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Оглавление2 Methodische Ansätze
Die vorliegende Arbeit behandelt, anders als viele Diskursanalysen, die in den letzten Jahren innerhalb der Sprachwissenschaft durchgeführt wurden und zu mitunter interessanten Ergebnissen bezüglich des Einflusses von Sprache auf die Wahrnehmung der Wirklichkeit geführt haben, kein fachfremdes Ereignis, sondern, mit der Frage nach dem Stellenwert der deutschen Sprache in Luxemburg, einen genuin linguistischen Gegenstand. Zudem untersucht sie diesen mit einem linguistischen Methodeninstrumentarium. Text- und diskurslinguistische Methoden werden mit soziolinguistischen Erklärungsansätzen kombiniert und um Erkenntnisse aus der angewandten Sprachwissenschaft (zu Spracherwerb, DAF/DAZ-Unterricht, zu öffentlicher Kommunikation und Sprachplanung) ergänzt. Bei der Zusammenstellung des Untersuchungskorpus wie auch bei dessen Analyse wurde für eine ‚Triangulation’ optiert, nach der die jeweils spezifischen Schwächen einer Methode durch die Stärken anderer Methoden ausgeglichen werden sollten (vgl. Gläser/Laudel 2010: 105).
Bemerkungen zur Verwendung diskurslinguistischer Methoden
Wenn diese Arbeit sich als eine diskursanalytische Untersuchung versteht, dann ist damit vor allem der theoretische Hintergrund, vor dem sie operiert, gemeint, aber eben auch ein Teil ihres methodischen Vorgehens. Nachdem das Material des Untersuchungskorpus in thematisch abtrennbare Teildiskurse geordnet worden war, konnte genauer betrachtet werden, welche historischen Ereignisse die verschiedenen Teildiskurse von 1983 bis 2015 prägten.
In der Praxis der Diskursanalyse kann die Ermittlung diskursiver Ereignisse den diskursiven Kontext, auf den sich ein aktueller Diskursstrang bezieht, markieren bzw. konturieren (Jäger/Zimmermann 2010: 41).
Während einige Ereignisse die bestehenden Wissensmuster einer bestimmten Zeit ‚nur’ bestätigen, sind andere so einschlägig, dass sie sich auf die Denkmuster der Gesamtgesellschaft auswirken und dieser in Erinnerung bleiben. Sie sind als diskursive Ereignisse zu bezeichnen:
Besonderes Kennzeichen diskursiver Ereignisse ist die durch sie erzeugte mehr oder minder starke Einflussnahme auf den weiteren Verlauf des betreffenden Diskurses, zu dem es gehört. (ebd.).
In einem nicht unerheblichen Teil der Arbeit werden die Reaktionen von Diskursteilnehmern1 auf Ereignisse dargelegt und analysiert. Für die einzelnen Teildiskurse werden die zentralen Aussagen herausgefiltert. Texte des Korpus werden nur noch mit Blick auf ihre Kontextualisierungsfunktion für die Interpretation von Aussagen betrachtet (vgl. Bluhm et al. 2000: 8, mit Bezug auf Jung 1996). Aufgrund ihrer schlechten Lesbarkeit stellte es sich als unmöglich heraus, die abfotografierten Presseartikel des Medienkorpus in ein Textverarbeitungsprogramm einzuspeisen. Das führte dazu, dass sich die Struktur bzw. der Analyse- und Schreibstil der Arbeit entsprechend veränderten. Das ganze Korpusmaterial wurde manuell, ohne Computerunterstützung, analysiert, was verschiedene sprachstrukturelle Verfahrensweisen der Diskurslinguistik aus Praktikabilitätsgründen ausschloss. Dazu gehörten etwa Analysen auf der Wort- und propositionalen Ebene (Analysen von Schlüsselwörtern, von Mehrwortverbindungen, die in das Wissen der Rezipienten eindringen, die Analyse von Relationshinweisen, Implikaturen, Syntax, Tempus, Modalität …). Dort, wo es um die Freilegung des kollektiven Wissens der Gesellschaft und um die soziale Stratifizierung von Wissen geht, wird die Analyse von Argumentationsmustern angewandt. Diese maßgeblich von Martin Wengeler (2003) in die Diskurslinguistik eingeführte Methode der Toposanalyse hat sich als praktisches Verfahren zur Herausarbeitung kollektiven Wissens erwiesen. Auf diese Weise können die in den Texten wiederkehrenden Aussagen, die dort dominanten Denkmuster, herausgearbeitet werden (vgl. Wengeler 2013: 152). Das Ziel einer Toposanalyse ist die Analyse des kollektiven Wissens durch Sprachanalyse (vgl. Wengeler 2010: 77). Jung und Wengeler (1999: 154) fassen das Verständnis des Topos-Begriffs für die linguistische Untersuchung von Argumentationsmustern in Diskursen wie folgt zusammen:
Zu ihrer Analyse eignet sich der rhetorische Topos-Begriff, nicht in dem auf Curtius beruhenden bildungssprachlichen Verständnis als zu einem sprachlichen Klischee geronnener Gemeinplatz oder als eine Art literarisches Motiv, sondern als vielseitig verwendbarer, für den Argumentierenden bereitliegender Sachverhaltszusammenhang, der zur argumentativen Begründung konkreter zur Diskussion stehender Positionen herangezogen wird.
