Читать книгу Kornblumenjahre - Eva-Maria Bast - Страница 11

4. Kapitel

Оглавление

Essen, Ruhrgebiet, 12. Januar 1923

»Ich werde dort nicht hingehen.« Siegfried ließ wieder etwas von seiner alten Kraft und seinem alten Feuer erkennen, als er in der kleinen, düsteren Wohnung, die er mit Luise bewohnte, auf den Tisch hieb und ihr seine Entscheidung mitteilte. »Ich werde dort genauso wenig erscheinen wie unsere Direktoren!« Leicht hob er das Kinn, und Luise sah plötzlich wieder den Mann vor sich, in den sie sich einst verliebt hatte. Sie fühlte, dass ihr Herz unwillkürlich schneller schlug, als sie die Woge seiner Entrüstung einatmete. Als sie wieder sein Feuer spürte und sein Leuchten. Schüchtern und doch kraftvoll wie ein Schneeglöckchen durch hartgefrorenen Boden bohrte sich die Hoffnung durch den Winter ihres Gemüts. Es war der 12. Januar 1923, ein ausnehmend kalter Tag. Die französischen Behörden hatten die Direktoren der Krupp-, Stinnes- und Thyssenwerke zu einer gemeinsamen Konferenz eingeladen, an der von deutscher Seite allerdings niemand teilnahm. Auch die Arbeiter dachten nicht daran, den Franzosen ihre Mitarbeit zuzusagen oder ihnen gar die Informationen zu geben, auf die sie hofften.

»Sie wollen, dass wir ihnen Auskunft geben.« Siegfried spie auf den Boden, und Luise, so sehr sie sich über seinen wiedererwachten Kampfgeist freute, zuckte angesichts dieser groben Geste zusammen. Früher war er beides gewesen: mutiger Kämpfer und Kavalier. Jetzt war er ein Kämpfer mit verrohten Gesten, aber wenigstens, dachte Luise, kämpft er wieder und badet nicht mehr nur in Selbstmitleid.

Siegfried hielt Wort. Und er hielt Stand und wich keinen Deut von seinem Vorhaben, seiner Haltung und seiner Überzeugung ab. Auch nicht, als er nach der Mittagspause auf dem Weg zur Arbeit die Krupp-Statue auf dem Marktplatz passierte und drei Männer aus dem französischen Panzer sprangen, der dort stationiert war. Groß, drohend und breit kamen sie dem humpelnden Mann entgegen. Einer zog eine Peitsche hervor und hieb damit genau auf den Stumpf. Siegfried erblasste vor Schmerz und Wut, aber er verzog keine Miene.

»Einem Mitglied der Besatzungsmacht haben Sie Platz zu machen und zu grüßen!«, bellte der französische Offizier. »Haben Sie mich verstanden?«

Siegfried hob den Blick, starrte dem Mann trotzig in die Augen und spuckte aus, wie er das schon in seiner Küche getan hatte.

Plötzlich wurde er von hinten gepackt und zu Boden geworfen. Der Offizier trat mit dem Stiefel nach ihm und schlug ihm mit der Peitsche ins Gesicht. Die Stelle brannte, aber noch heißer brannte die Scham, die in Siegfried emporstieg.

»Der Besatzungsmacht haben Sie sich zu beugen und den Befehlen Folge zu leisten!«, brüllte der Offizier mit zornrotem Gesicht.

Siegfried antwortete nicht. Auch wenn er vor Angst zitterte und einen neuen Schlag mit der Peitsche fürchtete, blieb sein Stolz doch ungebrochen.

Der Offizier trat ihm mit aller Gewalt in die Nieren und er krümmte sich vor Schmerz.

»Sie sind verhaftet!«, bellte der Franzose. »Man wird Ihnen schon noch Manieren beibringen.«

Er drehte Siegfried den Arm auf den Rücken, zog ihn zu sich herauf und führte ihn ab.

Kornblumenjahre

Подняться наверх