eigentlich hatte er vorgehabt, vor den anderen Schiffsbauern auf der Werft zu sein. Jetzt würden sie ihn wieder aufziehen. Er lächelte bei dem Gedanken. Merkwürdig, wie gut er sich in den vergangenen acht Jahren hier eingelebt hatte. Das änderte allerdings nichts an dem Umstand, dass er zu spät dran war.
Über ihm glänzten die Dachfirste, noch feucht vom Regen der Nacht. Wolf blinzelte ins Sonnenlicht. Schien so, als würde er mal wieder auf seine Alternativroute ausweichen müssen. Er bog in eine dämmrige Seitengasse ein. Sie schien leer. Links und rechts ragten die Hauswände zwei bis drei Stockwerke in die Höhe.
Die eingeflochtenen Silberperlen in der langen Strähne an seiner rechten Schläfe blitzten auf. Er beugte leicht die Knie, um Schwung zu holen, stieß sich vom Boden ab und landete auf dem Dachfirst. Aus seinem lockeren Zopf lösten sich einige Strähnen und wehten ihm ins Gesicht. Der Wind blies hier oben stärker. Er sah über das schimmernde Meer aus schiefergedeckten Dächern, Türmen und Fabrikhallen, hinab zum Hafen und zur Küste, wo sich die weiße, endlose Masse des Wolkenmeers erstreckte.
Wolf summte zufrieden eine kleine Melodie und genoss für eine Weile Sonnen und Wind auf seinem Gesicht. Dann maß er mit einem Blick die Entfernung zum nächsten Dach, nahm zwei Schritte Anlauf und sprang.