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10. Kapitel

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Überlingen, Bodensee, 23. Januar 1923

Sophie hatte Angst. Sie war mit Raphael alleine im Haus. Ihr Vater, der Schuldirektor, hielt sich noch in der Schule auf, Helene war wieder nach Konstanz gefahren, und Johanna und Sebastian hatten sie begleitet. Johanna wollte mit ihrer Mutter die Säuglingsausstattung ansehen, die sie nach der Geburt ihres Sohnes Robert im elterlichen Haus eingelagert hatte. Sophie nahm mit ihrem Sohn ein karges Abendmahl ein und schickte ihn dann ins Bett. Die ganze Zeit über wurde sie das Gefühl eines drohenden Unheils nicht los.

Bewegte sich dort im Garten nicht etwas? Waren da nicht Stimmen zu hören?

Sie ging unruhig im Haus auf und ab und knipste alle Lichter an, umklammerte das Notizbüchlein – in dem verzweifelten Versuch, die Angst zu vertreiben. Dann spähte sie vorsichtig durch die kleine Scheibe in der Haustür in den Garten hinaus. Unzählige Schatten schlichen dort herum, dessen war sie sich jetzt ganz sicher, und sie spürte, wie sich ihr die Kehle zuschnürte. Ich stelle mich schon an wie Helene!, schalt sie sich. Was ist nur mit mir los?

Sie zwang sich, zurück ins Wohnzimmer zu gehen, und setzte sich aufs Sofa.

Als sie ein Geräusch an der Tür hörte, schreckte sie hoch. Aber es war nur ihr Sohn, der dort stand.

»Raphael, was ist los?« Sie hoffte, dass er ihre Aufregung nicht bemerken, den hysterischen Klang ihrer Stimme nicht wahrnehmen würde. »Warum bist du nicht im Bett?«

»Ich konnte nicht schlafen, Mutter«, flüsterte Raphael schüchtern und schlang seine kleinen Hände fest ineinander, als wolle er sich selbst Halt geben. »Ich habe so ein komisches Gefühl … ich … ich fürchte mich.«

Sophie holte tief Luft. Ihr Sohn spürte es also auch. Oder waren es lediglich ihre eigene Angst und Unruhe, die sich auf den Jungen übertrugen?

Sie klopfte neben sich aufs Sofa. »Du musst dich nicht fürchten, mein Schatz«, sagte sie fest. »Komm her, setz dich zu mir.«

Raphael, erleichtert, dass sie ihn nicht mit scharfen Worten wieder ins Bett geschickt hatte, ging durchs Wohnzimmer und nahm neben seiner Mutter Platz.

Sophie legte ihre Arme um ihn und zog ihn an sich. Auch ihr war wohler dabei, nicht alleine zu sein.

»Es kommt dir nur komisch vor, dass all die anderen nicht da sind«, erklärte sie. »In einem Haus, in dem sonst immer so viele Menschen sind, ist es einem nun mal unheimlich, wenn man allein ist. Vor allem nachts.«

Raphael nickte und kuschelte sich tiefer in Sophies Arme. »Jetzt habe ich schon gar keine Angst mehr, Mutter«, sagte er glücklich. »Jetzt, wo ich bei dir bin.«

Wenig später war er eingeschlafen.

Aber Sophie konnte nicht schlafen. Die Angst hatte sie nach wie vor fest im Griff und sie lauschte mit angehaltenem Atem in die Stille.

Als der Stein durch die Fensterscheibe schlug, zuckte sie erschreckt zusammen. Raphael wachte auf und fing an zu schreien. »Was ist das, Mutter?«

Aber Sophie antwortete nicht mehr. Der Stein hatte sie direkt an der Schläfe getroffen.

Kornblumenjahre

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