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HEISSES EIS

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Max saß neben mir und erzählte mir etwas, ich hörte ihm jedoch nur mit halbem Ohr? zu. Ich war mit meinen Gedanken ganz woanders. Plötzlich nahm er ein Buch in die Hand und las mir eine Geschichte vor.

Zwei kleine Mädchen saßen im Garten auf einer Decke und spielten. Plötzlich wurde es laut. Die Mädchen stritten sich und Helene lief weinend ins Haus zur Mutter und wurde von ihr in den Arm genommen. Sie sah das andere Mädchen nur ganz kurz an und drehte sich dann weg. Warum? Das Mädchen Eva senkte den Kopf und ging wieder hinaus in den Garten. Eva sah verglich sich mit Helene. Sie hatten Beide dunkelbraunes Haar, einen Pagenkopf. Beide trugen sie dieselben Kleider, die die Großmutter für sie nähte. Auch die Schuhe und die Haarschleifen waren gleich. Helene war ein Jahr jünger als Eva, aber sonst gab es keinen großen Unterschied. Und doch war er da. Es war nicht das erste Mal, dass Eva spürte, das etwas mit ihr nicht stimmte. Sie kannte diese Blicke der Mutter und sah den Unterschied zwischen den Blicken. Den Unterschied zwischen Helene und ihr und dem Herzen der Mutter.

Es war ein gespaltenes Herz.

Die linke Hälfte war blutrot und arbeitete ganz schnell. Es quoll über vor lauter Liebe. Die andere Hälfte war kalt und blau. Blau wie das Eis in der Arktis. Und es stand still.

Nein, nicht ganz. Ein ganz klein wenig schlug es. Es wurde gespeist von einer einzigen Bahn aus der anderen Hälfte. Diese Bahn war schwarz.

Schwarz wie Hass. Eva wusste damals nicht, was Hass ist, aber spürte instinktiv die Ablehnung und gab sich selbst die Schuld. Sie bemühte sich alles richtig und der Mutter Freude zu machen. Doch egal, was sie sagte oder tat, es war immer verkehrt. Eva verdoppelte ihre Anstrengungen, dabei unterliefen ihr aber immer häufiger Fehler. Um vor der Mutter gut dazustehen, schob sie jetzt immer häufiger die Schuld auf ihre Schwester Helene. „Helene hat das Glas runter geworfen – ich nicht“ und schaute dabei die Mutter sehr unschuldig an. „Sie hat den Hund getreten, ich war das nicht“. Ab und zu kam sie damit auch durch und Helene erhielt die Schläge, die eigentlich sie verdient hatte. Am Anfang hatte Eva dabei noch ein schlechtes Gewissen. Später nicht mehr. Sie hoffte immer noch darauf, dass sich etwas änderte. In jedem Blick, den ihr die Mutter zuwarf, suchte sie nach etwas.

Einem Funken, einem Glitzern, einer klitzekleinen Regung, die sagte „Ich habe dich auch lieb“. Doch da war nichts und da kam auch nichts. Doch Eva gab die Hoffnung nicht auf.

Etwa ein Jahr später. Die Mutter ging mit Eva und Helene spazieren.

Mutter, Helene und ich gingen am Indianermuseum vorbei und standen kurz danach vor einer Kirche. Die Mutter blieb urplötzlich stehen. Fast wären sie aufeinandergeprallt. Sie drehte sich um, schaute erst zur Kirche hin und dann Eva an. Eva sah ihr Gesicht und bekam Angst.

„Du bist hier am 8. Mai 1960 getauft worden. Hätten wir damals den Kuchen getauft und dich gefressen und den Tag der Befreiung gefeiert, wäre uns viel erspart geblieben.“

Den Satz selbst hat Eva nicht verstanden, aber sie hatte gespürt, dass er abgrundtief böse war. Sie vergaß diesen Satz nie wieder.

Mein Kopf zuckte ruckartig nach oben und ich begriff, das war meine Geschichte. Aber wieso hörte ich sie von Max? Ich sah mich um. Weit und breit kein Max. Nur ich selbst. Viele Male, hunderte Male. Nein, öfter. Je mehr ich mich umsah, umso mehr sah ich mich. In Tausenden von Spiegeln. Mal als kleines Mädchen, mal als junge Frau und dann wie heute.

Mal lächelnd, mal trotzig. Dann wieder widerlich grinsend und gleich darauf ängstlich und in demütiger Haltung. Was war das? Was sollte das bedeuten? Meine Haltung und der Gesichtsausdruck in diesen Spiegeln wurden immer bizarrer. Diese Spiegel galten nur mir. Ich sah zwei Menschen in einem.

Ich sollte sehen, wer oder was ich war. Aber von wem? Die Szenerie wurde immer schneller. Die Spiegel drehten sich im Kreis um mich herum und ich sah mich selbst, wie ich mich nie zuvor gesehen hatte. Ich versuchte diese Bilder von mir in einem einzigen Satz zusammenzufassen. Ein demütiges Scheusal mit einem angedeuteten Heiligenschein. Doch wie wird ein kleines Mädchen im Laufe der Jahre zu solch einer Person? Plötzlich verlosch das Licht, es wurde dunkel und die Spiegel waren weg. Übrig blieb ich.

Auf einem Stuhl. Und mir gegenüber ... saß – Schmidt.

Die sieben Masken des Teufels

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