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13. Kapitel

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München, Bayern, 23. Januar 1923

Das Altstadthaus, in dem Lisbeths Eltern lebten, lag in einer Seitenstraße hinter dem Stachus. Marlene war immer noch eingeschüchtert, aber auch beeindruckt, als sie darauf zusteuerten. Hochherrschaftlich erhob es sich über der Straße, es gab einen kleinen Vorgarten, der durch ein eisernes Gitter vom Bürgersteig abgetrennt war. Natürlich blühten zu dieser kalten Jahreszeit keine Blumen darin, aber dennoch wirkte er malerisch und romantisch. Durch diesen Vorgarten führte Lisbeth die Freundin, öffnete die geschnitzte Eingangstür und ging Marlene voran in den ersten Stock, die Beletage. Der Bursche folgte schnaufend mit dem Gepäck.

Ein Dienstmädchen öffnete. Lisbeth zeigte Marlene gleich ihr Zimmer, und wieder staunte Marlene: Es war ganz in Hellblau gehalten. Auf dem Bett lag ein hellblau geblümter Überwurf, hellblaue Samtvorhänge umrahmten das Fenster, ein Sessel, der mit dem gleichen Stoff bezogen war, stand in der Ecke. Das ganze Zimmer strahlte Frische, Wohlstand und Behaglichkeit aus. Marlene war selbst ein Kind aus begütertem Hause gewesen, aber der Reichtum war lang schon verblichen. Das Haus ihrer Eltern am Konstanzer Ufer war inzwischen fast heruntergekommen, es wirkte immer ein wenig trist und grau. Da fühlte sich Marlene im Überlinger Haus ihrer Schwester Johanna wesentlich wohler, auch wenn das lang nicht so prachtvoll war wie das Konstanzer Domizil der Familie. Ihr fiel auf, dass sie gar nicht wusste, was Lisbeths Vater beruflich machte – und es hatte sie auch nie interessiert. Angesichts all dieser Pracht in diesen schwierigen Zeiten fragte sie sich aber dennoch – ­­wenn auch nur flüchtig –, wie Lisbeths Vater seiner Familie diesen Luxus ermöglichen konnte.

»Zieh dich schnell um und lass uns mit Mama etwas essen«, unterbrach Lisbeth Marlenes Gedanken und klatschte in die Hände. »Umso schneller können wir los.«

»Los?« Marlene wandte sich erstaunt zu ihrer Freundin um.

»Ach, das hab ich dir ja noch gar nicht erzählt vor lauter Aufregung«, plapperte Lisbeth. »Wir treffen meine Freunde, Harald wird auch da sein, dann lernst du ihn endlich kennen! Ich kann es kaum mehr erwarten.« Ihre Wangen waren gerötet, das blonde aufgesteckte Haar leicht zerzaust. Man sah Lisbeth die Aufregung deutlich an.

»Oh.« Marlene war etwas enttäuscht. Zwar brannte sie darauf, dem Verlobten ihrer Freundin vorgestellt zu werden, aber sie war stets etwas eifersüchtig, dass Lisbeth, die einst ihre beste, ihre einzige Freundin gewesen war, nun ein neues Leben hatte, zu dem sie, Marlene, nicht gehörte. Mit Freunden, die sie nicht kannte. Außerdem fühlte sie sich unwohl inmitten dieser Münchner, die alle so schick wirkten im Vergleich zu ihr. So schick und so stabil und so fesch. Fieberhaft ging Marlene im Geiste die Garderobe durch, die sie dabeihatte – um festzustellen, was sie eigentlich schon wusste: dass nichts Passendes dabei war. Egal, es würde schon irgendwie gehen.

Sie zwang sich zu einem Lächeln. Auf keinen Fall sollte Lisbeth merken, was in ihr vorging. Und niemals würde sie sich erniedrigen und die Freundin um etwas Schickes zum Anziehen bitten. »Das ist ja wunderbar«, sagte sie deshalb nur. »Ich freue mich darauf.«

Sie wusste noch nicht, dass der Abend ihr Leben vollständig verändern würde.

Kornblumenjahre

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