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LEUTNANT RYDER SAN DIEGO

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KATIES WAGEN IST QUER über beide Stellplätze vor dem Mietshaus abgestellt, die Rücklichter brennen, die Fenster stehen offen, der Schlüssel steckt. Nichts Neues. Ryder hat erst letzte Woche eine neue Batterie eingebaut. Kaffeebecher, Fast-Food-Verpackungen, Klamotten und Nagellackfläschchen in allen Farben des Regenbogens liegen auf den Sitzen verstreut. Die Stereoanlage spielt leise Destiny’s Child. Eine orangefarbene Pillendose von der Apotheke liegt in einer Cola-Pfütze im Fußraum, das Etikett ist aufgeweicht und unleserlich. Die Pillen sind weiß, wie Aspirin, eindeutig nicht Katies Antidepressiva.

Sie steht in der Küche und streicht mit den Händen nervös über den rosafarbenen Jogginganzug, den sie neuerdings rund um die Uhr trägt. Ryder schluckt seinen Ärger hinunter, umarmt sie und flüstert ihr ins Ohr. »Katie, ich hab super Neuigkeiten.«

Ihr Gesicht ist verquollen. Als er sie loslässt, schwankt sie leicht.

»Ich bin für ein Fortbildungsprogramm ausgewählt worden.« Ryder spreizt die Finger zum V.

»Heißt das, dass du wieder seltener nach Hause kommst?«

»Nur in der Anfangsphase.« Es ist stickig, Ryder öffnet ein Fenster. »Ein exklusives Programm für eine Handvoll Soldaten. Ich bin drin. Ich? Kannst du dir das vorstellen?«

Katies Blick bleibt stumpf.

Ryder erinnert sich daran, was der Spargelmann gesagt hat. Mit Information überfluten. »Da wird richtig angepackt. Vor Ort. Brunnen graben, Evakuierungs-Strategien, Deeskalation, Katastrophenschutz, solche Sachen. Ein paar Theorie-Seminare, abends, freiwillig, aber wichtig, jedenfalls am Anfang.«

»Wo soll das stattfinden?«

»Das weiß ich noch nicht. Wird spontan entschieden. Muss man sich drauf einlassen. Ich muss in der Probezeit beweisen, dass es mir ernst ist, sonst kann ich gleich einpacken. Das gilt für jeden, der mitmacht. Kellogg auch.«

»So besonders kann es nicht sein, wenn Kellogg dabei ist.«

Da flackert ein bisschen Sarkasmus durch, ein gutes Zeichen.

»Hör mal, ich denke, ich sollte die Zeit bei den Marines nutzen, um meine Karriere auszubauen. In dem Programm kann ich Erfahrungen sammeln, für später, einen friedlichen Bürojob zum Beispiel.« Ryder versucht, ihrer Lethargie mit Optimismus entgegenzuwirken.

»Was jetzt, Brunnen graben oder Bürojob? Verstehe ich nicht.« Katie stößt auf.

»Die Sache hat nur Vorteile, siehst du das nicht? Es gibt einen Wohnzuschuss, dann können wir endlich hier weg und in unser eigenes Haus ziehen. Mehr Geld, bessere Krankenversicherung, undsoweiterundsofort. Davon profitierst du auch.« Er weicht komplett vom Drehbuch ab, nur um eine positive Reaktion zu bekommen. Sie könnte sich wirklich einmal freuen.

»Wie soll ich je wieder schwanger werden, wenn du ständig weg bist?«

Schwanger werden. Kinder kriegen. Familienplanung. Jetzt fängt das wieder an. Familie ist weder für ihn noch für Katie mit glück lichen Erinnerungen verbunden. Früher hatte sie nicht die geringsten Ambitionen, Windeln zu wechseln. Es müssen die Hormone sein.

»Lass uns eine Pizza bei dem neuen Italiener bestellen, und ich erzähl dir alles.«

»Hast du doch schon. Wiederholen macht es auch nicht besser.« Sie gähnt dabei, ihre Worte sind kaum zu verstehen. Ihr vernebelter Blick fällt auf seine Hände, die er zu Fäusten geballt hat. »Und kein Grund, so sauer zu werden.«

»Hörst du mir überhaupt zu, Katie? Können wir wenigstens so tun, als würden wir miteinander reden?«

Mehr Wischbewegungen über das Sweatshirt.

