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Gelenkzentrierung …

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… ist ein Begriff, der in diesem Buch immer wieder auftauchen wird. Er bezieht sich auf die Fähigkeit, ein Gelenk auszurichten und zu kontrollieren, ob in einer statischen Haltung (ohne Bewegung) oder in einer dynamischen Haltung (siehe Abb. unten). Die Zentrierung wird durch die koordinierte Leistung des Nervensystems erreicht, welches Feedback vom propriozeptiven System erhält und die vorteilhafteste motorische Strategie anwendet, um das Gelenk/die Gelenke zu kontrollieren, das/die für die jeweilige Aufgabe benötigt wird/werden.


(a) Optimale Hüftzentrierung während der Hüftbeugung: M. psoas und die unteren Fasern des Gesäßmuskels arbeiten mit den anderen tiefen Hüftmuskeln zusammen, um den Hüftkopf während der Beinbewegung in der Hüftgelenkpfanne zu halten.

(b) Nicht-optimale Hüftzentrierung während der Hüftbeugung: Der Hüftkopf verschiebt sich in der Hüftgelenkpfanne nach vorne und oben, wenn der M. psoas und andere tiefe Stabilisatoren die Gelenkposition nicht optimal kontrollieren können.

Die Gelenkzentrierung setzt eine Gelenkstellung voraus, bei der die knorpeligen Flächen maximalen Kontakt haben und die Kräfte, die auf das Gelenk einwirken, angemessen auf die Gelenkflächen verteilt sind (Kolar et al. 2013). Sie ermöglicht die optimale Positionierung und Kontrolle der Gelenke, sodass sie gut dazu in der Lage sind:

•alle Muskeln rund um das Gelenk zu aktivieren, wenn dies nötig ist, um Haltung und Bewegung zu kontrollieren;

•das geeignete propriozeptive Feedback von den Rezeptoren des Gelenks und der Weichteile zu liefern;

•einer übermäßigen Gelenkkompression (die durch eine zu starke myofasziale Aktivierung entsteht), einer unkontrollierten Gelenkbewegung (Hypermobilität) und/oder Überdehnung oder Belastung der Weichteilstrukturen des Gelenks (Gelenkkapsel, Bänder, Muskeln und Faszien) vorzubeugen.

Voraussetzung für eine optimale Zentrierung ist eine koordinierte Aktivität in jedem einzelnen Muskel, der auf das Gelenk einwirkt. Dies ermöglicht gleichzeitig die Zentrierung sowie eine gut kontrollierte Rotationsachse – den idealen theoretischen Punkt, um den herum sich ein Gelenk bewegt. Zu viel Muskelaktivität in allen Muskeln, die ein Gelenk umgeben, führt zu einer übermäßigen Kompression. Unausgewogenheiten dort, wo es in einem oder mehreren Muskeln in Bezug auf ihre funktionellen Synergisten (Muskeln, die zusammenwirken, um ein Gelenk zu stabilisieren oder zu bewegen) zu viel Aktivität gibt, stören die Zentrierung und beeinträchtigen daher die optimale Zentrierung und Bewegung.

Bei einer ausgewogenen Aktivität zwischen den tiefen und den oberflächlichen Muskeln bleibt der Hüftkopf, ungeachtet des Bewegungsumfangs, relativ zentriert in der Gelenkpfanne. Bei einer Beeinträchtigung – beispielsweise einer Überaktivierung der oberflächlichen Anteile des M. gluteus maximus, der ischiokruralen Muskulatur und/oder der Hüftrotatoren in Bezug auf die tiefen Muskelfasern und den M. psoas – verliert der Hüftkopf seine ideal zentrierte Stellung und verschiebt sich nach vorne. Dadurch wird die vordere Gelenkkapsel überdehnt, und die Weichteilstrukturen wie das Labrum werden beeinträchtigt. Dies ist ein häufiges Szenario in der Ereigniskaskade, die letztlich zu einem femoro-acetabulären Impingement-Syndrom (FAI), Rissen im Labrum und weiteren degenerativen Veränderungen der Hüfte führt.

Wenn, vergleichbar, der M. psoas zusammen mit den anderen Muskeln des tiefen myofaszialen Systems (DMS) die Aktivität der oberflächlichen Schichten des M. erector spinae und der Bauchmuskeln ausgleicht, bleibt die Wirbelsäule gut zentriert. Bei einer Inhibition des M. psoas, M. transversus abdominis oder der Mm. multifidi mit kompensierender Überaktivität der oberflächlichen Muskeln wird die Zentrierung der Wirbelsäule jedoch gestört. Wie bereits weiter oben für die Hüfte besprochen, trägt diese nicht-optimale Strategie bei längerem Bestehen letztlich zu einer degenerativen Erkrankung der Bandscheiben und Wirbelsäulengelenke bei. Darauf wird im Verlauf des Buches noch detaillierter eingegangen.

Die Gelenkzentrierung ist ein dynamischer Vorgang und wird daher durch viele Faktoren beeinträchtigt. Zu den Faktoren, die ein Gelenk dezentrieren oder zu einer nicht-optimalen Ausrichtung und Kontrolle des Gelenkaus beitragen können, gehören die folgenden:

•Neurale Inhibition nach einer Reizung spinaler Nervenwurzeln.

