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DIE BEERDIGUNG

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Die Aussegnungshalle des Höchster Friedhofs war bis zum letzten Platz besetzt. Es hatte sich viel Prominenz versammelt. Philipp und ich saßen mit Tante und Onkel in der ersten Reihe. Der Sarg, bedeckt mit üppigen Kränzen und Bouquets, stand leicht erhöht, und bei meinem Bruder rannen ununterbrochen die Tränen. Ich dagegen war innerlich wie gefroren, fühlte gar nichts und blickte starr vor mich hin. Dort vorne hielt jemand eine Rede, es handelte sich wohl um den Vorstandsvorsitzenden der Börse. Wie durch einen Schleier hörte ich, wie er die Verdienste unseres Vaters hervorhob und sein gewinnendes Wesen pries. Gewinnendes Wesen, ja, das stimmt!, dachte ich und sah meinen Vater vor mir, wie er herzlich mit uns lachte bei den seltenen Gelegenheiten, an denen er etwas mit uns unternommen hatte. Einmal, auf einer längeren Wanderung, als ich nicht mehr laufen konnte oder wollte, hat er mich auf seinen Schultern getragen, und ich lenkte ihn, indem ich ihn mal links und mal rechts bei den Ohren zog. Auch er fand das lustig, machte Bocksprünge, während ich vor Freude laut kreischte.

Als der Sarg schließlich hinausgetragen wurde, hatte ich von den Reden kaum etwas mitbekommen, und nachdem er in die Erde versenkt war, standen Phillip und ich neben dem Grab und nahmen die Beileidsbekundungen entgegen. Ich kannte die meisten Menschen gar nicht, und mir fiel es zunehmend schwer, das durchzustehen.

Beim Mittagessen, zu dem nur ausgewählte Gäste geladen waren, saß Phillip neben der Frau eines engen Mitarbeiters unseres Vaters. Ich überhörte, wie sie in den höchsten Tönen von ihm schwärmte und seine Fähigkeiten und Verdienste pries: »Niemand hat ihm seine Schwäche für schnelle Autos verübelt, er gönnte sich ja sonst nichts und arbeitete Tag und Nacht. Er war äußerst charmant, und ich habe ihn sehr geschätzt.«

Phillip bekam mit, welches Ansehen und welche Wertschätzung unser Vater genossen hatte. Aber ich hatte das Gefühl, dass ihm das alles zu viel wurde und er am liebsten davongelaufen wäre.

Mich hatte man neben dem Vorstandsvorsitzenden der Börse platziert. Er wiederholte mir gegenüber noch einmal, was er schon in der Rede gesagt hatte, und schmückte es noch aus: »Ihr Vater war ein so gewinnender und kluger Mensch und unter anderem äußerst kritisch gegenüber Wirtschaftsforschungsinstituten. Von diesen hat er gar nichts gehalten. Mir gegenüber hat er einmal gesagt, dass sie eine Rezession noch nicht einmal erkennen würden, wenn sie schon seit längerer Zeit im Gange ist. Vom Sachverstand der Politiker hielt er auch nicht viel und war unter anderem der Meinung, die Planungen über ein europäisches Währungssystem kämen viel zu früh. Das könnte gar nicht gutgehen.«

Ich nickte zustimmend, denn meine Meinung von ihm war schon immer hoch gewesen, und ich hatte auch häufig gespürt, dass er – ohne es offen zu zeigen – mich meinem Bruder vorzog, vielleicht weil ich in vielen Dingen ihm nachschlug.

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