»Du wirst nie verstehen, wie das ist für eine Frau.«

Wahrscheinlich nicht. Es ist Monate her, seit sie das Baby – in Anführungszeichen – verloren hat. Wenn das »Baby« sie so hätte sehen können, in all ihrer zugedröhnten, ungeduschten rosa Jogginganzugs-Pracht, wäre es wahrscheinlich freiwillig abgegangen. Aber was Katie passiert ist, kann nicht als Abgang bezeichnet werden, weil sie gar nicht richtig schwanger war. Eine befruchtete Eizelle ist noch kein Baby! Fünfte Klasse Biologieunterricht. Dieses Null-Ereignis sollte keine Entschuldigung dafür sein, sich so gehen zu lassen. Er war Minentauchen, als sich das »Baby« verabschiedet hat, dabei ist ihm fast das Trommelfell geplatzt. Rein technisch gesehen, war der Moment, als sie das »Baby« angeblich »verloren« haben soll, einfach nur ein verzögertes Einsetzen ihrer Periode. Eine Fehlzündung der Eierstöcke, Eileiter oder wie man diesen Teil des menschlichen Reproduktionslabors nennt. Das Ei wurde vom Körper selbst disqualifiziert und das abgestorbene Gewebe konsequenterweise abgestoßen. Autodarwinismus! Ryder hat irgendwann Zugeständnisse gemacht und vom Baby ohne Anführungszeichen gesprochen, weil sie so gelitten hat.

Als sie ihm sagte, dass sie das Baby verloren habe, hat er ihren Vorschlag abgelehnt, sofort ein neues zu machen. Sie hatte noch ihre Tage, was hieß, dass sie gar nicht hätte schwanger werden können. Das hat er ihr erklären müssen! Dann machte sie sich über seine Männlichkeit lustig, wurde laut und fuhr große Geschütze auf. Ryder würde sie manipulieren und kontrollieren, hätte ihr immer ein schlechtes Gewissen gemacht dafür, dass sie Sex wollte, genau wie ihre Eltern, diese katholischen Fundamentalisten. Gleich darauf wollte sie sich wieder versöhnen. Mit Sex. Wahnsinn!

Wie vor drei Monaten wirft Katie auch jetzt ihr Heul-Programm an. »Komm, lass uns eins machen, bevor du wieder abhaust.« Sie greift nach seiner Hand, er weicht aus.

»Beruhig dich erst einmal.«

»Warum willst du mir keins machen?« Dann, in maximaler Lautstärke, damit die ganze Nachbarschaft etwas zu lachen hat: »Ich will ein Kind, Ryder! Was soll das denn für eine Ehe sein? Da stimmt doch was nicht. Das ist nicht normal!«

Katie tut wieder so, als sei Ryder der Irre. Dabei ist sie diejenige, die Pillen schluckt. In ihrem Zustand kann eine Schwangerschaft wirklich keine gute Idee sein.

Ja, es war zugegebenermaßen Ryders Vorschlag, dass sie eine Therapie macht. Er hat auch gehofft, dass der Therapeut ihr etwas gegen die Depression verschreibt. Aber er hat nicht erwartet, dass ihr das so zusetzen würde. Er holt die verklebte orange Pillendose, die er im Auto gefunden hat, aus der Hosentasche.

Katie, auf einmal hellwach, greift danach, aber Ryder hält sie in der Luft. »Die hab ich die ganze Zeit gesucht!«

»Sind das die Pillen von Dr. O’Hara?«

»Nein, vom Gynäkologen. Soll ich regelmäßig nehmen.«

»Schmerzmittel?«

Katie schnappt sich die Pillendose. »Nein, seit der Ausschabung habe ich hormonelle Fluktuationen, oder so was.« Sie wirft eine Tablette ein und trinkt vom Hahn. »Ich erwarte kein Verständnis für meinen Zustand, keine Angst. Von dir nicht. Das wäre offensichtlich zu viel verlangt.« Sie wischt sich mit dem Ärmel über den Mund.

»Ich mache mir aber Sorgen.« Er streicht ihr die strähnigen Haare aus der Stirn.

»Sorgen. Um was denn? Deine grandiose Soldatenkarriere?«

»Um dich, um uns.«

»Du kannst es einfach nicht erwarten, wieder bei deinen Jungs in den Baracken zu sein.« Sie lacht spöttisch. »Wow, du hättest gerade dein Gesicht sehen sollen.«

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