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Fluchtreflexe.

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Und dann kommen sie an. Aus dem Nachbarort, in dem der Zug hält, nehmen sie den Bus und werden an Haltebucht vier des Busbahnhofs von den Hunden empfangen. Alle Ankommenden müssen von hier aus den gleichen Weg nehmen. Vom Busbahnhof aus in entgegengesetzte Richtung der Hinweisschilder unter das Promenadendach. An den Metallleitungen über der Straße hat sich ein Parasit festgesetzt, ein silbergrün schimmerndes Moos, das sich in der Horizontalen in alle Richtungen ausgebreitet hat, die ihm die Leitungen gewähren. An den Knotenpunkten der Leitungen ist das struppige Geflecht so dicht, dass es auf der Straße einen Flecken Schatten wirft. Einzelne Hunde dösen darin und folgen dabei dem Lauf der Sonne, ziehen erst nach und nach den Schwanz, eine Pfote ein, um im Schatten zu bleiben, dann stehen sie auf und lassen sich einige Zentimeter weiter nieder. Lenka immer ein paar Schritte voraus, Therese hinterher. Auf der einzigen überdachten Einkaufsstraße des Landes reiht sich ein esoterischer Laden an den nächsten. Zwischen den Plastikstühlen der beinah verlassenen Straßencafés hängt der Geruch von Räucherstäbchen, in den Schaufenstern liegen Aliens in jeder denkbaren Darreichungsform, gebackene Ufos, es gibt geschliffenen Rosenquarz in Drahteinfassungen, Stimmungsringe und Süßigkeiten, die im Dunkeln leuchten. Sie bleibt an einem der Schaufenster stehen, sieht sich selbst, verschwitzt und übermüdet, in der Spiegelung. Die Füße sind dick und die Nerven dünn. Lenka ist schon an der nächsten Ecke angekommen, dreht sich zu ihr um. Sie kneift die Augen im Gegenlicht zusammen und blickt die Straße entlang. Therese setzt sich wieder in Bewegung, unendlich langsam, sie merkt es selbst. Die Vernunft sagt, das wird nicht gut gehen. Das ist noch niemals gut gegangen. Lass die Finger von dieser Frau. Oder mach dir zumindest klar, was du von ihr willst. Und was also ist das? Will ich so sein wie sie oder will ich sie flachlegen? Aber wie ist sie denn? Frei. Unabhängig. Eine, die die Menschen nicht braucht. Angeblich.

Lenka steht an der Ecke und wartet. Komm, wir haben es gleich geschafft! Sie klingt aufgekratzt.

Therese geht zwei Schritte schneller, wird aber gleich wieder langsamer. Diese Müdigkeit. Vor den Ladenlokalen, hinter den Gartenzäunen sieht sie vereinzelte Gestalten. Als hätte man immer einen Blick im Rücken. Lenka scheint es nicht zu bemerken. Sie gehen nebeneinander die letzten paar Schritte unter dem Promenadendach entlang zum Hostel. Der Junge an der Rezeption nimmt die Reisepässe entgegen und trägt ihre Daten in den Computer ein.

Wie lange bleibt ihr?

Erst mal ein paar Tage, sagt Lenka. Sagen wir: sieben. Eine Woche. Und dann sehen wir weiter.

Er gibt ihnen das Zimmer gleich neben der Eingangstür. Es ist ein Achtbettzimmer, aber sie sind die einzigen Gäste darin. Es folgt eine kurze Einweisung: Duschen, Frühstück, Sehenswürdigkeiten der Umgebung. Die Nachtwanderungen könne er empfehlen, besonders im Gesamtpaket mit den Leihfahrrädern. Das Hostel habe Sonderkonditionen ausgehandelt. Auf der grob verputzten Wand steht vielsprachig und in breiten Pinselstrichen etwas von Liebe und Toleranz. Am liebsten will Therese gleich wieder weg.

Seltene Erde

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