Читать книгу Tatort Bodensee - Eva-Maria Bast - Страница 31

24

Оглавление

Mit leicht erhöhtem Puls bog Horst in Nußdorf um die Kurve, hinter der sich das Gelände des Bauernhofes befand, in dem Frieder seinen Wohnwagen abgestellt hatte. Hoffentlich hatte der sich in der Zwischenzeit einigermaßen beruhigt und überdies seine Rostlaube wieder her­stellen können. In einem Überlinger Ge­tränke­handel am Burg­berg hatten sie extra noch drei Flaschen Rotwein besorgt, Frieders Lieblingsmarke, um sich den gefrusteten Wohnwagenbesitzer damit wenigstens wieder ein wenig gewogen zu machen.

»Mit Speck fängt man bekanntlich Mäuse!«, hatte Claudia verlauten lassen und ihrem Gatten gleichzeitig einen strengen Blick zugeworfen, als der nach einem Überprüfen der Preisschilder am Rotweinregal des Getränkemark­tes zu bemerken gewagt hatte, dass er eigentlich schon zu Beginn seines Aufenthaltes am Bodensee in weiser Voraussicht eine ganze Batterie Lemberger trocken im Wohnwagen gelagert hätte. Und seiner Meinung nach brauche man sich da doch bloß aus dem bestehenden Vorrat zu bedienen und dem Frieder drei Flaschen davon in die Hand zu drücken. »Kommt überhaupt nicht infrage, die Sparaktion da! Was ist das denn für ein Bild, wenn wir mit leeren Händen vor dem Frieder auftauchen!«

»Aber der hat doch im Wohnwagen …«, ein weiterer Blick von Claudia genügte, um Horst verstummen zu lassen. Ergeben fügte er sich fürderhin in sein Schicksal, auch wenn ihm die 49,90 Mark (Sonderangebot hatten die das genannt!) für drei Flaschen Lemberger trocken, Heilbronner Staufenberg Spätlese, doch reichlich heftig erschienen waren. Hätte er den Frieder doch vor Jahren bei seinem Trollinger im wahrsten Sinn des Wortes versauern lassen: die Literflasche um 4,50 Mark (und das auch noch inklusive Pfand)! Aber nein, er hatte ja im Überschwang seiner Heilbronner Lemberger-Begeisterung gemeint, ihn unbedingt bekehren zu müssen! Selber schuld! Das hatte er nun davon!

Sie stellten den Wagen am Haus des Bauernhofes ab und Horst nahm die drei Flaschen vom Rücksitz. In diesem Moment wurde die Tür des Hauses geöffnet und der Besitzer des Stellplatzes kam eilfertig auf die Meyers zu. »Herr Meyer, Herr Meyer! Da sind Sie ja endlich!« Aufgeregt wedelte er dabei mit einem Briefumschlag in der Luft herum.

Verdutzt schauten sich die beiden an. Hatten sie denn eine Verabredung mit dem Bauern gehabt oder weshalb hatte der es denn plötzlich so eilig?! Der war doch sonst nicht gerade von der schnellen Truppe!

»Da schauen Sie, das ist gestern für Sie abgegeben worden!« Hektisch deutete er dabei mit dem Zeigefinger auf den Briefumschlag. »Ein Brief für Sie! Und wenn ich nicht zufällig da gewesen wäre, dann hätte ihn der Briefträger wieder mitgenommen! Weil der doch Ihren Namen gar nicht gekannt und deshalb gemeint hat, er sei falsch adressiert gewesen! Aber da bin ich gerade noch rechtzeitig dazugekommen und habe ihm dann auch gleich sagen können …«

Horst unterbrach den Wortschwall seines Gegenübers: »Ein Brief? Für mich? Sind Sie sicher?«

Der Bauer nickte heftig. »Natürlich für Sie! Horst Meyer, Kriminalkommissar! Das sind Sie doch, oder?« Kum­pel­haft kniff er mehrfach sein rechtes Auge zu, wie um Horst Vertraulichkeit zu signalisieren.

Der jedoch war immer noch nicht überzeugt. »Komisch! Wer weiß denn schon, dass ich hier bin? Lassen Sie mal sehen!« Damit nahm er den Briefumschlag in die Hand und betrachtete ihn eingehend.

»Tatsächlich – Horst Meyer, Kriminalkommissar, zurzeit Nußdorf …«

»Von wem ist er denn?«, mischte sich nun auch Claudia in die Debatte ein.

»Keine Ahnung!« Horst drehte den Briefumschlag um, aber auch da war kein Absender zu finden. »Hmm«, schnaubte er ärgerlich. »Das haben wir ja gern! Auch noch ein anonymer Absender!«

»Vielleicht steht der drin, lassen Sie mal sehen!« Der Bauer schien gespannt zu sein wie ein Flitzebogen und machte Anstalten, Horst den Brief wieder aus der Hand zu nehmen.