•Eine Bandscheibenpathologie (Vorwölbung oder Hernienbildung), die die Nerven der Brust- oder Lendenwirbelsäule beeinträchtigt, kann die Funktion der dazugehörigen Muskeln in diesem Bereich des Rumpfes, der Wirbelsäule und/oder der Hüften beeinflussen, was wiederum zu einer muskulären Kompensation und Unausgewogenheit führt.

•Muskuläre Unausgewogenheiten nach Trauma, Operation oder Entzündung.

•Ein Trauma, eine Operation oder eine Gelenkentzündung können zu einer Inhibition primär der tieferen oder intrinsischen Gelenkmuskeln beitragen, was letztlich zu einem Verlust der motorischen Kontrolle führen kann.

•Eine Inhibition führt zu einer kompensierenden Überbeanspruchung in bestimmten – meist den oberflächlichen – Muskeln – die die optimale Zentrierung weiter stören.

•Falsches Training.

•Falsche Übungsmuster (z.B. für den individuellen Bewegungsumfang zu tiefe Kniebeuge und zu starke Kippung nach hinten mit zu starker Flexion der Lendenwirbelsäule) und ein falsches Startsignal zu Beginn der Squat-Bewegung) können zu einer Überaktivierung bestimmter Muskeln im Verhältnis zu anderen beitragen, wodurch Gelenkausrichtung und -kontrolle beeinträchtigt werden.

Der Erfolg bei der Ausübung auf einem optimalen Niveau, die Linderung chronischer Steifigkeit oder chronischer Beschwerden und die Minimierung des Verletzungsrisikos – alles wird letztlich von der Fähigkeit zur Gelenkzentrierung beeinflusst. Das Ziel bei jedem Reha- und/oder Trainingsprogramm ist, die geeignetsten Übungsmuster, Anweisungen und Strategien zu wählen, die eine ideale Gelenkzentrierung verbessern und/oder aufrechterhalten. Dieses Thema wird bei der Entwicklung der Übungsmuster im Mittelpunkt stehen, die in den späteren Kapiteln besprochen werden.

Klinische Betrachtung

»Gelenkzentrierung« gilt häufig als esoterischer Begriff, daher wird der Gebrauch als gültiger Untersuchungsbegriff oft kritisiert. Der Großteil der Fehleinschätzung stammt aus der Unfähigkeit vieler Therapeuten, genau zu bestimmen, ob ein Gelenk richtig zentriert ist oder nicht. Da nur Wenige wirklich in dieser Beurteilung geschult sind, wird die Gelenkzentrierung entweder als ungültiges Untersuchungswerkzeug verworfen oder als oberflächlicher Augenscheintest abgehakt (»Ich denke, es tut/tut nicht, was es tun sollte« oder »Es sieht so aus, als würde es sich so bewegen/nicht so bewegen, wie es sollte«).

Während man beobachten kann, was in einer bestimmten Körperregion geschieht, lässt sich durch visuelle Überprüfung nicht genau bestimmten, was auf Gelenkebene tatsächlich geschieht. Die Palpation ist die genaueste und zuverlässigste Methode für die Beurteilung der Gelenkstellung und Gelenkbewegung.

Die Palpation ist wie jede klinische Fähigkeit eine Fertigkeit, die nur vervollkommnet werden kann, indem man mit seinen Händen viele Gelenke abtastet – sowohl solche, die gut ausgerichtet und kontrolliert sind, als auch solche, die nicht gut ausgerichtet und nicht kontrolliert sind. Ein umfassendes Verständnis der strukturellen Anatomie, der Biomechanik (wo ein Gelenk im Idealfall positioniert ist und wie es sich optimal bewegen sollte) und der motorischen Kontrolle (wie das neuromyofasziale System die Gelenkstellung während einer bestimmten Haltung oder Bewegung beeinflusst) ist eine Vorbedingung dafür, bestimmen zu können, ob ein Gelenk ideal zentriert ist oder nicht.

Auch wenn nicht jeder so spezifisch untersucht werden muss, können Ärzte oder Fitnessexperten auch Klienten oder Patienten mit chronischen Problemen im unteren Rücken oder in der Hüfte haben, die mit einer nicht-optimalen Gelenkzentrierung zusammenhängen könnten. Da sich die meisten Personen, die zur Behandlung kommen, mit chronischer Steifigkeit, Schmerzen und/oder Leistungsverlust vorstellen, sollte ihre Gelenkzentrierung und, noch wichtiger, ihre Kontrollstrategie untersucht werden.

Wenn man keiner Berufssparte angehört, die eine Palpation erlaubt, kann es vorteilhaft sein, mit einem Therapeuten zusammenzuarbeiten, der in der Untersuchung der Gelenkzentrierung geschult ist. Kann der Klient/Patient nicht mit eigenen Händen untersucht werden, muss sich der Entscheidungsprozess alleine auf die Information stützen, die der Augenschein und die Erfahrung liefern.

Die Psoas-Lösung

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