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DIE ELTERN

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So ganz ließ sich meine Beziehung zu Urs jedoch nicht beiseiteschieben, und irgendwann kam ich ins Grübeln über seinen von dem meinen so verschiedenen familiären Hintergrund. Sein Vater war ein erfolgreicher Unternehmer, der das Familienunternehmen von seinem Vater – Urs Großvater – übernommen und wesentlich vergrößert hatte. Er war ein angesehener Bürger von Solothurn, Mitglied des Stadtrats und hochrangiger Militär. Er hatte sein Erbe erfolgreich erweitert und konnte stolz auf seine Familientradition zurückblicken. Für seine Nachkommen ergaben sich daraus allerdings auch Nachteile: Als mich Urs einmal in den Ferien nach Solothurn einlud, hatte ich mich seltsam beengt gefühlt, vor allem, wenn ich mir vorstellte, hier als »die Frau an seiner Seite« zu leben. Ich dachte dabei auch an Gretels Schilderung, wie ihr Leben als Tochter des bekannten Unternehmers verlief.

Mein Vater dagegen war zwar ein erfolgreicher Börsenmakler, aber in Frankfurt nur in Insiderkreisen bekannt. Kaum jemand dachte sich etwas dabei, wenn ich meinen Namen nannte, und so hatte ich völlig andersartige Probleme als Urs und Gretel. Er hatte sich ja aus einfachsten Verhältnissen emporgearbeitet. Unter anderem dadurch – wie er mir einmal amüsiert erzählte –, dass er an einem Tanzkurs teilnahm. Denn dabei hatte er meine Mutter kennengelernt, und sie hatten sich auf Anhieb so gut verstanden, dass er sie sogar als ihr Kavalier auf den Abschlussball begleiten durfte. Als gutaussehender, ehrgeiziger junger Mann hatte er es verstanden, das Wohlwollen meines Großvaters zu erringen, und dieser hatte ihn später auch protegiert und seine Karriere gefördert.

Heute denke ich, dass das Motiv, das der Heirat meines Vaters zugrunde lag, zwar verständlich war, aber aller Wahrscheinlichkeit nach zu nichts Gutem führen konnte. Kein Wunder, dass die Ehe schließlich zerbrach. Meine Mutter war als verwöhntes Einzelkind aufgewachsen, hatte mit Müh und Not das Abitur bestanden und danach nichts gelernt außer Kochen und Tanzen. Letzteres hat ja dann auch zur Ehe mit meinem Vater geführt. Die Erziehung von uns Kindern hat sie weitgehend Kinderfrauen überlassen, denn sie wollte ungehindert ein großes Haus führen. Sobald wir uns aber an eine gewöhnt und sie lieb gewonnen hatten, entließ sie sie wieder, wohl aus Eifersucht und Angst, wir könnten ihr entgleiten.

Dass Mutter es gut verstand, glanzvolle Einladungen zu geben, war natürlich auch im Sinne meines Vaters. Trotzdem nahm seine Zuneigung zu ihr – und das war auch für uns Kinder spürbar – stetig ab. Ich dagegen konnte mich auf seine Liebe verlassen und war ihm in Bezug auf Fleiß und Strebsamkeit ähnlich, während Phillip der Liebling der Mutter war und blieb.

Über Geld wurde mit uns nicht gesprochen. Wir wussten nur, dass Vater hart arbeitete und einiges verdiene musste. Wie sonst hätte Mutter diese ständigen Einladungen ausrichten können, auf denen sie mit den tollsten Designermoden glänzte?

Wenn Vater bei häuslichen Mahlzeiten einmal anwesend war – was selten genug vorkam –, sprach er meist über seine beruflichen Erfolge. Einmal war er zu einer Ausschusssitzung des Deutschen Bundestags eingeladen worden, um über spezielle Themen zu referieren. Ein anderes Mal hatte er einen sehr erfolgreichen neuen Fonds gegründet, und auch seine Bücher über Themen aus der Finanzwelt erreichten hohe Auflagen. Für Mutter und mich war das ein Anlass, ihn zu bewundern; Phillip jedoch machte es eher Angst und raubte ihm jede Hoffnung, es Vater jemals gleichtun zu können.

Erben

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