Bei diesen dominanten Denkmustern, die den Stellenwert der deutschen Sprache in Luxemburg bestimmen, handelt es sich letztlich um Überzeugungen der dominierenden Sprachgruppe, derjenigen mit Familiensprache Luxemburgisch bzw. luxemburgischer Bildungssozialisation. Ihr Wissen wird hauptsächlich anhand der sich im Medienkorpus artikulierenden öffentlichen Meinung offengelegt.2 Wie noch ersichtlich werden wird, werden die Printmedien vor allem von dieser Sprachgruppe rezipiert.3 Die Benennungen solcher kontextspezifischer Argumentationsmuster, die immer wieder im Diskurs verwendet und zu einer bestimmten Zeit als konsensträchtig akzeptiert werden, entwickelten sich im Verlauf der Analyse des Korpusmaterials. Sie wurden in Anlehnung an Kienpointner (1992: 246) benannt, der eine Typologie von Argumentationsmustern erstellt hat, die in der alltäglichen Kommunikation immer wieder vorkommen.
In nahezu allen Kapiteln geht es nicht allein um das gängige Sprachwissen, sondern auch um das konkrete Sprachhandeln, die alltägliche Praxis im Umgang mit Mehrsprachigkeit in Luxemburg. Im medialen Diskurs wird – wie bereits ausgeführt – nicht die Praxis jeden sozialen Feldes verhandelt. Außerdem stimmt die real sich abspielende Praxis nicht immer mit den im Mediendiskurs herrschenden Diskurspositionen überein. Die Praktiker, die für die vorliegende Arbeit interviewt wurden, waren ein wichtiges Medium um Informationen zu diesem alltäglichen Handeln in Bereichen wie Journalismus, Öffentlichkeitsarbeit, Werbung oder auch über den Alltag in Luxemburgs Klassenzimmern zu erhalten. Sie waren zugleich Diskursteilnehmer, aber sind selbst nicht das ‚Objekt’ der Untersuchung. Sie sind bzw. waren Zeugen der mich auf ihren Berufsfeldern interessierenden Prozesse (vgl. Gläser/Laudel 2010: 12). Warnke und Spitzmüller (2008: 22) betonen:
Kurzum: Wir halten die Analyse sozialer Strukturen für eine wichtige Aufgabe der Diskursanalyse, und eine Diskurslinguistik kann hier insbesondere auf soziolinguistisches Know-how zurückgreifen. Und wir halten eine Diskurslinguistik, die diese Komponente nicht berücksichtigt für unterspezifiziert, da sie den Diskurs als soziale Praktik in und mit der Sprache nicht hinreichend berücksichtigt (Warnke/Spitzmüller 2008: 22).
Die zentralen ‚Aussagen’ der Experten wurden aus den Interviews herausgefiltert und dem Wissen auf anderen Diskursebenen bzw. dem konkreten Material, das auf den entsprechenden sozialen Feldern ‚erzeugt’ wurde, gegenübergestellt. Soziolinguistische Konzepte, die das Handeln in mehrsprachigen Gesellschaften erklären, wurden für die Interpretation des Mentalitätenwissens und zur Erklärung von dessen Veränderung genauso herangezogen (Domänenkonzeption, Mündlichkeit und Schriftlichkeit [Koch/Oesterreicher] …) wie Erkenntnisse der angewandten Sprachwissenschaft.