Читать книгу Tatort Bodensee - Eva-Maria Bast - Страница 32
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ОглавлениеAls Horst und Claudia eine knappe Stunde später vor dem Büro des Kiesunternehmens in Gottmadingen eintrafen, erfassten sie mit einem Blick, dass hier schon seit geraumer Zeit ganz offensichtlich die Hölle los war. Die Polizei in Konstanz hatte nach Horsts Gespräch mit Polizeioberrat Ströbel anscheinend blitzschnell reagiert. Ein halbes Dutzend Streifenwagen mit blinkenden Blaulichtern, flankiert von gut noch einmal einem halben Dutzend ziviler Einsatzfahrzeuge, standen kreuz und quer auf der Straße vor der Firma und hatten die Einfahrt zum Bürotrakt der »Bodenseekies« hoffnungslos blockiert.
»Das war aber Maßarbeit!«, murmelte Horst überrascht, nachdem er sich einen ersten Überblick über die Situation verschafft hatte. Er deutete auf uniformierte Polizeibeamte, die, bis unter das Kinn beladen, Hunderte von Aktenordnern aus dem Büro herausschleppten und sie in ihren Fahrzeugen verstauten. »Die scheinen ja einen Staatsanwalt von der ganz fixen Truppe gehabt zu haben, wenn der innerhalb von nicht mal einer Stunde einen Durchsuchungsbefehl unterschreibt und sich die Truppe dann auch schon in Marsch setzt! Donnerwetter!«
Auch Claudia schien beeindruckt. »Donnerwetter! Als wenn sie regelrecht in den Startlöchern gestanden und nur auf deinen Anruf gewartet hätten!«
»Stimmt! Das ist mir als Erstes auch durch den Kopf geschossen, als ich das hier gesehen habe. Also eines wird mir immer klarer: Da stinkt es irgendwo ganz gewaltig und ich fürchte«, damit drehte sich Horst zu Claudia herum und musterte sie ernst, »ich fürchte, der Gestank kommt nicht nur aus dieser Tür heraus!«
Claudia nickte zustimmend. »Da scheinst du recht zu haben. Aber ich bin gespannt, was jetzt als Nächstes passiert!«
Sie erfuhr es augenblicklich: Im selben Moment nämlich stürmte der Preisboxer, der Horst und Protnik gestern Abend nach allen Regeln der Kunst einen Kopf kürzer gemacht hatte, aus der Tür des Bürogebäudes, gefolgt vom inzwischen wohlbekannten Duo Hofer/Schlotterbeck, und musterte die beiden Neuankömmlinge finster.
»Na, da haben Sie schwer etwas losgetreten«, bellte er Horst ins Gesicht, ohne sich auch nur im Geringsten um irgendeine Begrüßungsfloskel zu bemühen. »Ich kann Ihnen sagen: Wenn das alles eine Ente gewesen ist, dann Gnade Ihnen Gott, dann können Sie künftig Mülltonnen leeren oder Gehwege fegen!« Böse glotzte er ihm in die Augen.
»… oder dann doch Bergsteiger auf den Malediven werden!«, murmelte Horst leise vor sich hin.
»Wie? Was werden?«, irritiert stierten die drei anderen in seine Richtung.
