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DER TOD UNSERES VATERS

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An einem warmen Apriltag des folgenden Jahres kam in der großen Pause ein Klassenkamerad auf mich zu und richtete mir aus, dass der Rektor mich sprechen wolle. Seltsam. Hoffentlich ist zu Hause alles in Ordnung, schoss es mir durch den Kopf. »Zu Hause«, das war seit der Scheidung der Eltern für mich ein belastetes Wort. Am besten dachte man nicht darüber nach.

Als ich ins Zimmer des Rektors trat, sah er mich ernst an und forderte mich auf: »Rufe bitte gleich deine Mutter an!« Das klang beunruhigend.

»Soll ich nicht erst nach Phillip suchen?«

»Ja, tu das!«

Ich fand meinen Bruder lachend und mit seinen Freunden schwätzend auf dem Pausenhof. »Der Rex sagt, wir sollen sofort Mutter anrufen«, rief ich ihm entgegen. »Seltsam!«

Wir gingen zusammen zur Sekretärin des Rektors, die für uns die Verbindung herstellte. Wir waren beide sehr nervös und angespannt, und ich fragte mich, ob unsere Mutter überhaupt ans Telefon gehen würde. Die Reaktionen auf unsere bisherigen Versuche, mit ihr in Kontakt zu treten, waren nicht gerade ermutigend, im Gegenteil. Ich hatte vielmehr den Eindruck, ihr Alkoholismus würde immer schlimmer.

Mutter hob jedoch gleich ab: »Gut, dass du anrufst, Maya. Euer Vater ist verunglückt.«

Sie sprach leise, und ich fragte erschrocken: »Wo und wie? Kann man ihn besuchen? In welchem Krankenhaus liegt er?«

»Nein«, kam es kaum hörbar zurück. »Er ist tot … In vier Tagen ist das Begräbnis. Ihr müsst sofort kommen!«

Mutter hängte auf, ich starrte entsetzt vor mich hin. Phillip fragte angstvoll: »Was ist los?«

Ich konnte kaum sprechen und brach in Tränen aus. »Papa … ist verunglückt. Er … er ist …«

»Was ist er?«

»Tot!«, schluchzte ich und nahm ihn in den Arm.

Wir weinten fassungslos und hielten uns aneinander fest. Die Sekretärin wurde auf uns aufmerksam und fragte, was los sei. Ich antwortete nichts und ging mit Phillip auf mein Zimmer.

»Wir müssen Mami noch mal anrufen«, sagte ich, als ich mich wieder einigermaßen gefangen hatte. »Wir müssen wissen, wann wir kommen sollen und wie?«

Ich ging zurück ins Sekretariat und probierte es erneut, aber Mutter hob nicht mehr ab. Ich rief bei unserer ebenfalls in Frankfurt wohnenden Tante Ursel an: »Ihr könnt erst mal bei uns bleiben. Bitte kommt möglichst bald!«

Am nächsten Tage saßen wir im Flugzeug von Zürich nach Frankfurt, traurig, verwirrt und angespannt. Was würde jetzt werden? Wie sollte das alles weitergehen?

Ursula von Lehndorff, die Schwester meines Vaters, holte uns am Flughafen ab. Wir erfuhren, dass unsere Mutter nicht zur Beerdigung kommen würde, und waren froh, dass wir bei der Tante wohnen konnten. Bei Mutter wusste man nie, ob sie nicht angetrunken war.

Von Onkel Karl erfuhren wir, dass unser Vater mit seinem neuen Sportwagen eine Spritztour durch den Taunus unternommen hatte und in einer Haarnadelkurve gegen die Leitplanke geprallt war; dabei war er so schwer verletzt worden, dass er noch im Rettungswagen auf dem Weg ins Krankenhaus verstorben war. »Gott sein Dank ist niemand anderer zu Schaden gekommen.« Mir fiel auf, dass unser Onkel den letzten Satz mit besonderer Betonung sprach.

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