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EXKURS: Das Bildungssystem in Portugal

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Das Ende der Diktatur in Portugal ist noch jung. Erst 1974 wurde sie durch eine friedliche Revolution beendet, wirkt jedoch bis heute nach. Vor der Nelkenrevolution war der Analphabetismus im Land weit verbreitet, rund ein Drittel der portugiesischen Bevölkerung konnte weder richtig lesen noch schreiben (vgl. srf et al. 2014). Portugiesen, die damals nach Luxemburg auswanderten, hatten selten eine abgeschlossene Grundschulausbildung. Bis heute geht ein Großteil von ihnen in Portugal früh von der Schule ab (vgl. Santiago et al. 2012: 9). 2009 konnten nur 30 % der 25- bis 64-jährigen Portugiesen, die dem Arbeitermilieu entstammen, einen oberen Sekundarschulabschluss vorweisen. Das ist die niedrigste Rate in der OECD. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 73 % (vgl. ebd.). Auch wenn die Zuwanderer, die heute aus Portugal kommen, deutlich freier und offener erzogen sind als ihre Eltern, sind es größtenteils Arbeitsmigranten, deren Verdienst sich im Niedriglohnbereich ansiedelt. Charakteristisch für diese Zuwanderergruppe ist, dass sie ein wenig elaboriertes Portugiesisch oder kapverdisches Kreol und nur ein elementares Französisch (A1- bis A2-Niveau) beherrscht. Ende 2000 fand in der luxemburgischen Abgeordnetenkammer eine Orientierungsdebatte zum Thema „Une école d’intégration“ statt. Die Verantwortlichen der ASTI (Association de Soutien aux Travailleurs Immigrés) gaben darin zu bedenken, dass ein Großteil der Eltern mit Migrationshintergrund nicht in der Lage sei, die schulischen Fortschritte seiner Kinder zu verfolgen (vgl. CHD 2000: 26). Grund sei der Bildungsstand der Eltern und nicht oder nur unzureichend vorhandene Kenntnisse in den luxemburgischen Landessprachen (vgl. ebd.). 2005 wurde das portugiesische Bildungssystem erneut reformiert. Seither ist nicht mehr Französisch, sondern Englisch die erste Fremdsprache, die in der dritten Klasse erlernt wird (vgl. Leclerc 2014).1 Auswanderer, die aus Portugal nach Luxemburg kommen, können daher nicht mehr zwingend Französischkenntnisse vorweisen:

„Das Profil dieser Menschen ist sehr variabel. Verschiedene sind wenig qualifiziert, andere dagegen sehr gut. Man sprach mir von Personen, die Universitätsdiplome haben, jetzt aber Teller waschen oder in einem Umzugsunternehmen arbeiten. Da gibt es oft ein Sprachenproblem, weil diese Menschen keine Fremdsprache oder nur Englisch sprechen. Französisch ist nicht mehr die Fremdsprache, die es einmal in Portugal war.“ (LW4: 07.03.2012)

Luxemburgs Grundschulen bieten so genannte cours d’accueils an. Diese Intensivkurse sind darauf ausgerichtet, Zuwandererkinder, die während eines laufenden Schuljahres in Luxemburg ankommen und weder Deutsch- noch Französischkenntnisse mitbringen, möglichst schnell mit einer Kommunikationssprache auszustatten.2 Bei der ersten Begegnung soll das Lehrpersonal der cours d’accueils den Eltern das luxemburgische Bildungssystem und die Sprachensituation erklären. Es soll ihnen verdeutlichen, wie wichtig es ist, die Landessprachen anzunehmen und damit ein Vorbild und eine Motivation für die eigenen Kinder zu sein. Das Bildungsministerium stellt den Schulen seit 1999 außerdem Dolmetscher und kulturelle Mediatoren zur Seite, um bei Bedarf die Kommunikation zwischen Eltern und Lehrkräften zu erleichtern (vgl. LW5: 22.01.2004). Zu Dolmetschern und kulturellen Mediatoren werden gelegentlich auch die Lehrkräfte der sogenannten Cours intégrés en langue maternelle in den Grundschulen. Diese Kurse wurden 1983 vom luxemburgischen Bildungsministerium eingeführt. Zu Beginn wurde der integrierte Muttersprachunterricht in Schulen, die einen hohen Migrationsanteil aufwiesen, in den Sprachen ‚Italienisch’, ‚Spanisch’ und/oder ‚Portugiesisch’ angeboten. Anfangs sollten die Kurse Kindern aus Zuwandererfamilien, die planten in absehbarer Zeit wieder in ihr Herkunftsland zurückzukehren, ausreichende Muttersprachkenntnisse vermitteln (vgl. Tagebl25: 10.10.2014). Die meisten Familien blieben jedoch in Luxemburg. Seit 2005 existieren landesweit nur noch die ‚Cours intégrés en langue portugaise’ (COIP). Der Anteil der übrigen Nationalitäten ist in den Grundschulen mittlerweile zu gering, um die Beibehaltung der Kurse zu rechtfertigen.3 Der Muttersprachunterricht wird damit begründet, dass „Studien gezeigt [hätten], dass Kinder, die den Kontakt zu ihrer Muttersprache behalten, sich leichter gegenüber Neuem öffnen [würden] und schneller neue Sprachen lernen könn[t]en” (vgl. ebd.). Eine Studie von Tonnar-Meyer/Unsen/Vallado (vgl. 2005: 24) konnte jedoch keinen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Besuch der COIP-Kurse und dem schulischen Erfolg der Kinder in Luxemburg ausmachen. Im Schuljahr 2013/2014 besuchte ein Viertel aller portugiesischen Grundschüler die COIP-Kurse (vgl. Tagebl25: 10.10.2014).4 Die Einschreibungszahlen sind rückläufig. Viele Eltern sind mittlerweile der Meinung, dass es ihren Kindern mehr hilft, wenn sie den regulären Unterricht besuchen, der auf Deutsch abläuft (vgl. ebd.). Während im COIP-Kurs der Lernstoff in den Fächern Geografie, Naturwissenschaften und Geschichte auf Portugiesisch unterrichtet wird, wird in der regulären Klasse dasselbe Wissen auf Deutsch vermittelt (vgl. ebd.).

Gegenwärtig leben viele Portugiesen in der zweiten oder dritten Generation in Luxemburg und verfügen über eine vollkommen andere Lern- und Sprachbiografie als ihre Eltern, Großeltern und Neuzuwanderer. Sie haben das luxemburgische Bildungssystem teilweise oder ganz durchlaufen und die Landessprachen erworben. Wer den Gesprächen junger Migranten heute zuhört, bemerkt wie sie, gerade im Austausch mit Gleichaltrigen, wo die Erwartungen an die Ausdruckswahl geringer sind, die Sprachen, die sich in ihren Repertoires befinden, vermischen. Sie haben eine multilinguale Identität ausgebildet. Mitten im Gespräch wird zwischen verschiedenen Sprachsystemen hin und her gewechselt (code-switching) – wenn es schnell gehen soll, werden die Sprachen sogar gemixt (code-mixing). Die Schule hat hier eine Grundlage geschaffen, die außerhalb der schulischen Wertmaßstäbe unbefangen als Mehrsprachigkeit genutzt wird.

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