Horst hob abwehrend die Arme. »Nichts! Schon gut! Übrigens Claudia«, damit drehte er sich leicht seiner Frau entgegen und wies dann mit einer leichten Handbewegung auf die vor ihm stehenden Beamten, »das hier ist der Herr Ströbel von der Polizeidirektion Konstanz und die beiden anderen Herren sind die Kollegen Hofer und Schlotterbeck.« Er deutete mit einer leichten Bewegung seines Oberkörpers eine Verbeugung an. »Gestatten die Herren, meine Frau, Frau Dr. Meyer!«
Ein leichtes Flackern in Ströbels Augen verriet Horst die Überraschung, die er beim Konstanzer Polizeichef mit dieser Bemerkung hervorgerufen hatte. Doch Ströbel war Profi genug, um sofort wieder zur Tagesordnung übergehen zu können. »Angenehm! Also, Meyer, eines ist Ihnen doch hoffentlich klar: Wenn auch nur …«
Doch weiter kam er nicht. Im selben Moment nämlich wurde die Tür des Bürogebäudes ein weiteres Mal geöffnet und ein untersetzter Endfünfziger mit Froschgesicht, das durch sein knallbuntes grünes Hemd nachdrücklich unterstrichen wurde, kam heraus. »Ströbel! Herr Ströbel! Da stecken Sie also!«
Die Gesprächsrunde drehte sich um. »So, nun kann’s ja losgehen«, zischte Ströbel leise, während er laut erwiderte: »Ja – ich habe hier einen Kollegen begrüßen müssen. Darf ich vorstellen: Herr Dr. Hefter!«
Der so Vorgestellte senkte zur Begrüßung kurz den Kopf und musterte die Fremden mit unverhohlener Neugier, während ein leicht zynisches Lächeln seine Mundwinkel umspielte: »Hefter, Dr. Hubert Hefter. Inhaber der ›Bodenseekies‹. Und mit wem habe ich das Vergnügen?«
Horst schluckte trocken. Der Kerl schien ja mit allen Wassern gewaschen! Nicht die Spur von Aufregung, keinerlei Anzeichen von Nervosität! Was, wenn die Spuren und Hinweise, die Winter in seinem Brief so detailliert aufgelistet hatte, doch ins Leere stießen?! Was, wenn Winter einer absichtlich ausgelegten falschen Fährte gefolgt war, die ein für allemal von den wirklichen Vorkommnissen und den wahren Hintermännern ablenken sollte?! Nein! Horst gab sich innerlich einen Ruck und straffte den Oberkörper: Das durfte einfach nicht sein – wieso hatten sie denn dann auch Alex Winter ermordet? Wenn er sich nicht doch … Nein, Schluss jetzt! »Mein Name ist Meyer, Horst Meyer«, stieß er heiser hervor. »Und das ist meine Frau, Frau Dr. Meyer!«
Hefter pfiff leise durch die Zähne. »Ach, so ist das! Sie sind also der Herr Meyer, dem ich das alles hier zu verdanken habe!« Er vollführte eine weit ausladende Handbewegung. »Na, wenn sie sich da nur nicht verhoben haben!« Zu Horsts Überraschung donnerte er ihm kumpelhaft-jovial seine schwere Pranke auf die Schulter. »Na, dann kommen Sie erst mal rein und stärken Sie sich bei einer Tasse Kaffee, bevor das Spießrutenlaufen losgeht. Na bitte, da kommt auch schon die Presse!« Heftig gestikulierend winkte er einem jungen schmächtigen Mann zu, der gerade eben aufgetaucht war.
»Grüß Gott, Herr Mägerle! Sie kommen grade recht zu einer Tasse Kaffee!« Immer noch dieses unangenehme Dauerlächeln im Gesicht, begrüßte er den Neuankömmling mit einem kräftigen Händedruck. Der Reporter vom Privatradio lächelte Horst einen gequälten Gruß zu und umklammerte mit der freien Hand krampfhaft sein Aufnahmegerät, auf dem ein großer Aufkleber mit dem Logo des »Mehrfunk« prangte. Horst spürte es deutlich: Auch Reporter schienen ihren Beruf in bestimmten Situationen zu hassen!
»Ach ja, das wollte ich Ihnen vorhin noch sagen«, wandte sich das Froschgesicht dem Polizeichef zu. »Unser Freund Roland wird auch gleich hier sein.«
Ströbel nickte stumm. Als er den irritierten Ausdruck in Horsts Augen bemerkte, fühlte er sich anscheinend zu einer Erklärung genötigt: »Roland Bär, der Landrat!«
Der auch noch, das konnte ja heiter werden! Hilfesuchend warf Horst dem Radioreporter einen Blick zu, doch der stierte nur in tiefer Resignation auf den Boden. Er schien bereits zu wissen, was er zu berichten hatte, und war nur deshalb hierherzitiert worden, um die für den Bericht notwendigen Originalzitate der Beteiligten aufzunehmen.
»Also dann, meine Herren! Und natürlich auch meine Dame«, setzte der offenbar bestens gelaunte Kiesbaron mit einem entschuldigenden Blick auf Claudia hinzu, »gehen wir hinein und trinken wir einen Kaffee zusammen!« Damit breitete er die Arme aus und schob die ganze Versammlung vor sich her zum Eingang des Büros der »Bodenseekies«.
Die Szene war ja geradezu unwirklich-grotesk! Kaffeekränzchen beim Hauptverdächtigen! Horst schickte ein Stoßgebet zum Himmel! Bitte, bitte lass es wahr sein! Lass die Behauptungen von Alex Winter zu Beweisen werden!