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KOPFPENDLER

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Mein Kopf pendelte zwischen meinen Schultern hin und her. Krampfhaft versuchte ich mich in den Griff zu bekommen. Ich sah hoch und sah direkt in die Augen meines Mannes Max.

»So geht das nicht weiter. Auch wenn du dich am nächsten Morgen an nichts mehr erinnern kannst, du brauchst Hilfe und ich mittlerweile auch. Du erlebst in deinen Albträumen Grauenvolles und ich kann deine entsetzlichen Schreie und offensichtlichen Qualen nicht mehr hören, geschweige denn verarbeiten.«

Er hatte recht, und inzwischen wusste ich auch, dass mein Körper intuitiv reagierte und sich zu meinem eigenen Schutz nicht erinnern wollte. Aber das war nur die eine Seite der Medaille. Eigentlich wollte ich wissen, was da passierte bzw. passiert ist. Auf der anderen Seite waren diese Erinnerungen mit unerträglichen Schmerzen und einer furchtbaren Wahrheit verbunden. Ich ahnte das. Und doch wollte ich es wissen, genauso heftig, wie ich es eigentlich nicht wissen wollte.

Mein Hirn arbeitete auf Hochtouren und versuchte Türen in meinem Kopf zu öffnen und Wände einzureißen.

Doch hinter jeder Tür war schwarzer Nebel und hinter jeder Wand sah ich fiese Grimassen in weißen Wolkenfetzen.

Und immer wieder tauchten dazwischen Türen auf, die anders waren. Anders aussahen. Auf diesen Türen prangte ein großes »W«.

Während ich auf eine dieser Türen zuging, wurde dieses »W« breiter und nahm andere Formen an. Erreichte ich dann endlich diese Tür, stand dort ein Fragewort. An allen sieben Türen ein anderes.

Wann? Warum? Was? Wer? Wessen? Wie? Wo? Wann war was passiert? Warum wurde mir das angetan? Was war passiert? Wer hat das getan? Wessen Schuld ist das? Wie lange? Wo ist das geschehen?

Jede dieser Fragen ließ neue Fragen aufkommen. Aber alle Fragen hatten eines gemeinsam: Für keine dieser Fragen gab es eine Antwort für mich. Noch nicht. Später vielleicht. Vielleicht auch niemals.

Je mehr ich mich mit diesen Fragen auseinandersetzte, umso mehr hatte ich das Gefühl, wahnsinnig zu werden.

Ab sofort nahm ich wieder Schlaftabletten. Ein paar Nächte ging alles gut, dann waren sie wieder da ... die Albträume. Stärker als je zuvor.

Ich fühlte mich leicht und schwerelos, schwebte durch Zeit und Raum und hörte unverständliche Laute. Meine Augen rollten hin und her. Ich spürte einen Stich und so nach und nach lichtete sich der Nebel.

Je mehr Zeit verstrich, umso mehr spürte ich meinen Körper. Auch mein Verstand fing an, langsam wieder zu arbeiten, und ich versuchte mich zu erinnern. Spiegel, Eiswand, Schreie ...

Weiter kam ich nicht. Ich wurde hochgerissen, taumelte und bemerkte, dass man mir die Augen verbunden hatte. Jemand zog mir ein Kleid über den Kopf. Meine Lippen wurden geschminkt. All das geschah lautlos. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, da legte sich eine Hand darüber und

gleichzeitig zog mir jemand den Slip aus. In mir machte sich Panik breit.

»Du hast nicht das getan, was er dir befohlen hat. Durch deine Schreie kam alles raus und er wurde bestraft.

Jetzt wirst du bestraft.« Ich hatte diese Stimme schon irgendwann einmal gehört, hatte aber kein Gesicht dazu. Zeit zum Weiterdenken hatte ich nicht. Er zog mich hoch und stieß mich vor sich her. Die unverständlichen Laute kamen näher. Jetzt konnte ich viele Stimmen hören und ich konnte sie verstehen. Sie sprachen Russisch! Soldaten! Was? ...Oh nein! Ich hatte Russisch in der Schule gelernt und ich hatte verstanden! Der Mann hinter mir hatte erkannt, dass ich schreien wollte. Er hielt mir den Mund zu und gab mir eine Spritze.

Ich fiel sofort um und konnte mich nicht mehr bewegen und auch nicht sprechen.

Aber ich nahm alles um mich herum deutlich wahr. Der Mann trug mich in das Zimmer zu den Soldaten, legte mich auf einen Tisch und ging hinaus. Dann nahm mir jemand die Augenbinde ab.

Ich war allein mit ca. 30 russischen sexhungrigen Soldaten. Das konnte ich spüren. Und sehen. Und riechen.

Ein Offizier trat aus der Runde heraus, stellte sich vor mich hin und knöpfte sich langsam und genussvoll den Hosenlatz auf. Er sah sich dabei Beifall heischend um. Ein Chor aus Anfeuerungsrufen antwortete ihm. Ich sah ihn an und bettelte mit meinen Augen um Gnade. Vergebens.