Der Kommissar bemerkte das Vorhaben noch rechtzeitig und drehte sich mit dem Oberkörper rasch in Richtung Claudia. »Mal sehen«, brummte er und riss den Briefumschlag mit dem Zeigefinger auf. Angestrengt starrte er auf das zusammengefaltete Briefpapier, auf dessen linker oberer Ecke der Absender in kaum leserlicher winziger Kursivschrift eingedruckt war. Er musste das Blatt näher an die Augen halten, um die Schrift entziffern zu können. Wahrscheinlich war es allmählich doch so weit, dass er eine Brille brauchte! Er stieß ein ärgerliches Grunzen aus, aber da war halt wohl nichts zu machen.

»Oh!« Claudia hatte den überraschten Ausruf von sich gegeben. Sie und Horst hatten praktisch gleichzeitig registriert, um wen es sich beim Absender des Briefes handelte.

»Das ist doch der, den ihr gestern …«

Gerade noch rechtzeitig legte Horst den Zeigefinger an die Lippen und ließ Claudia einen warnenden Blick zukommen.

Ein eiskaltes Grausen überfiel ihn. Der Brief eines Toten, adressiert an ihn, Horst Meyer. Ein Brief von gestern oder vorgestern, obwohl sie noch vorgestern ausgemacht hatten, sich gestern treffen zu wollen. Doch da war es schon zu spät gewesen! Der Brief stammte von Alex Winter, dem Journalisten, der offenbar mehr gewusst hatte, als seiner Gesundheit zuträglich gewesen war …

Hastig überflog er den mit engem Zeilenabstand in sichtlicher Zeitnot geschriebenen Brief. Danach ließ er die Hand, in der er den Brief gehalten hatte, sinken und atmete tief durch. Claudia schaute ihn betroffen an, sagte aber nichts, sondern ließ ihm Zeit, um das gerade Gelesene zu verarbeiten.

»Na, Herr Meyer, alles klar?« Forschend blickte ihm der Bauer ins Gesicht und schreckte Horst so aus seinen Gedanken.

Ohne auf die Frage einzugehen, nickte er Claudia eine stumme Aufforderung zu und drehte sich um. Nur Sekunden später schoss der Wagen der Meyers mit aufheulendem Motor um die Kurve zurück in Richtung Überlingen, gefolgt von einem verwunderten Kopfschütteln des Stellplatzvermieters. »Leute gibt’s …« Na ja, der sollte bloß noch einmal kommen und irgendwas von ihm wollen! Damit schlurfte der Bauer ins Haus zurück! Und dem Frieder mit seinem Wohnwagen, mit dem würde er auch noch ein Hühnchen zu rupfen haben: also solche Typen, unfreundlich und außerdem noch schlampig – man musste ja bloß an das kaputte Fenster denken – die brauchte der einem nicht mehr anzuschleppen! Nicht auf seinem eigenen Grund und Boden! Sonst war Schluss mit der Wohnwagenherrlichkeit, aber ruckzuck!

Wenige Hundert Meter hinter dem Bauernhof brachte Horst den Wagen wieder zum Stehen. »So ein neugieriges Aas aber auch! Der hätte mir glatt den Brief aus der Hand genommen und hinterher im ganzen Dorf herumerzählt, was da drinsteht!« Mit einer entschiedenen Handbewegung holte er das Handy aus dem Handschuhfach und sah Claudia entschuldigend an. »Tut mir leid, aber jetzt muss ich die Lawine ins Rollen bringen. Okay?«

Claudia nickte. »Verstehe ich! Das muss jetzt schnell gehen! Aber unter einer Bedingung: Ich lasse mich nicht wieder absetzen wie gestern, wie einen nassen Sack! Ich komme mit!«

»Aber …« Doch Horsts Widerspruch wurde schon im Keime erstickt.

»Ich komme mit und damit basta!« Da war nichts mehr zu machen – und ehrlich gesagt – warum denn eigentlich nicht?

Horst tastete nach einem Zettel, der ebenfalls im Handschuhfach deponiert war. »Also gut, abgemacht! Dann sag mir doch gleich mal die Nummer, die auf dem Zettel steht!«

Er tippte die Ziffern, die Claudia ihm nannte, in sein Handy. Dann drückte er die grüne Wähltaste. Es dauerte nur Sekunden, bis sich am anderen Ende der Leitung die Vermittlung der Polizeidirektion Konstanz meldete. »Ihren Chef, bitte, den Herrn Ströbel! Oder seinen Stellvertreter! Und schnell, bitte! Es ist dringend!«

Tatort Bodensee

Подняться наверх