Читать книгу Der gute Ton und die feine Sitte - Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem - Страница 42

38. In welchen Fällen darf man Blumen und Schmuck anlegen?

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Man darf beides in allen Gesellschaften mit dem gehörigen Mass und Ziel tragen. Ein kleiner Strauss frischer Blumen, eine einzelne Rose oder ein Büschelchen frischer Veilchen werden in der kleinsten Gesellschaft, graziös am Halse, an der Brust oder im Gürtel befestigt, dem einfachsten Kleide zum anmutigen Schmucke gereichen. Natürlich darf es kein Strauss von der Grösse sein, dass eine Kuh sich satt daran fressen könnte. Mit dem Anlegen von Schmuck sei man in kleineren Gesellschaften sehr sparsam. Man behänge sich nicht mit allzuviel Gold und lasse den Schmuck lieber ganz fort, wenn man keinen echten besitzt. Besonders vorsichtig sei man mit dem in Galanterieläden käuflichen Modeschmuck. Die launische Mode bringt da in reizender Ausführung zu jeder Saison neue Broschen, Nadeln usw., oft recht teure Nichtigkeiten, die eine elegante Modedame ein halb Dutzend mal trägt und dann durch andere ersetzt (Sportembleme, Tiere aller Art, Tierköpfe, Blätter u. dgl. m.), vor solchen Schmuckstücken hüte sich, wer nicht oft zu wechseln hat, denn oxydierte oder emailierte Ungeheuer, Gerätschaften und sonstiger Modenunfug passen nicht für jeden und machen die Trägerin oft gar noch lächerlich. Wer gediegenen echten Schmuck besitzt, mag ihn zu grossen Gelegenheiten, als Diners, Bällen, grossen Abendgesellschaften, Hochzeiten usw., immerhin anlegen, wohlverstanden, wenn er zu der Toilette passt. Man vergesse aber nicht, dass für junge Mädchen reicher, kostbarer Schmuck nicht passt, für diese sind Blumen allezeit der lieblichste Schmuck, dem die ältere Frau entsagen sollte. Es liesse sich über dieses Kapitel nach eignen Beobachtungen noch viel sagen, indes ist das Tragen von Schmuck ebenso sehr Taktsache wie der ganze Anzug selbst. Nur das sei noch bemerkt, dass man nichtzusammengehörigen Schmuck, wenn er nicht durch eine geschmackvolle Zusammenstellung in Übereinstimmung zu bringen ist, besser nicht anlegt. Wer also z. B. ein Granathalsband, Korallenohrringe, eine Diamantbrosche und einen Kamm von Türkisen besitzt, ist selbst bei grossen Gelegenheiten nicht verpflichtet, diese Herrlichkeiten auf einmal zu tragen, wie man nicht selten zu bemerken Gelegenheit hat. Gesetzt also, es besässe jemand die genannten Schmucksachen, so würde das Granatenhalsband zu einem rosa Kleide, die Diamantbrosche zu einem blauen und der Türkisenkamm zu einem weissen Kleide passend erscheinen. Denn die Menge macht es nicht, sondern der Geschmack. Die Ohrringe striche ich am liebsten ganz, weil unsere tonangebenden Damen sich endlich eines Schmuckes entledigen sollten, der doch noch stark an die barbarischen Völker erinnert. Ob nun der Ohrring in seiner Form an Indianerinnen, Nubierinnen und Chinesinnen erinnert, oder in Anlehnung an abendländische Kultur als Knopf ins Ohr geschraubt wird, schön habe ich diesen an den Nasenring erinnernden Schmuck niemals finden können, schon weil er die Form des kleinen, rosigen und jugendlichen Ohres entstellt und das Ohr alter Damen zu einem grotesken Schaustücke macht. Der Ausgang des 19. Jahrhunderts mit seinem berühmten Stichworte: „fin du siècle“ hat so vielen alten Plunder zum Ausfegen entdeckt, sollte es der Kultur nicht endlich gelingen, von unseren Damen auch den Ohrring zu diesem Zwecke zu erhalten? Und noch ein Wort über das Tragen von Ringen! Eine mit Ringen überladene Hand sieht immer unschön aus, eine schön geformte Hand wird durch zuviel Ringe verunstaltet. Ein Herr sollte keinen anderen als den Trauring tragen; eine Dame mag dazu noch einige kostbare Ringe anlegen, doch nur auf den Gold-, allenfalls den kleinen Finger. Siegelringe sind nicht mehr chic, sie auf dem Zeigefinger zu tragen am allerwenigsten.

Der gute Ton und die feine Sitte

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