Er vergewaltigte mich unter lautem Gejohle der Anderen brutal. Er gab den anderen ein Zeichen, das wie ein Startschuss wirkte. Nach dem dritten Soldaten ließ die Wirkung der Spritze nach, doch noch machte ich mich nicht bemerkbar. Mir war mehr als bewusst, dass ich in einer ausweglosen Situation war. Plötzlich wurde ich hochgehoben und ein Soldat mit herunter gelassener Hose und einem riesigen aufgerichteten Glied legte sich auf den Tisch. Ein Soldat hielt mich an den Oberarmen fest, ein zweiter meine Beine. Sie trugen mich wieder zum Tisch und ein dritter trat hinzu. Jetzt wehrte ich mich heftig. So heftig, dass der eine Soldat meine Beine fallen ließ und ich um mich trat wie eine Wilde.

Ein kleines metallisches Klicken ertönte und ich spürte etwas Kaltes und Hartes an meiner Stirn.

»Stoi!«. Der Offizier hob die Hand und ich konnte aus den Augenwinkeln eine Pistole erkennen. Sofort unterließ ich alle Gegenwehr.

Wieder wurde ich gepackt, der dritte Soldat riss meine Hinterbacken auseinander und man pfählte mich buchstäblich anal auf das erigierte Glied des Soldaten auf dem Tisch. Der Schmerz war so furchtbar, dass ich ohnmächtig wurde. Ein Eimer eiskaltes Wasser brachte mich wieder zurück.

Unter mir bewegte sich der Mann und von vorn kam der nächste. Gleichzeitig ejakulierten mir mehrere Männer ins Gesicht. Und sie wurden immer brutaler. Ich machte meine Augen zu. Die Stimmen um mich herum wurden immer leiser, eine Melodie klang auf und es wurde hell. Als hätte man einen Vorhang beiseitegeschoben. Ich stand im Kinderzimmer bei meinen Großeltern und ging geradewegs auf das Bücherregal zu. Das Märchenbuch «Aschenbrödel« lag

obenauf, ich ergriff es und fing an zu lesen. Auf der nächsten Seite war ein Bild mit Aschenbrödel im Schloss. Je länger ich es ansah, umso mehr verschwammen die Umrisse und Farben und plötzlich war ich mittendrin. Alles war leicht und ich sah meinen Prinzen. Wir lächelten uns an und tanzten durch den Raum und die Gäste klatschten zum Rhythmus der Melodie in die Hände.

Stopp! Irgendetwas war komisch. Die Gesichter der Menschen veränderten sich schlagartig. Sie starrten alle entsetzt zu uns herüber. Ich riss die Augen auf und sah die Soldaten.

Einige verließen fluchtartig den Raum, andere starrten wie hypnotisiert zum Tisch. Ich sah dieses Szenario aus einem ganz eigenartigen Blickwinkel. Von oben, als wenn ich an der Decke kleben würde.

Meine Augen bewegten sich zum Tisch und ich erschrak.

Dort lag eine Frau in einem roten Kleid, das ihr wie ein Schal um den Hals hing. Sie war über und über mit roten Druckstellen, blauen Flecken und einer glitschigen Flüssigkeit übersät, die von ihr herunter auf den Boden tropfte. Dort wo ihre Beine vom Tisch hingen, hatte sich eine große Blutlache gebildet. Die Frau versuchte sich mühsam aufzurichten. In diesem Moment trafen sich unsere Blicke. Auge in Auge. Sie lächelte mir zu, drehte sich zur Seite und fiel vom Tisch. Diese Frau war ich. Der Mann. Wer war er? Ich wusste, dass ich ihn kannte. Aber woher?

War das wirklich geschehen? Einerseits habe ich es gespürt, andererseits war es nicht greifbar. Oder hatten mich meine Dämonen wieder eingeholt? Ich wusste es nicht. Wirklich nicht. Ich schlug die Augen auf. Schwarz. Nicht greifbare Leere.

Nur das gleichmäßige Atmen eines Menschen neben mir. Panik ergriff mich. Ich versuchte die Bettdecke wegzuschieben. Doch sie fühlte sich wie Beton an.

Ich streckte meine Arme in alle Richtungen aus, um zu lokalisieren, was um mich herum war. Plötzlich blendete Licht auf.

»Was ist denn los? Warum zappelst du denn wie eine Wilde im Bett herum?

Hast du wieder einen Restless-Legs Anfall?« fragte mich Max mit schlaftrunkener Stimme.

Ich brauchte eine ganze Weile für den Weg aus der Kaserne bis in unser Schlafzimmer nach Österreich.

Den Eindruck hatte Max auch, denn er schnippte ein paar Mal mit seinen Fingern vor meinem Gesicht.

»Huhu, ich bin’s, Max«. Die nächsten Tage rief ich mir diese Szenen immer wieder ins Gedächtnis, so schwer mir das auch fiel. Einfach, um eventuell auf Details zu stoßen, die mir vielleicht eine Standortbestimmung ermöglichten. Wenn man eine Sprache nicht

kontinuierlich spricht, verlernt man sie innerhalb kürzester Zeit. Irgendwann hörte ich ein paar Wörter, die ich kannte: Leninstraße – Artillerieregiment. Der Rest war Google-Suche. 841. SFL-Artillerieregiment in KMST (früher Planitzstraße – zu DDR-Zeiten: Leninstraße – heute: H.- Schütz-Straße). Nur, was brachte mir das Wissen, in welcher Kaserne das Ganze passiert war? Nichts. Noch nicht.

Die sieben Masken des Teufels

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